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Klausurfall Auflassungsvormerkung

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Fall:

Der Grundstückseigentümer E ist nach seinem Tode laut Erbschein des zuständigen Nachlaßgerichts von seinen Söhnen A und B beerbt worden. Da diese das Grundstück des E nicht behalten wollen, unterbleibt die Berichtigung des Grundbuchs. Durch notariellen Vertrag vom 01.04.2002 verkaufen A und B das Grundstück für 25.000.- Euro an K und erwirken zu seinen Gunsten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Zwei Wochen nach Eintragung der Vormerkung wird durch Zufall ein gültiges Testament des E entdeckt, in dem E die Stadt S zu seiner Erbin eingesetzt hat. Daraufhin zieht das Nachlaßgericht den Erbschein als unrichtig ein. Der Einziehungsbeschluß wird K mitgeteilt. Einen Monat später erfolgt die Eintragung des K als neuer Eigentümer im Grundbuch.

Da die Stadt S dem K das Eigentum an dem Grundstück streitig macht, verlangt dieser von A und B Rückzahlung des Kaufpreises.

Zu Recht?

Lösung:

Anspruch des K gegen A und B auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346, 323 I, 326 V, 275 I, IV BGB

K könnte gegen A und B einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 25.000.- Euro nach erfolgreichem Rücktritt aus §§ 346, 323 I 3.

+26V, 275 I, IV BGB haben. Zunächst müßte dem K ein Rücktrittsrecht nach § 323 I, 326 V, 275 I, IV BGB zustehen. Dann müßte A und B eine Leistungspflicht unmöglich sein. Die Verschaffung des Eigentums ist gemäß § 433 I BGB Erfüllungspflicht eines Kaufvertrages.

1. Voraussetzungen der Unmöglichkeit nach § 275 I BGB

Die Erfüllung einer Leistungspflicht ist gemäß § 275 I BGB dann unmöglich, wenn die entweder subjektiv dem Schuldner oder objektiv jedermann unmöglich ist. Eine Unmöglichkeit kommt allerdings nicht in Betracht, wenn A und B ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag bereits erfüllt haben. Dann müssten sie dem K das Eigentum an dem Grundstück verschafft haben.

a.) Eigentumserwerb vom Berechtigten nach §§ 925, 873 BGB

K könnte das Eigentum von A und B gemäß §§ 925, 873 BGB erworben haben. Dafür müssten A und B aber Berechtigte gewesen sein. Da ihnen das Grundstück nicht gehört, waren sie Nichtberechtigte. Ein Eigentumserwerb nach diesen Vorschriften scheidet somit aus.

b.) Gutgläubiger Erwerb nach §§ 925, 873, 892 BGB

Möglicherweise könnte K das Eigentum an dem Grundstück gutgläubig gemäß §§ 925, 873, 892 BGB erworben haben. Die kaufvertragliche Erfüllungspflicht ist nicht nur mit aktiver Eigentumsverschaffung nach §§ 925, 873 BGB sondern auch durch gutgläubigen Erwerb des Käufers möglich. Einigung und Eintragung des K im Grundbuch sind erfolgt. Es wäre aber weiterhin erforderlich, dass A und B als Eigentümer im Grundbuch eingetragen waren und K die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt war. Im Grundbuch war weiterhin E als Eigentümer eingetragen, so dass ein gutgläubiger Erwerb des Grundstücks nach § 892 BGB ausscheidet.

c.) Gutgläubiger Erwerb nach §§ 925, 873, 2366 BGB

Es könnte aber ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Grundstücks nach den §§ 925, 873, 2366 BGB vorliegen. Dazu müßte K von A und B, die im Erbschein als Erben bezeichnet worden sind, durch Rechtsgeschäft einen Erbschaftsgegenstand erworben haben, ohne dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Erbscheins kennt oder weiß, dass das Nachlaßgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit des Erbscheins verlangt hat. Die Kenntnis von dem Erbschein oder dessen Inhalt ist hierbei nicht erforderlich, die Wirkung des öffentlichen Glaubens an den Erbschein ist abstrakt. K hat durch Rechtsgeschäft von A und B, die im Erbschein als Erben bezeichnet waren, einen Erbschaftsgegenstand, das Grundstück, erworben. Möglicherweise könnte K jedoch bösgläubig gewesen sein, da er vor der Eigentumsumschreibung durch den Einziehungsbeschluß Kenntnis erhielt, dass A und B nicht Erben des E und daher nicht Eigentümer des Grundstücks sind. Bei § 2366 BGB ist maßgebender Zeitpunkt für die Gutgläubigkeit die Vollendung des Eigentumserwerbs, also die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch, da eine dem § 892 II BGB entsprechende Sondervorschrift, der den Zeitpunkt auf die Stellung des Antrages auf Eintragung vorverlagert, fehlt. Dies gilt sowohl für das Bestehen eines im Sinne der §§ 2365, 2366 BGB als Grundlage geeigneten Erbscheins und für die Nichtkenntnis schädlicher Umstände. Im Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch war K bereits bösgläubig, da das Nachlaßgericht zu diesem Zeitpunkt den Erbschein als unrichtig eingezogen hatte und dies K mitgeteilt hatte. Der gutgläubige Eigentumserwerb könnte somit ausgeschlossen sein. Dies wäre nicht der Fall, wenn nicht auf den Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels, sondern den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung, zu dem alle Beteiligten nichts von der Errichtung des Testaments zugunsten der Stadt wussten, abzustellen wäre.

aa.) Erwerb der Auflassungsvormerkung

Dafür wäre zunächst erforderlich, dass K eine Vormerkung wirksam erworben hat. Die Entstehung der Vormerkung setzt gemäß § 885 I BGB neben dem zu sichernden Anspruch auf dingliche Rechtsänderung an einem Grundstück die Bewilligung der Vormerkung durch den Berechtigten, sowie die Eintragung der Vormerkung in das Grundbuch voraus. Ein zu sichernder Anspruch, hier auf Übereignung des Grundstücks aus § 433 I BGB, die Eintragung ins Grundbuch und eine Bewilligung liegen vor. Jedoch waren A und B Nichtberechtigte. Möglicherweise könnte K die Vormerkung gutgläubig erworben haben. In Betracht kommt zunächst ein gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB. Voraussetzung ist die Verfügung über ein Recht an einem Grundstück. Die Vormerkung ist jedoch kein Recht an einem Grundstück, sondern die Bewilligung der Vormerkung ist als ein Rechtsgeschäft anzusehen, das eine Verfügung über ein Recht an dem Grundstück enthält. § 892 BGB ist nicht anwendbar. Es könnte aber der Anwendungbsereich des § 893 BGB eröffnet sein. Die Vormerkung als besonders geartetes Sicherungsmittel ist ein Rechtsinstitut eigener Art, das geeignet ist, dem geschützten Anspruch in gewissem Rahmen dingliche Wirkung zu verleihen. Die Vormerkung führt zu einer dinglichen Gebundenheit des Grundstücks, die zur Folge hat, dass der Eigentümer gegenüber dem Vormerkungsberechtigten nicht mehr wirksam über das Grundstück verfügen kann. Deshalb folgt aus der Bewilligung der Vormerkung eine Bechränkung der Verfügungsmacht des Bewilligenden. Aufgrund der dinglichen Gebundenheit des betroffenen Grundstücks oder Grundstückteils durch die Vormerkung fällt die Bewilligung einer Vormerkung unter den Anwendungsbereich des § 893 BGB. Wegen der in dieser Vorschrift vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 892 BGB kommt dem Vormerkungsberechtigten der Schutz des guten Glaubens zwar nicht für den Bestand eines schuldrechtlichen Anspruchs zu, wohl aber für die dingliche Gebundenheit des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks oder Grundstückteiles. A und B müßten für den gutgläubigen Ersterwerb der Vormerkung nach § 893 BGB im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sein. Dort war aber noch E als Eigentümer eingetragen, sodass auch ein gutgläubiger Erwerb nach § 893 BGB ausscheidet.

Es könnte jedoch ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung nach § 2367 BGB stattgefunden haben. Die Bestellung der Vormerkung ist nicht eine unter § 2366 BGB fallende Vergütung über einen Erbschaftsgegenstand. Vielmehr ist die Bewilligung einer Vormerkung entsprechend des Rechtsgedankens von § 893 BGB ein unter § 2367 BGB fallendes Rechtsgeschäft, das die Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Recht betrifft. K hat demnach die Vormerkung gutgläubig gemäß § 2367 BGB erworben. Es müssten die oben entwickelten Grundsätze auf die hier gegebene Konstellation des Erwerbs vom Erbscheinsberechtigten übertragbar sein. Der Fall des gutgläubigen Erwerbs vom Buchberechtigten ist mit dem Fall des gutgläubigen Erwerbs vom Erbscheinsberechtigten vergleichbar. Norm, Zweck und Interessenlage von § 893 BGB und § 2367 BGB stimmen überein. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Erbscheinserbe sein vermeintliches Erbrecht vom noch eingetragenen Erblasser ableitet oder ob er selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. In beiden Fällen ist der gute Glaube des Erwerbers in gleichem Maße schutzwürdig. Dies gilt zumindest dann, wenn das zur Erbschaft gehörende Recht mit dem im Grundbuch eingetragenen Recht, hier dem Eigentum des Erblassers am Grundstück, identisch ist.

bb.) Schutz der Vormerkung gegen Verfügungen des wahren Berechtigten

Fraglich ist aber, ob die Vormerkung nur gegen spätere Verfügungen des Buchberechtigten bzw. des Erbscheinserben oder auch gegenüber dem wahren Berechtigten, hier also gegenüber der Statdt S, wirkt. Nach einer Ansicht ist der Zweck der – auch gutgläubig erworbenen – Vormerkung nur vor künftigen Verfügungen, also für die Zeit nach der Vormerkung zu schützen. Eine bereits bei Eintragung der Vormerkung bestehende unrichtige eingetragene Rechtslage kann nicht durch die Vormerkung allein perpetuiert werden, die wirkliche Rechtslage also nicht bereits durch den gutgläubigen Erwerb der Vormerkung vernichtet werden. Für diese Ansicht spricht, dass im Regelfall die Vormerkung nur vor künftigen Verfügungen schützen soll.

Demgegenüber entfaltet nach anderer Ansicht die Vormerkung auch gegenüber dem wahren Berechtigten ihre Wirkung und somit auch gegenüber der Stadt S. Dies hat zur Folge, dass auch für die Frage der Bösgläubigkeit auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Vormerkung bzw. sogar auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Eintragung der Vormerkung abzustellen ist. Angesichts der quasi-dinglichen Position, die das Gesetz dem Vormerkungsberechtigten einräume, sei es wertungsmäßig folgerichtig dem gutgläubigen Erwerber einer Vormerkung auch dann die Möglicheit des Erwerbs des gesicherten Rechts zu geben, wenn hinsichtlich dieses Rechts die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs inzwischen nicht mehr vorlägen. Der gutgläubige Erwerb einer Vormerkung sei praktisch wertlos, wenn der Erwerber auch noch im Zeitpunkt des Erwerbs des gesichereten Rechts selbst gutgläubig sein müßte. Auch werde nur diese Auffassung den Bedürfnissen des Verkehrsschutzes gerecht.  Der Verkehr erwarte ein zuverlässiges Sicherungsmittel für Ansprüche, die auf eine dingliche Rechtsänderung gerichtet sind. Diese Zuverlässigkeit habe die Vormerkung aber nur, wenn sie außer vor Verfügungen auch vor anderen Erfüllungshindernissen schütze. Dementsprechend werde auch beim Erwerb einer Vormerkung vom wahren Berechtigten der Gläubiger nicht nur gegen künftige Verfügungen geschützt, sondern auch vor anderen Erwerbshindernissen. So mache etwa die Insolvenzeröffnung die Vormerkung nicht unwirksam. Diese Ansicht überzeugt. Der Verkehrsschutz muss Vorrang haben gegenüber der Erwägung, dass die Vormerkung im Regelfall nur vor künftigen Verfügungen schützen soll. Auch dieser Grundsatz kennt, wie dargelegt, Ausnahmen und kann deshalb als Gegenargument nur sehr bedingt überzeugen. Mithin ist der letzten Ansicht zu folgen. Es kommt somit für die Frage der Bösgläubigkeit auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Vormerkung an. Zu diesem Zeitpunkt war K gutgläubig. Er hat somit gemäß §§ 925, 873, 2366 BGB gutgläubig das Eigentum an dem Grundstück erworben. A und B haben mithin ihre Pflicht zur Eigentumsverschaffung aus § 433 I 1 BGB ordnungsgemäß erfüllt. Eine Unmöglichkeit nach § 275 I BGB kommt foglich nicht in Betracht. K hat kein Rücktrittsrecht und kann von A und B nicht Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346, 323 I, 326 V, 275 I, IV BGB verlangen.

Anmerkung

Das Thema der Klausur kann jederzeit als vertiefender Crashkurs gebucht werden.

Die vorstehende Klausur beschäftigt sich mit den im Blog-Beitrag „Klausur zur Auflassungsvormerkung“ aufgeführten Problemschwerpunkten. Weitere Artikel zum Immobiliar-Sachenrecht sind der Artikel über die „Auflassungsvormerkung„, der Artikel über die „Grundschuld„, sowie der Artikel über die „Hypothek„. Für eine Übersicht über alle Beiträge und Klausurfälle siehe unter „Artikel„.

Zur erbrechtlichen Thematik siehe auch: „Auslegung von Testamenten

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausurfall Auflassungsvormerkung auf unserer Website Jura Individuell.


Klausurfall zur BGB-Gesellschaft

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Fall:

A betreibt seit Januar unter der Bezeichnung  „Sun + Fun“ ein kleines Sonnenstudio. Zur Anschaffung eines Bräunungsgerätes gewährte ihm die Sparkasse im Februar ein Darlehen in Höhe von 10.000.- Euro. Im April beschlossen A und seine beiden Freunde B und C das Sonnenstudio künftig gemeinsam zu betreiben. Mit notariellem Vertrag gründeten sie die „Sunshine GmbH“. Zum Geschäftsführer wurde im Gesellschaftsvertrag A bestellt. Eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte nicht. Im September wurde A verhaftet und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, die er auch sogleich antrat.

B und C führten das Sonnenstudio zunächst ohne A in dem bisherigem geringen Umfang weiter. Im Oktober meldeten sie es schließlich unter dem Namen „Palm Beach Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung“ als Gewerbe an. Der zugrundeliegende Gesellschaftsvertrag enthält die Bestimmung, dass die Haftung der Gesellschaft nach außen auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Weiterhin heißt es dort: „Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft erfolgt durch die Gesellschafter je einzeln. Die Geschäftsführer müssen bei allen Geschäftsführungsmaßnahmen die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen nach diesem Vertrag beachten und haben demgemäß Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnisse nur für das Gesellschaftsvermögen“.

Im November schloss C mit V einen Mietvertrag über neue Räumlichkeiten für das Sonnenstudio ab. Neben seiner Unterschrift setzte er den Stempelaufdruck“Palm Beach GbR mbH“ auf den Vertrag.

1. Nachdem Mietzahlungen nicht geleistet wurden fragt Vollmer, ob er Ansprüche gegen die „Palm Beach GbR mbH“ bzw. gegen B und C persönlich geltend machen kann.

2. Kann die Sparkasse von B und C persönlich Rückzahlung des dem A gewährten Darlehens verlangen ?

Lösung:

Frage 1: Ansprüche des V auf Zahlung der Mietzinsen

A. Anspruch des V gegen die Gesellschaft

V könnte einen Anspruch auf Zahlung der austehenden Mietzinsen gemäß § 535 II BGB gegen die „Palm Beach GbR mbH“ haben. Es müßte folglich zwischen ihm und der Gesellschaft ein Mietvertrag zustande gekommen sein.

I. Qualifikation der BGB-Gesellschaft

Es ist zu prüfen, ob die „Palm Beach GbR mbH“ eine BGB-Gesellschaft darstellt. Zunächst haben A, B und C gemäß § 2 I GmbHG formgerecht einen notariellen Vertrag über die Gründung einer GmbH geschlossen, jedoch ist die gemäß § 11 I GmbHG erforderliche Eintragung der GmbH in das Handelsregister unterblieben. Die Gesellschaft gelangte somit lediglich in das Stadium einer Vor-GmbH. B und C haben jedoch die Absicht aufgegeben durch die Registereintragung der GmbH diese zur Entstehung zu bringen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass sie das Sonnenstudio im Oktober unter der Bezeichnung „Palm Beach GbR mbH“ als Gewerbe angemeldet haben und zuvor einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung einer BGB-Gesellschaft geschlossen hatten. Wegen des geringen Umfangs der Geschäftstätigkeit, die keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb iSv. § 1 II HGB erforderte, liegt auch keine OHG vor, die gemäß § 123 II HGB auch vor einer Handelsregistereintragung entstehen kann. Durch den Gesellschaftsvertrag ist eine BGB-Gesellschaft gemäß §§ 705 ff BGB zustandegekommen, welche die Geschäfte der Vor-GmbH fortsetzt.

II. Verpflichtungsfähigkeit der BGB-Gesellschaft

C hat im November im Namen dieser „Palm Beach GbR mbH“ mit V einen Mietvertrag abgeschlossen. Ebenso wie die OHG und die G ist die BGB-Gesellschaft keine juristische Person, sondern eine Gesamthandsgemeinschaft. Während jedoch OHG und KG gemäß § 124 I, 161 II HGB selbständige Träger von Rechten und Pflichten sein können, fehlt für die BGB-Gesellschaft eine entsprechende Norm. Es ist daher fraglich, ob eine BGB-Gesellschaft Vertragspartei sein kann. Nach der früher herrschenden „individualistischen Theorie“ existiert die BGB-Gesellschaft nicht als ein verpflichtungsfähiges Subjekt, das eigene Verbindlichkeiten eingehen kann. Vielmehr kommen nur die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht. Die Ausgestaltung der BGB-Gesellschaft erschöpft sich nach dieser Auffassung darin, die gesamthänderisch gebundene Vermögensmasse als Sondervermögen von dem Privatvermögen der Gesellschafter abzugrenzen. Als Beleg für diese Ansicht wurde darauf verwiesen, dass in § 718 I BGB von dem gesamthänderischen Vermögen „der Gesellschafter“ die Rede sei, nicht von einem Vermögen der „Gesellschaft“, zudem spreche § 714 BGB von der Vermutung der Ermächtigung, „die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten“. Des weiteren wurde für die mangelnde Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft angeführt, dass § 736 ZPO für die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der BGB-Gesellschaft „ein gegen alle Gesellschafter gerichtetes Urteil“ verlange.

Nach der mittlerweile auch vom Schrifttum anerkannten Gegenauffassung soll die Gesamthand dagegen als „Personenverbund“ rechtsfähig sein, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.

Gegen die früher herrschende individualistische Theorie sprechen zum einen systematische Einwände. Das Konzept, dass auschließlich die Gesellschafter Zuordnungsobjekt der Rechte und Pflichten nach den Regeln des Schuldrechts seien, führe zu Spannungen. Denn demnach wäre die „Gesellschaftsverbindlichkeit“ lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeit der Gesellschafter iSd. § 427 BGB zu betrachten, wohingegen der einzelne Gesellschafter den geschuldeten Gegenstand gemäß § 719 I BGB nicht selbst erbringen könne, sofern sich dieser im Gesellschaftsvermögen befinde. Die Zuerkennung der Rechtssubjektivität der BGB-Gesellschaft bringt ferner den Vorteil mit sich, dass der Wechsel des Mitgliederbestandes keine Auswirkung auf die mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat; bei strikter Anwendung der individualistischen Theorie müssten Dauerschuldverhältnisse bei jedem Wechsel des Mitgliederbestandes neu geschlossen bzw. bestätigt werden.

Beide Theorien haben dennoch ihren Anwendungsbereich, jedoch ist nach den verschiedenen Typen der BGB-Gesellschaft zu unterscheiden. Zum einen ist die BGB-Gesellschaft zu betrachten, die „als solche“, also als GbR „nach außen“, d.h. im Rechtsverkehr, auftritt und die über Ansätze einer organschaftlichen Struktur verfügt, die z.B. in einer von der Gesamtvertretung gemäß §§ 709, 714 BGB abweichenden Vereinbarungsregelung Ausdruck finden kann. Für diesen Typ der BGB-Gesellschaft (sog. Außen-GbR) ist wegen ihrer der OHG angenäherten organschaftlichen Struktur auch die Rechtsfähigkeit adäquat und sachdienlich. Anders werden jedoch BGB-Gesellschaften behandelt bei denen diese organschaftlichen Voraussetzungen nicht vorliegen und die sich quasi in dem vertraglichen Zusammenschluß der Gesellschafter erschöpfen (sog. Innen-GbR). Einer solchen Innengesellschaft kommt auch nach der Rechtsprechungsänderung des BGH mangels einer organschaftlichen Struktur keine Teilrechtsfähigkeit zu, sondern es ist insoweit entsprechend der „individualistischen Theorie“ nur auf die Gesellschafter als Rechtsträger abzustellen. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der „Palm Beach GbR mbH“ um eine GbR, die als solche auch nach außen, d.h. im Rechtsverkehr, auftritt, wobei sich organschaftliche Ansätze in der Ausgestaltung der Einzelvertretung durch jeden Gesellschafter zeigen. Daher ist die „Palm Beach GbR mbH“ eine sog. Außen GbR und damit als teilrechtsfähig anzusehen und kann somit grundsätzlich durch den mit V geschlossenen Mietvertrag verpflichtet werden.

III. Die Vertretung der BGB-Gesellschaft

Das Zustandekommen des Mietvertrages zwischen der „Palm Beach GbR mbH“ und V setzt weiterhin voraus, dass die BGB-Gesellschaft gmäß § 164 I BGB von C wirksam vertreten worden ist.  Demnach müsste er gemäß § 164 I BGB im Rahmen seiner Vertretungsmacht ein eigene Willenserklärung im fremden Namen abgegeben haben. C hat seine Unterschrift unter den Mietvertrag gesetzt und diesen mit dem Stempelaufdruck „Palm Beach GbR mbH“ versehen. Damit hat er eine eigene Willenserklärung in fremden Namen abgegeben. Fraglich ist, ob C die BGB-Gesellschaft allein vertreten konnte. Nach der Auslegungsregel des § 714 BGB gilt die im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Geschäftsführung vereinbarte Regelung auch für die Vertretung. § 709 I BGB ordnet wiederum vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung den gesetzlichen Regelfall an, dass alle Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt sind. Eine abweichende Vereinbarung stand des Gesellschaftern also frei. In dem zur Gründung der „Palm Beach GbR mbH“ geschlossenen Gesellschaftsvertrag wurde jeder Gesellschafter einzeln mit der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft betraut. Damit hielt sich C mit der Einzelvertretung der Gesellschaft auch im Rahmen seiner Vertretungsmacht und hat die Gesellschaft wirksam vertreten. Zwischen der „Palm Beach GbR mbH“ und V ist somit ein Mietvertrag zustande gekommen. V hat demnach einen Anspruch gegen die „Palm beach GbR mbH“ auf Zahlung der ausstehenden Mietzinsen gemäß § 535 II BGB.

B. Anspruch V gegen die Gesellschafter

Fraglich ist, ob V auch einen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Mietzinsen gegen B und C persönlich geltend machen kann. Das setzt voraus, dass die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft auch persönlich haften und die Haftung von B und C nicht aufgrund einer Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist.

I. Die persönliche Haftung der Gesellschafter

Eine § 128 HGB entsprechende Norm hinsichtlich der Haftungserstreckung auf die Gesellschafter ist in den Regelungen zu der BGB-Gesellschaft nicht enthalten. Bezüglich der persönlichen Haftung der Gesellschafter einer GbR werden zwei dogmatisch unterschiedliche Ansätze vertreten. Die „Akzessorietätstheorie“ begründet die Haftung der Gesellschafter mit einer akzessorischen Haftungserstreckung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter, die der persönlichen Haftung der OHG-Gesellschafter gemäß § 128 HGB entspricht. Die Gesellschafter haften demnach gemäß § 128S.1 HGB analog akzessorisch zu der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen. Die akzessorische Haftung der Gesellschafter wird als eine Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft begründet. Nach der älteren „Theorie der Doppelverpflichtung“ hingegen wird unterstellt, dass die Mitgesellschafter als solche neben der BGB-Gesellschaft vertraglich verpflichtet werden. Ihre persönliche Haftung beruht somit unmittelbar auf einem rechtsgeschäftlichem Akt. Sie haben für die entstandenen Verbindlichkeiten mit ihrem Privatvermögen einzustehen, während die Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. Gegenüber der Akzessorietätstheorie war die Gesellschafterhaftung nach der Theorie der Doppelverpflichtung in Einzelfällen wenig streng, denn auf dieser rein vertraglichen Grundlage war die Gesellschafterhaftung für gesetzliche Gesamthandsverbindlichkeiten, sowie die Haftung von neu eingetretenen Gesellschaftern für Altschulden grundsätzlich nicht zu begründen. Da im gegebenen Fall beide Ansätze grundsätzlich zu der persönlichen vertraglichen Haftung von B und C führen, bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung für eine der beiden Theorien.

II. Vertragliche Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen

Einer persönlichen Haftung der Gesellschafter könnte jedoch entgegenstehen, dass die Haftung aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt worden ist. Die Abbedingung der Haftung der Gesellschafter durch eine individuelle vertragliche Vereinbarung mit dem Gläubiger ist zulässig. C hat zwar unter den Vertrag einen Stempel mit dm Zusatz „mbH“ für „mit beschränkter Haftung“ gesetzt. Eine Haftungsbeschränkung war jedoch nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen oder des Vertragstextes. Der bloßen Verwendung des Stempels kann kein vertraglicher Gehalt entnommen werden. Daher wurde die Gesellschafterhaftung nicht in dem Mietvertrag individualvertraglich ausgeschlossen.

III. Die Beschränkung der Vertretungsmacht

Möglicherweise besteht jedoch ein Ausschluß der persönlichen Gesellschafterhaftung, weil die Vertretungsbefugnis des C durch den Gesellschaftsvertrag diesbezüglich beschränkt war.

a.) Akzessorietätstheorie

Nach der Akzessorietätstheorie kommt ein Ausschluß der Haftung durch die Beschränkung der Vertretungsmacht nicht in Betracht. Denn nach diesem Haftungsmodell beruht die Haftung gerade nicht auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, sondern stellt eine gesetzliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden dar; sie steht darum auch in keinerlei Zusammenhang mit einer diesbezüglichen Vertretungsmacht des vertragsschließenden Gesellschafters.  Diese Haftungspflicht der Gesellschafter kann demnach nur durch individualvertragliche Vereinbarung mit dem Gläubiger abbedungen werden.

b.) Theorie der Doppelverpflichtung

Nach der Theorie der Doppelverpflichtung kann die Haftung der übrigen nicht am Abschluß des Rechtsgeschäfts mitwirkenden Gesellschafter grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden, indem wiederum die Vertretungsmacht des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters derart beschränkt wird, dass sie nur noch dazu berechtigt, die Gesellschaft und nicht mehr die übrigen Mitgesellschafter durch Rechtsgeschäft zu binden. Indes soll nach der Rechtsprechung des BGH, der früher noch der Theorie der Doppelverpflichtung folgte, eine solche Haftungsbeschränkung nicht durch bloße einseitige Erklärung der geschäftsführungsbefugten Gesellschafter möglich sein. Eine solche Haftungsbeschränkung durch einen einseitigen Akt käme de facto der Schaffung einer neuen Gesellschaftsform gleich. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu dem allgemeinen bürgerlich- und handelsrechtlichen Grundsatz, dass derjenige, der gemeinsam mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt – wie für die GmbH die Haftungsbeschränkung aus § 13 II GmbHG – oder mit dem Vertragspartner Abweichendes vereinbart worden ist. Außerdem besteht für eine solche Form der BGB-Gesellschaft kein legitimes Bedürfnis. Zum anderen bietet die Rechtsform der KG die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung der Kommanditisten. Dies gilt umso mehr, als seit der Neufassung des § 105 II HGB diese Rechtsform auch kleingewerblichen und vermögensverwaltenden Gesellschaftern offen steht. Die speziellen Haftungsbeschränkungen, die die Rechtsordnung mit bestimmten Organisationsformen (GmbH, AG, KGaA) zur Verfügung stellt, würden unterlaufen, wenn es den Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft möglich wäre einseitig die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. Bei der Rechtsform der GmbH beispielsweise steht dem Privileg der fehlenden persönlichen Haftung die gesetzliche Pflicht zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindestkapitals gegenüber. Es könnten Gefahren für die Rechtssicherheit daraus erwachsen, wenn mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben über das Gesellschaftsvermögen eine BGB-Gesellschaft ohne eine genügende Haftungsgrundlage dastünde und zudem die Gesellschafter sich durch die Beschränkung der Vertretungsmacht ihrer persönlichen Haftung entziehen könnten. Damit wurde nach beiden Ansichten die Haftung der Gesellschafter B und C nicht wirksam ausgeschlossen. Sie haften folglich V als Gesamtschuldner gemäß § 535 II BGB (iVm § 128 S.1 HGB analog) persönlich für die Mietverbindlichkeiten der „Palm Beach GbR mbH“.

Frage 2: Ansprüche der Sparkasse gegen B und C

A. Anspruch gemäß § 488 I S.2 BGB, 28 I HGB iVm. § 128 S.1 HGB analog

Die Sparkasse könnte gegen B und C einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens aus § 488 I S.2 BGB, 28 I HGB iVm. § 128 S.1 HGB analog haben.

I. Darlehensvertrag

Dies würde grundsätzlich voraussetzen,dass gemäß § 488 I S.2 BGB ein Darlehensvertrag zwischen der Sparkasse und der Gesellschaft geschlossen und die Darlehenssumme ausgezahlt wurde. Der Abschluss des Darlehensvertrages und die Auszahlung erfolgten im Februar, jedoch war zu dieser Zeit nur A Vertragspartner der Sparkasse, der ohne die Beteiligung von B und C das Sonnenstudio „Sun+Fun“ allein betrieb.

II. Haftungserstreckung gemäß § 28 I HGB

Indem A, B und C im April einen notariellen Vertrag über die Gründung der „Sunshine GmbH“ geschlossen haben, könnte sich möglicherweise infolgedessen eine persönliche und gesamtschuldnerische Haftung von B und C als Gesellschafter gemäß § 28 I HGB iVm § 128 HGB analog ergeben.

1. Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns

Gemäß § 28 I HGB müssen B und C in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eingetreten sein. Für den Betrieb des kleinen Sonnenstudios des A war ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich, es handelte sich somit zu dem Zeitpunkt des Eintretens von B und C nicht um ein kaufmännisches Handelsgewerbe iSv § 1 I S.2 HGB. Damit ist § 28 I HGB zumindest nicht unmittelbar einschlägig. Zum Teil wird jedoch die analoge Anwendung des § 28 I HGB auf nichtkaufmännische Unternehmen vertreten. § 28 I HGB sei ein Ausdruck des Gedankens der Unternehmenskontinuität. Das Problem der Weiterhaftung nach Überführung in ein Gesamthandsvermögen beschränke sich nicht auf den in § 28 I HGB genannten Fall. Dagegen beharrt die Gegenansicht darauf, dass nach dem Wortlaut des § 28 I HGB ein kaufmännisches Handelsgeschäft im Rechtsinne vorliegen müsse. Eine Entscheidung dieser Streitfrage ist jedoch entbehrlich, wenn die Vorschrift ohnehin auf den nach dem Eintritt von B und C entstandenen Personenverbund keine Anwendung findet.

2.Die Neugründung einer Personengesellschaft

§ 28 I HGB erfordert nach seinem Wortlaut den Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns als persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist; die neu gegründete Gesellschaft muss demnach eine Personenhandelsgesellschaft, d.h. eine OHG oder eine KG sein. A, B und C hingegen beabsichtigen die Gründung einer juristischen Person in der Rechtsform einer GmbH. Wie oben dargestellt lag jedoch mangels der Handelsregistereintragung gemäß § 11 I GmbHG lediglich eine Vor-GmbH vor.

a.) Anwendbarkeit auf die zunächst entstandene Vor-GmbH

Fraglich ist, ob § 28 I HGB analog auf eine solche Gesellschaft angewendet werden kann. Nach dem Wortlaut des § 28 I HGB soll die Norm auf juristische Personen, z.B. eine GmbH, keine Anwendung finden. Dem folgt auch die überwiegende Meinung. Nach einer Gegenansicht, die § 28 I HGB auf juristische Personen analog anwenden möchte, ist der Wortlaut des § 28 I HGB zu eng gefasst. Von dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung, welcher der wesentliche Grund der Vorschrift sei, seien juristische Personen gleichermaßen betroffen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm ist jedoch dem wortgetreuen Verständnis der Norm zuzustimmen. Denn der Gesetzgeber hat in § 28 I HGB nur den Bereich der Personengesellschaften regeln wollen. Er hat für die juristischen Personen bewußt keine solche Haftungsordnung getroffen und eine sich daraus ergebende Benachteiligung der Gläubiger billigend in Kauf genommen. Die Vor-GmbH hingegen ist weder eine Personengesellschaft noch eine juristische Perosn, sondern wird als eine Personenvereinigung eigener Art qualifiziert. Bis auf die noch fehlende, erst mit der Eintragung entstehenden, Rechtsfähigkeit entspricht die Vor-GmbH als deren Vorstufe bereits der künftigen GmbH. Daher sind die Vorschriften des GmbH-Rechts auf sie anzuwenden, soweit diese nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzen bzw. die besonderen Verhältnisse des Gründungsstadiums nicht hinreichend berücksichtigen. In Bezug auf § 28 I HGB ist die Vor-GmbH in diesem Sinne grundsätzlich nicht anders als die spätere GmbH zu behandeln. Insoweit ist § 28 I HGB nicht auf die von A, B und C gebildete Vor-GmbH anwendbar.

b.) Die Bedeutung des Scheiterns der GmbH-Gründung

Das Scheitern der Gründung der „Sunshine GmbH“ könnte jedoch eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen. Eine Vor-GmbH wandelt sich zu dem Zeitpunkt in eine Personengesellschaft um, zu dem die Gesellschafter die Absicht der Eintragung und Entstehung der GmbH aufgeben, sofern sie den Rechtsbetrieb trotzdem fortführen. Dieser Personenzusammenschluss unterliegt fortan dem Recht der OHG oder der BGB-Gesellschaft, je nachdem, ob der gemeinsame Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist oder nicht. Daraus ergibt sich die persönliche unbeschränkte Haftung der Gesellschafter, die auch die Altschulden der Vor-GmbH umfasst. Spätestens mit der Gewerbeanmeldung des Sonnenstudios unter der Bezeichnung „Palm Beach GbR mbH“ haben B und C die Absicht aufgegeben, das Unternehmen als GmbH anzumelden. Da ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb für das Betreiben des Sonnenstudios auch weiterhin nicht erforderlich war, lag kein Handelsgewerbe vor und es ist eine BGB-Gesellschaft gemäß §§ 705 ff BGB entstanden, für deren Schulden die Gesellschafter B und C persönlich haften. Auf eine Haftung der BGB-Gesellschaft für die Verbindlichkeit aus dem Darlehensvertrag des A könnte dann zu schließen sein, wenn sich nicht nur die persönliche Haftung der Gesellschafter auf die Vor-GmbH zurückbeziehen würde, sondern überdies auch § 28 I HGB rückwirkend zur Anwendung käme. Dagegen ist einzuwenden, dass die Personengesellschaft in diesem Falle für Schulden haften müsse, für welche die Vor-GmbH zuvor nicht einzustehen hatte. Verbindlichkeiten, die nicht für die Vorgängergesellschaft bestanden, dürfen auch nicht durch § 28 I HGB , der die Fortsetzung eines Unternehmens regelt, begründet werden. Außerdem würde ansonsten die Haftung der Personengesellschaft und der Gesellschafter entstehen, ohne dass sie die gesetzliche Möglichkeit des § 28 II HGB hätten ausüben können, eine Haftungsbeschränkung zu erreichen. Dadurch würde die Regelung des § 28 II HGB über den Haftungsausschluss in unzulässiger Weise unterlaufen. Aus diesen Gründen kann das Scheitern der GmbH-Gründung nicht zu einer rückwirkenden Anwendung des § 28 I HGB analog führen. Somit haftet die BGB-Gesellschaft nicht gegenüber der Sparkasse auf Rückzahlung des zu den Altschulden des A zählenden Darlehens, so dass auch eine Gesellschafterhaftung von B und C gemäß §§ 488 I S.2 BGB, 28 IHGB analog iVm. § 128 I HGB analog ausscheidet.

B. Anspruch gemäß § 488 I S.2 BGB, 25 I HGB analog iVm § 128 S.1 HGB analog

Fraglich ist, ob die Sparkasse die Rückzahlung des Darlehens von B und C gemäß § 488 I S.2 BGB, 25 I HGB iVm. § 128 S.1 HGB analog verlangen kann. Dies setzt gemäß § 25 I HGB voraus, dass die von A, B und C gebildete Vor-GmbH ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortgeführt hat. Das von A betriebene Sonnenstudio war jedoch kein Handelsgewerbe iSd. § 1 I 2 HGB. Daher stellt sich die Frage, ob § 25 I HGB analog anwendbar ist auf Unternehmen, die den Anforderungen an § 1 II HGB nicht entsprechen. Die Lage ist jedoch hinsichtlich der Firmenfortführung gemäß § 25 I HGB anders als bei § 28 I HGB zu bewerten. Denn § 25 I HGB knüpft im Unterschied zu § 28 I HGB daran an, dass die Firma fortgeführt wird. Eine Firma kann gemäß § 17 HGB jedoch nur ein Kaufmann führen. Wer nicht Kaufmann ist, ist mangels Handelsregistereintragung auch nicht imstande, einen Haftungsausschluss gemäß § 25 II HGB in das Handelsregister eintragen zu lassen. Im übrigen wird ein Nicht-Kaufmann nicht mit der strengen Haftung des § 25 II HGB rechnen können. Daher ist eine Analogie des § 25 I HGB abzulehnen. Zudem fehlt es auch an der gemäß § 25 I HGB erforderlichen Firmenfortführung durch die Vor-GmbH oder die BGB-Gesellschaft. Zwar sind Abweichungen der Unternehmensbezeichnung zulässig, jedoch wird verlangt, dass der Firmenkern nach der Verkehrsanschauung derselbe geblieben ist. Dies kann jedoch für die Bezeichnung „Sunshine“ und „Palm Beach“ gegenüber der von A verwendeten Bezeichnung „Sun+Fun“ nicht angenommen werden, zumal es gerade im Sektor von Sonnenstudios sehr gebräuchlich ist, in die Firmenbezeichnung Assoziationen von Sonne, Strand etc. aufzunehmen und eine solche assoziative Nähe der Bezeichnungen somit nicht eine Unternehmenskontinuität nahelegt. Daher haftet die Vor-GmbH und spätere BGB-Gesellschaft gegenüber der Sparkasse nicht gemäß § 488 I S.2 BGB, § 25 I HGB analog, so dass auch eine persönliche Haftung der Gesellschafter B und C nicht in Betracht kommt.

Anmerkung

Zu dem Thema dieses Artikels kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Ergänzt wird diese Klausur durch den Aufsatz über die Anspruchsgrundlagen im Gesellschaftsrecht.

Für eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.

Näheres zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Eigentums: Das Eigentum Art. 14 I 1 GG

siehe auch: Klausur Forderungsabtretung

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Klausurfall Sicherungsübereignung

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Fall:

A betreibt einen Sportbootverleih. Die dafür erforderlichen Sportboote bezieht er regelmäßig bei der Werft B.  Am 01.06.2008 werden ihm 10 Boote von der B geliefert. Dabei vereinbaren A und B Ratenzahlung mit Eigentumsvorbehalt. A lässt anschließend zwischen dem 10. und 20.07.2008 bei der C-GmbH in die gelieferten 10 Sportboote Sitzbänke montieren. Die Sitzbänke sind so ausgelegt, dass sie abgeschraubt werden und in andere Boote montiert werden können. Für diese Sitzbänke wird zwischen A und der C-GmbH ebenfalls Ratenzahlung mit Eigentumsvorbehalt vereinbart. A gerät anschließend in finanzielle Schwierigkeiten. Die B verlangt daher von A weitere Sicherheiten für die noch ausstehenden Kaufpreisraten. A und B vereinbaren daher am 05.09.2008 eine Sicherungsübereignung der Sitzbänke mit der Bestimmung, dass A weiterhin berechtigt sein soll, die Sitzbänke im Rahmen seiner Sportbootvermietung zu benutzen. Die B hat bei dieser Vereinbarung keine Kenntnis von dem Eigentumsvorbehalt seitens der C-GmbH. Die B sicherungsübereignet am 20.10.2008 im Rahmen einer Refinanzierung die 10 Sportboote samt Sitzbänken an die D-Bank unter Abtretung des Herausgabeanspruches. Am 15.11.2008 bestätigt A gegenüber der C-GmbH, die ebenfalls von den finanziellen Schwierigkeiten des A gehört hatte, in einem telefonischen Gespräch, dass die Sitzbänke weiterhin von ihm für die C-GmbH verwahrt würden. Am 25.11.2008 muss A aufgrund zunehmender finanzieller Schwierigkeiten seine Zahlungen einstellen. Anschließend stellt sich die Sachlage für alle Beteiligten heraus. A gibt die Sportboote auf Verlangen der D-Bank an diese heraus. Hiermit ist die C-GmbH nicht einverstanden. Wegen der Zahlungsrückstände des A tritt die C-GmbH vom Vertrag mit A zurück und verlangt anschließend von der D-Bank Herausgabe der Sitzbänke.

Zu Recht ?

Lösung:

Anspruch aus § 985 BGB

Die C-GmbH verlangt von der D-Bank Herausgabe der Sitzbänke. Anspruchsgrundlage hierfür könnte § 985 BGB sein, wonach der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe verlangen kann. Da sich die B im Besitz der Sitzgruppen befindet, ist allein fraglich, ob die C-GmbH noch Eigentümerin ist.

1. Eigentumsverlust von C-GmbH an A gemäß § 929 BGB

Die C-GmbH könnte ihr ursprünglich bestehendes Eigentum an den Sitzbänken nach § 929 BGB an die Sportbootvermietung A verloren haben. Allerdings erfolgte die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt. Dann ist gemäß § 449 I BGB im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt ist. Diese aufschiebende Bedingung ist aber bisher noch nicht eingetreten, sodass ein Eigentumsverlust an A nicht gegeben ist.

2. Eigentumsverlust von C-GmbH an B

Fraglich ist, ob die C-GmbH ihr Eigentum an B verloren hat

a.) Gesetzlicher Eigentumserwerb von B gemäß § 947 II BGB

Denkbar ist zunächst ein gesetzlicher Eigentumserwerb von B gemäß § 947 II BGB durch Verbindung der Sitzbänke mit den Sportbooten. Die Sportboote standen nämlich aufgrund des auch im Verhältnisses zwischen B und A vereinbarten Eigentumsvorbehaltes noch im Eigentum von B. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 947 II BGB wäre allerdings, dass die Sitzbänke und Sportboote derart miteinander verbunden wären, dass sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache i.S.v. § 93 BGB geworden und die Sitzbänke dabei zugleich die Hauptsache i.S.v. § 947 II BGB anzusehen wären.

Wesentlich sind nach § 93 BGB nur solche Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können ohne, dass der eine oder andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Entscheidend ist insoweit also nicht, ob die Gesamtsache – hier die Sportboote mit Sitzbänken – nach der Trennung noch in ihrem bisherigen Wesen genutzt werden kann, sondern ob die Teile je für sich durch die Trennung zerstört oder in ihrem Wesen beeinträchtigt würden. Dies ist bei den Fahrzeugen nicht der Fall, da weder die Sportboote noch die Sitzbänke durch die Trennung verändert würden, die Sitzbänke vielmehr abgeschraubt und in andere Boote montiert werden können. Ein gesetzlicher Eigentumserwerb von B hat danach auszuscheiden.

b.) Gutgläubiger Erwerb der B von A gemäß §§ 930, 933 BGB

Möglich ist aber, dass die C-GmbH das Eigentum durch einen rechtsgeschäftlichen, gutgläubigen Erwerb der B von A gemäß §§ 930, 933 BGB verloren hat. Die erforderliche Einigung über den Eigentumsübergang ist zwischen A und B im Rahmen der Sicherungsübereignung ebenso erfolgt, wie die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.v. § 868 BGB. Letzteres liegt in dem schuldrechtlichen Sicherungsvertrag begründet, der die Rechte und Pflichten in Bezug auf die Benutzung der Sache regelt.

Wegen der oben schon aufgezeigten Nichtberechtigung von A wäre gemäß § 933 BGB für einen gutgläubigen Erwerb der B aber zusätzlich die spätere Übergabe von A an B und deren Gutgläubigkeit zu diesem Zeitpunkt erforderlich gewesen.  Die Übergabe ist aber nicht erfolgt, weil A den unmittelbaren Besitz an den Sitzbänken behalten und damit der für die Übergabe erforderliche Besitzverlust des Veräußerers nicht stattgefunden hat.

Ob in der späteren Herausgabe der Sitzbänke an die D-Bank zugleich eine Übergabe im Wege des Geheißerwerbs an B lag, kann offen bleiben, da sich die wahre Sachlage schon zuvor für alle Beteiligten herausgestellt hatte und B daher jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gutgläubig war.

Im Ergebnis kommt daher ein gutgläubiger Erwerb der B von A gemäß §§ 930, 933 BGB nicht in Betracht.

3. Gutgläubiger Erwerb der B von A gemäß §§ 931, 934 BGB

Fraglich könnte aber sein, ob die C-GmbH ihr Eigentum an den Sitzbänken vielleicht durch gutgläubigen Erwerb der D-Bank von B verloren hat. Ein derartiger Erwerb könnte sich gemäß §§ 931, 934 BGB vollzogen haben.

Die erforderliche Einigung über den Eigentumsübergang ist zwischen B und D-Bank im Rahmen der Refinanzierung durch die insoweit vereinbarte Sicherungsübereignung erfolgt. Fraglich ist daher allein, ob die wirksame Abtretung eines Herausgabeanspruches der B an die D-Bank vorliegt. Da B als Nichtberechtigte verfügt hat, ist gemäß § 934 BGB danach zu unterscheiden, ob B im Zeitpunkt der Abtretung des Herausgabanspruchs mittelbarer Besitzer gem. § 934 1. Alt. BGB war oder nur ein vermeintlich bestehender Herausgabeanspruch abgetreten wurde nach § 934 2. Alt. BGB. In letzterem Fall wäre ein gutgläubiger Erwerb der D-Bank ausgeschlossen, da insoweit eine Gutgläubigkeit bis zum Zeitpunkt der Übergabe erforderlich gewesen wäre.  Die D-Bank  hatte aber schon vor der Besitzerlangung von A Kenntnis von der wahren Sachlage erlangt und war insoweit nicht mehr gutgläubig in Bezug auf das Eigentum von B.

a.) mittelbarer Besitz nach § 934, 1. Alt. BGB

Daher ist zu fragen, ob B im Sinne der 1. Alt. des § 934 BGB mittelbaren Besitz an den Sitzbänken hatte. Insoweit könnte problematisch sein, dass A zwar mit dem B eine Sicherungsübereignung der Sitzbänke und somit auch ein im Sicherungsvertrag liegendes Besitzmittlungsverhältnis vereinbart hat, die Übereignung aber an der fehlenden Übergabe gescheitert ist. Man könnte insoweit die Auffassung vertreten, dass die fehlgeschlagene Sicherungsübereigung nach § 139 BGB auch das Besitzmittlungsverhältnis erfasst und B damit nicht in der Lage gewesen wäre, den mittelbaren Besitz durch Abtretung des Herausgabeanspruchs auf die D-Bank  zu übertragen.

Ob § 139 BGB im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip überhaupt im Verhältnis zwischen schuld- und sachenrechtlichem Geschäft Anwendung finden kann, muss hier nicht entschieden werden, da auch unabhängig von dieser Frage eine Nichtigkeit des Besitzmittlungsverhältnisses nicht angenommen werden kann. Insoweit ist nämlich zu bedenken, dass in der fehlgeschlagenen Sicherungsübereignung im Verhältnis zwischen B und A die wirksame Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Erlangung des Vorbehaltseigentums gesehen werden kann. Ob dieses Ergebnis bereits aus einer interessengerechten Auslegung der Sicherungsübereignung oder aus einer Umdeutung folgt, kann dabei offen bleiben, da die Übertragung des Anwartschaftsrechts jedenfalls der Interessenlage der Parteien entspricht und A im Hinblick auf das Anwartschaftsrecht als Berechtigter verfügen konnte. War aber die Übertragung des Anwartschaftsrechts wirksam, dann besteht auch kein Grund dafür, dass das Besitzmittlungsverhältnis nichtig sein könnte. Damit aber bestand auch ein Herausgabeanspruch von B gegenüber A, der im Sinne der 1. Alt. des § 934 BGB an die D-Bank abgetreten werden konnte.

Da die D-Bank zu diesem Zeitpunkt der Abtretung auch noch gutgläubig i.S.v. §§ 934, 932 II BGB war und die Aufbauten der C-GmbH mangels unfreiwilligen Verlustes des unmittelbaren Besitzes auch noch abhanden gekommen waren gem. § 935 BGB, wäre der Erwerbstatbestand des § 934 1. Alt. BGB eigentlich erfüllt, sodass die C-GmbH ihr Eigentum an die D-Bank verloren hätte.

b.) Nebenbesitz

Fraglich ist aber, ob eine Einschränkung nicht mit der Erwägung vertreten werden könnte, dass B in Wirklichkeit nur einen „minderwertigen“, gleichgestuften Nebenbesitz hatte, weil auch im Verhältnis zwischen A und dem Vorbehaltsverkäufer C-GmbH ein Besitzmittlungsverhältnis bestand. Eine derartige Betrachtungsweise wäre aber rechtlich nicht zutreffend. Im Sachenrecht gilt ein nummerus clausus, der die Annahme eines im Gesetz nicht geregelten Nebenbesitzes nicht zuläßt. Außerdem ist zu bedenken, dass der ursprünglich im Rahmen des EV zwischen C-GmbH und A bestehende mittelbare Besitz durch die Vereinbarung des neuen Besitzmittlungsverhältnisses mit B geendet ist. Durch diese Vereinbarung hat A nämlich nach außen zu erkennen gegeben, dass er die Sitzbänke nunmehr für B und nicht mehr für den Vorbehaltslieferanten C-GmbH besitzen will. Ein möglicherweise entgegenstehender innerer Wille von A ist dabei unerheblich, weil es bei der Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses zu B – wie auch sonst bei Rechtsgeschäften – auf den erklärten Willen ankommt. Die C-GmbH hat daher ihren mittelbaren Besitz bei Vereinbarung der Sicherungsübereignung zwischen A und B am 05.09.2008 verloren.

Ob eine ausdrückliche Bestätigung des Besitzwillens, wie sie hier am 15.11.2008 von A gegenüber der C-GmbH erfolgte, geeignet ist, den einmal beendeten mittelbaren Besitz neu zu begründen, kann offen bleiben, da der in Rede stehende Erwerbsvorgang der D-Bank jedenfalls schon zuvor, nämlich am 01.08.2004,  abgeschlossen war.

c.) Voraussetzungen des § 934, 1. Alt. BGB

Ein Eigentumserwerb der D-Bank gemäß § 934 BGB könnte aber möglicherweise im Hinblick auf die sonstigen vom Gesetzgeber für den gutgläubigen Erwerb aufgestellten Grundsätze als zweifelhaft erscheinen. Auf den ersten Blick könnte das Ergebnis eines Eigentumserwerbs der D-Bank deshalb als widersprüchlich erscheinen, weil die D-Bank als zweiter Sicherungsnehmer der Vorbehaltssache ferner steht als der erste Sicherungsnehmer B, der gemäß § 933 BGB kein Eigentum erwerben konnte. Man könnte insoweit argumentieren, dass sich die Voraussetzungen des § 933 BGB, der eine Übergabe verlangt, leicht dadurch umgehen ließen, dass die Sache bei einem Dritten eingelagert und dann der Herausgabeanspruch abgetreten wird. Insoweit könnte eine teleologische Reduktion des § 934 1. Alt. BGB dahingehend veranlasst sein, dass ebenso wie bei § 933 BGB eine spätere Übergabe der Sache und Gutgläubigkeit bis zu diesem Zeitpunkt verlangt wird.

Dagegen spricht aber der eindeutige Wortlaut des § 934 BGB, der ausdrücklich zwischen verschiedenen Fällen differenziert und für die 1. Alt. allein die Abtretung genügen lässt. Diese Bestimmung ist – auch im Verhältnis zu § 933 BGB – durchaus systemgerecht, weil der gutgläubige Erwerb nach §§ 932 ff BGB immer dann eintritt, wenn der Veräußerer jeglichen Besitz verliert. Das aber ist bei der Abtretung des Herausgabeanspruches im Gegensatz zu § 933 BGB der Fall. Bei der Übereignung nach §§ 930, 933 BGB bleibt der Veräußerer nämlich unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Sache. Da der Gesetzgeber also den gutgläubigen Erwerb jeweils an den vollständigen Besitzverlust des Veräußerers geknüpft hat, kann von dieser Regelung nicht durch teleologische Reduktion des § 934 1. Alt. BGB abgewichen werden. Es fehlt im Hinblick auf die vom Gesetzgeber erkannte Differenzierung bereits an der erforderlichen verdeckten Regelungslücke.

4. Ergebnis

Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass die D-Bank bereits zur Zeit der Abtretung des Herausgabeanspruchs am 20.10.2008 das Eigentum an den Sitzbänken erworben und die C-GmbH dieses verloren hat. Mangels fortbestehenden Eigentums der C-GmbH kann diese von der D-Bank nicht gemäß § 985 BGB die Herausgabe verlangen.

Anmerkung

Zu dem Thema dieses Falles kann jederzeit ein vertiefender Crahskurs gebucht werden.

Dieser Fall hat die im Blog-Beitrag: „Vorstellung der Klausur im Mobiliarsachenrecht“ genannten Themenbereiche zum Gegenstand. Einen grundsätzlichen Artikel zum Mobiliarsachenrecht findet ihr unter „Klausur im Mobiliarsachenrecht“. Eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle findet ihr unter „Artikel“.

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Klausurfall Rücktritt vom Kaufvertrag

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Fall:

A besucht im Januar 2002 eine Ausstellung in den Messehallen in Hannover. Die dem B gehörende Firma hat dort ein Fertighaus zu Besichtigungszwecken aufgestellt. A kann sich zwar nicht zum Kauf eines Fertighauses entschließen, findet jedoch Gefallen an einer in dem Fertighaus befindlichen Regalwand. Der Verkaufsberater des B, der Prokurist P, erklärt dem Interessenten A, der B wolle die schon zwei Jahre in dem Fertighaus befindliche Regalwand – ein besonders schönes Stück aus echtem Kirschholz – ohnehin abstoßen; A könne sie preisgünstig erwerben. P und A einigen sich und setzen daraufhin einen Vertrag mit folgendem Inhalt auf:

„Firma B verkauft an A eine Regalwand, Front Kirschholz Furnier, die sich im Fertighaus im Ausstellungsgelände in den Messehallen in Hannover befindet, für 4000.- Euro (Lieferung und Aufstellung inbegriffen) unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung“.

Am 07.Januar 2002 wird die Regalwand angeliefert.

S, der Betriebsschreiner des B, stellt die Regalwand jedoch – nach Absprache – erst eine Woche später, am 14.Januar 2002, im Haus des A auf. Dabei verbindet er die Einzelteile mit den vorgesehenen Steckbolzen; die Seitenteile und Rückwand befestigt er mit Dübeln an der Wand.

Anfang Dezember 2003 erfährt A durch einen Bekannten, der sich mit Holz auskennt, dass seine Regalwand kein Kirschholz-Furnier hat, sondern eine Kirschholz-Nachbildung aus Kunststoff ist. A wendet sich daraufhin an B und bittet um Aufklärung, doch dieser reagiert nicht.

Mit Schreiben vom 03.Dezember 2003 erklärt A daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und fordert B gleichzeitig zur Kaufpreisrückzahlung und zur Rücknahme /Demontage und Abholung der Regalwand auf, er setzt ihm dazu eine Frist von drei Wochen.

Welche Ansprüche hat A gegen B ?

Lösung:

Anspruch des A gegen B auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß §§ 346 I S. 1, 437 Nr.2, 434, 433, 323, 326 V BGB

A könnte einen Anspruch gegen B auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß §§ 346 I S. 1, 437 Nr.2, 434, 433, 323, 326 V BGB haben, wenn er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht. Er setzt voraus, dass dem Gläubiger ein Rücktrittsgrund zusteht, eine Rücktrittserklärung vorliegt und das Rücktrittsrecht nicht ausgeschlossen ist.

I. Rücktrittsgrund

Nach § 346 I 1 BGB müsste A ein Rücktrittsgrund zustehen. Mangels vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts kommt nur ein gesetzliches aus §§ 437 Nr.2, 434, 433 BGB in Betracht. Dann müsste zwischen A und B zunächst ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sein. Die hierzu erforderliche Willenserklärung des A liegt vor, indem er den Vertrag unterzeichnet. Allerdings hat B keine eigene Willenserklärung abgegeben. Die Erklärung des P, der als Prokurist den Vertrag mit A unterschrieb, könnte aber nach § 164 I BGB für und gegen B wirken, wenn eine wirksame Vertretung vorliegt. P hat eine eigene Willenserklärung im Namen des B abgegeben. Als Prokurist ist er gemäß § 49 I HGB ermächtigt, alle Arten von Rechtsgeschäften mit Wirkung für B abzuschließen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Die Erklärung, A die Regalwand zu verkaufen, ist zwar nur gelegentlich seiner Haupttätigkeit gefallen Fertighäuser zu verkaufen. Doch handelt es sich gemäß §§ 343, 344 HGB auch beim  Verkauf einer Regalwand um ein Handelsgeschäft. P war folglich im Rahmen seiner Prokura dazu ermächtigt und hat B wirksam vertreten. Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B liegt somit vor.

Nach § 437 Nr.2 BGB müsste die von B geliefete Regalwand mangelhaft sein. Dies ist der Fall, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hatte, § 434 I S. 1 BGB. Die in dem Kaufvertrag aufgenommene Bezeichnung „Regalwand, Front Kirschholz-Furnier“ könnte die vereinbarte Beschaffenheit darstellen. Beschaffenheit einer Sache ist deren tatsächlicher Zustand. Die Bezeichnung besagt, dass die Regalwand Echtholzfurnier hat und nicht lediglich eine Nachbildung ist. Der Unterschied zwischen Echtholz und Nachbildung ist bei Möbeln nach der Verkehrsanschauung ein gravierendes Kriterium, das nicht nur für den Preis, sondern auch für die Kaufmotivation eine ausschlaggebende Bedeutung hat. Dass der Unterschied zwischen Echtholz und Nachbildung optisch nur schwer erkennbar sein kann spielt insoweit keine Rolle. Daher ist die im Kaufvertrag getätigte Angabe nicht nur eine Beschreibung der Kaufsache. Vielmehr wird eine Eigenschaft der Regalwand festgeschrieben. Folglich liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Diese durfte auch durch P getroffen sein: Die Vertretungsmacht, die den P ermächtigte, Kaufverträge abzuschließen, umfasst auch die Befugnis, Beschaffenheitsvereinbarungen zu treffen. Andernfalls könnte ein Prokurist viele zu einem Handelsgeschäft gehörende Rechtsgeschäfte nicht abschließen, weil Beschaffenheitsvereinbarungen nicht untypisch sind. Da die Regalwand lediglich eine Kirschholznachbildung aufweist, entspricht sie nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Ein Sachmangel im Sinne des § 434 I S. 1 BGB liegt vor. Dieser bestand bereits bei der Übergabe der Sache und somit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach § 446 BGB.

Die Rücktrittsregel des § 323 I BGB setzt weiterhin voraus, dass A dem B erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach den §§ 437 Nr.2, 323 I BGB gesetzt haben muss, um wirksam zurücktreten zu können. Eine Fristetzung muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten. A wendet sich zwar an B und bittet diesen um Aufklärung. Hierin bringt er aber nicht eindeutig zum Ausdruck, dass B den Mangel beseitigen und damit seiner grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Nacherfüllung aus § 439 BGB nachkommen soll. Damit hat A dem B keine Nachfrist gesetzt. Die Fristsetzung könnte indes entbehrlich gewesen sein. Nach § 323 II Nr.1 BGB ist die Frsitsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. An das Vorliegen einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Weigerung des Schuldners muss als dessen letztes Wort aufzufassen sein. B hat auf die Bitte des A für Aufklärung zu sorgen nicht reagtiert. Hierdurch hat er aber gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine Nacherfüllung grundsätzlich ablehnt, sodass die Fristsetzung nicht wegen § 323 II Nr.1 BGB entbehrlich war.

Allerdings könnte die Fristsetzung nach § 326 V BGB entbehrlich sein. Das ist der Fall, wenn dem B die Nacherfüllung unmöglich wäre. Eine Nacherfüllung in Form der Mangelbeseitigung kann B nicht erbringen. Die Kirschholznachbildung läßt sich nicht durch Kirschholzfurnier ersetzen. Insoweit liegt ein unbehebbarer Mangel vor, sodass diesbezüglich Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung gegeben ist. Fraglich ist jedoch, ob B nicht noch eine andere Regalwand mit Kirschholzfurnier liefern und damit die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung gemäß § 439 I 2. Alt. BGB erbringen kann. A und B haben sich auf den Verkauf eines konkreten Exemplars geeinigt, welches sich in dem Fertighaus auf dem Messegelände befand. Ob B weitere Regalwände vertreibt ist nicht ersichtlich. Gegenstand des Vertrages war damit eine Stückschuld. Gegen einen Nacherfüllungsanspruch des A ließe sich einwenden, dass sich aufgrund der Konkretisierung die vertragliche Schuld des B einzig auf die gelieferte Regalwand bezieht. Eine Nacherfüllung durch eine andere Regalwand könnte daher keine Erfüllungswirkung zukommen. Allerdings ist zu beachten, dass der Gesetzeswortlaut nicht von der Lieferung der „mangelhaften Sache“, sondern von der Lieferung „einer“ mangelhaften Sache spricht. Dies spricht dafür auch bei einer Stückschuld eine Nachlieferung als grundsätzlich möglich anzusehen. Neben diesem Wortlautargument spricht auch eine systematische Betrachtungsweise für diese Auslegung. § 439 I BGB differenziert nicht zwischen Stück- und Gattungsschulden. Wollte man eine Nachlieferung bei Stückschulden aber generell ausschließen, würde man eine solche – nicht zum Ausdruck gebrachte Differenzierung – vornehmen. Hätte der Gesetzgeber eine solche Differenzierung gewünscht, hätte er dies durch einen geänderten Wortlaut kenntlich machen müssen. Steht damit fest, dass eine Nachlieferung auch beim Stückkauf nicht generell ausgeschlossen ist, stellt sich die entscheidende Frage, welche Ausnahmen gelten. Eine Nachlieferung muß ausscheiden, wenn die Vertragsparteien den Leistungsgegenstand so bestimmt haben, dass das Erfüllungsinteresse des Käufers ausschließlich durch die Lieferung dieser konkreten Sache befriedigt werden kann. Dies wird man regelmäßig bei einer nicht vertretbaren Sache annehmen können. Vertretbare Sachen sind nach § 91 BGB solche beweglichen Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt zu werden pflegen. Dabei ist ein objektives Maß anzulegen. Grundsätzlich ist eine serienmäßig gefertigte Regalwand als vertretbare Sache anzusehen, selbst wenn sie auf Wunsch des Bestellers in Nebenpunkten wie der Farbe von der Standardproduktion abweicht. Aus dem Sachverhalt ist nicht ersichtlich, ob es sich um eine solche Serienanfertigung handelt. Sollte man dies annehmen, könnte aber trotzdem eine nicht vertretbare Sache vorliegen, weil die Regalwand bereits zwei Jahre in dem Fertighaus angebracht war. Durch den Gebrauch der Sache ergeben sich regelmäßig nach der Verkehrsanschauung ausgeprägte Individualisierungsmerkmale, die die Merkmale Zahl, Maß oder Gewicht ersetzen bzw. überlagern. Daher ist die Regalwand als nicht vertretbare Sache anzusehen. Folglich scheidet eine Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen Regalwand aus. B ist somit eine Nachlieferung unmöglich geworden, § 275 I BGB. Gemäß § 326 V S. 2 BGB musste A dem B zuvor keine angemesene Frist zur Nacherfüllung setzen.

Die Haftung des B für den Sachmangel könnte infolge des mit A vereinbarten Gewährleistungsausschlusses entfallen. Möglicherweise ist diese Vereinbarung jedoch gemäß § 475 I BGB unwirksam. A kauft als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB von B als Unternehmer gem. § 14 I BGB eine bewegliche Sache, sodass es sich um einen Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I BGB handelt. Damit greift § 475 I BGB ein, wonach sich der Unternehmer auf eine vor Mitteilung des Mangels getroffene Vereinbarung, die von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 BGB zum Nachteil des Verbrauchers abweicht, nicht berufen kann. B haftet folglich ungeachtet des Gewährleistungsausschlusses für den Sachmangel.

II. Rücktrittserklärung

A hat den Rücktritt auch gemäß § 349 BGB gegenüber B erklärt und damit das Rücktrittsrecht wirksam ausgeübt.

III. Ausschluß des Rücktritts wegen Verfristung

Der Rücktritt könnte jedoch gemäß §§ 438 IV, I Nr.3, 218 BGB wegen Verjährung des ursprünglichen Nacherfüllungsanspruches unwirksam sein. Die Verjährung beginnt mit der „Ablieferung der Sache“, § 438 II BGB und beträgt zwei Jahre. Fraglich ist, ob die Ablieferung bereits in der Anlieferung des Regals liegt oder erst mit dessen Montage erfolgt. Für letzteres spricht, dass erst nach ordnungsgemäßem Aufbau eine vollständige Überprüfung der Mangelfreiheit erfolgen kann, weil auch eine fehlerhafte Montage nach § 434 II S.1 BGB als Sachmangel zu werten ist. Letztlich kann eine Entscheidung aber offen bleiben, da in beiden Fällen die zweijährige Verjährungsfrist noch nicht eingetreten ist: A erklärt mit Schreiben vom 3.Dezember 2004 den Rücktritt. Der Anspruch auf Nacherfüllung ist aber erst mit Ablauf des 7. beziehungsweise 14. Januar 2005 verjährt.

IV.Ergebnis

A hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Regalwand aus §§ 346 I, 437 Nr.2, 434 I S. 1, 433, 323, 326 V BGB.

Anmerkung

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Siehe auch die Probleme bei der kaufrechtlichen Gewährleistung: Artikel zum Weiterfresserschaden, Ansprüche Gewährleistung Kaufrecht, Nacherfüllung gemäß § 439 BGB beim Kaufvertrag, Vertretenmüssen bei der Nacherfüllung, Pflichtverletzung nach § 280 I BGB beim Kauf

Zur Problematik Schuldrecht AT siehe auch: Schickschuld, Holschuld, relatives und absolutes Fixgeschäft, Klausur Forderungsabtretung

Für eine Übersicht aller Beiträge und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.

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Klausurfall Verbrauchervertrag

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Fall:

K will für sich und seine Frau F, die sich gerade auf einer mehrwöchigen Urlaubsreise befindet, einen neuen Fernseher kaufen und begibt sich deswegen am 18.07.2004 in das Fachgeschäft von V. Dort entdeckt er einen Sony-Fernseher zum Preis von 1000.- Euro, der genau seinen Vorstellungen entspricht. K entschließt sich zum Kauf und einigt sich mit V. Obwohl K und F in einer geräumigen Mietwohnung wohnen und beide teure Autos fahren, kann K den Kaufpreis wegen eines aktuellen Zahlungsengpasses nicht sofort bezahlen. V schlägt deswegen vor, hinsichtlich der Finanzierung des Fernsehers die ihm verbundene B-Bank AG einzuschalten, bei der besonders günstige Konditionen gewährt werden. Diese soll den Darlehensbetrag direkt an V auszahlen. V hat entsprechende Kreditformulare der B vorrätig und er ist außerdem befugt, im Namen der B entsprechende Verträge abzuschließen. K ist mit dem Vorschlag einverstanden und V setzt daraufhin einen Kreditbetrag in Höhe von 1000.- Euro in das Formular ein. Der Kredit soll in 10 Monaten à 100.- Euro plus Zinsen rückzahlbar sein. Alle gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben und Belehrungen werden ordnungsgemäß gemacht. Das Kreditformular wird von V im Namen der B sowie von K unterzeichnet. Wie vorgesehen zahlt B kurz darauf den Kreditbetrag an V aus. Der gekaufte Fernseher bereitet jedoch nicht lange Freude. Nach drei Wochen implodiert der Fernseher aufgrund eines Mangels. K wendet sich empört an V, der die Lieferung eines neuen Fernsehers jedoch strikt ablehnt. K erklärt daraufhin gegenüber V den Rücktritt und verweigert gegenüber B die Zahlung der fälligen Raten.

1. Steht der B gegen K ein Anspruch auf Zahlung der Raten zu ?

2.K hat bereits zwei Monatsmieten an die B gezahlt. Hat er einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung der Raten?

Lösung:

A. Frage 1

I. Anspruch der B gegen K auf Zahlung der Raten aus § 488 I S. 2 BGB

Die nach § 1 AktG rechtsfähige B könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung der Raten aus § 488 I S. 2 BGB haben.

1. Anspruch entstanden

Dann müsste der Anspruch zunächst entstanden sein. Dafür müssten B und K einen wirksamen Darlehensvertrag geschlossen haben. Zwischen B und K gab es keinen direkten geschäftlichen Kontakt, jedoch hat V gemäß § 164 I BGB für die B ein Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages abgegeben. K müsste dieses Angebot auch angenommen haben und sofern es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB handelte, müsste dies gemäß § 492 BGB auch schriftlich geschehen sein.

B hat das Darlehen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit gewährt und handelte somit als Unternehmerin gemäß § 14 I BGB. K wollte den Kredit zum Kauf eines Fernsehers für private Zwecke aufnehmen und handelte daher als Verbraucher im Sinne des § 13 I BGB. Damit liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag nach § 491 BGB vor. K hat das Angebot der B zum Abschluß dieses Vertrages angenommen. Der Vertrag wurde auch in schriftlicher Form geschlossen, sodass der Verbraucherdarlehensvertrag auch wirksam zustande gekommen ist.

Voraussetzung für die Entstehung des Rückzahlungsanspruches ist darüber hinaus die Auszahlung des Darlehensbetrages. B hat den Betrag hier nicht an K, sondern an V ausbezahlt. Gemäß § 362 II BGB gilt jedoch auch die Leistung an einen Dritten als Erfüllung, wenn der Gläubiger gemäß § 185 BGB einwilligt. K hatte hier vertraglich eingewilligt, da das Darlehen der Finanzierung des bei V gekauften Fernsehers diente. Der Rückzahlungsanspruch der B ist somit entstanden.

2. Anspruch nicht untergegangen

Bezüglich des Darlehensvertrages steht dem K auch kein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht zu, sodass der Anspruch auch nicht untergegangen ist.

3. Einwendungsdurchgriff

Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs könnte aber § 359 S. 1 BGB entgegenstehen. Dieser regelt den sog. Einwendungsdurchgriff. Er wurde von der Rechtsprechung zunächst auf der Grundlage von § 242 BGB entwickelt, sodann in § 9 VerbrKrG und nun in § 359 BGB normiert. Danach kann K der B möglicherweise Einwendungen aus dem Kaufvertrag mit V entgegenhalten.

Erste Vorausetzung hierfür ist, dass es sich sowohl bei dem Darlehens- als auch bei dem Kaufvertrag um einen Verbrauchervertrag handelt. Für den Darlehensvertrag wurde dies bereits oben dargelegt. Da V ebenso wie B Unternehmer nach § 14 I BGB ist und K wiederum Verbraucher im Sinne des § 13 I BGB ist, handelt es sich auch bei dem Kaufvertrag um einen Verbrauchervertrag.

Des Weiteren müssten die Verträge verbunden sein. Nach der Legaldefinition des § 358 III BGB liegt eine solche Verbundenheit vor, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Das Darlehen dient hier der Finanzierung des Fernsehkaufs. Eine wirtschaftliche Einheit liegt nach § 358 III S. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages der Mitwirkung des Unternehmers bedient, der den verbundenen Vertrag geschlossen hat, § 358 III S. 2 ,2. Alt. BGB. Es handelt sich hierbei um eine unwiderlegbare Vermutung. Hier hatte V bereits Kreditformulare der B vorrätig. Die B bediente sich also des V für die Vorbereitung und den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages. Eine wirtschaftliche Einheit zwischen beiden Verträgen liegt damit gemäß § 358 III S. 2, 2. Alt. BGB vor. Es handelt sich somit um verbundene Geschäfte im Sinne des § 358 III S. 1 BGB.

Schließlich setzt § 359 S. 1 BGB voraus, dass dem Verbraucher bezüglich des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Geschäfts eine Einwendung zusteht, die ihn zur Leistungsverweigerung berechtigen würde. Damit sind alle Einreden im weiteren Sinne gemeint, nach allgemeiner Ansicht fallen auch Gestaltungsrechte hierunter, sofern sie ausgeübt wurden. K könnte hier wirksam von dem mit V geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten sein. Eine nach § 349 BGB erforderliche Rücktrittserklärung hat K abgegeben. Ein Rücktrittsgrund könnte sich für ihn aus §§ 437 Nr. 2, 1. Alt., 323 BGB ergeben haben. Ein Kaufvertrag zwischen K und V lag vor. Der gekaufte Fernseher war auch mit einem Mangel im Sinne des § 434 BGB behaftet, sodass K gemäß § 437 Nr. 2, 1. Alt. BGB unter den weiteren Voraussetzungen des § 323 BGB ein Rücktrittsrecht zustand. Neben der nicht vertragsgemäßen Leistung stellt § 323 I BGB noch das Erfordernis des erfolglosen Ablaufs einer angemessenen Frist auf. Eine Frist hat K nicht gesetzt. Gemäß § 323 II Nr. 1 BGB ist dies jedoch entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Hier hat V die Lieferung eines neuen Fernsehers strikt abgelehnt. K konnte daher auch ohne Fristsetzung wirksam zurücktreten. Ihm steht somit eine Einwendung aus dem Kaufvertrag zu, die ihn zur Leistungsverweigerung berechtigt.

Letztlich setzt die Verweigerung der Darlehensrückzahlung nach § 359 S. 3 BGB noch voraus, dass eine mögliche Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Hier war eine Nacherfüllung möglich. V hat diese jedoch ernsthaft und endgültig verweigert. Fraglich ist, ob dies gleichbedeutend mit einem Fehlschlagen ist. In § 440 S. 1 BGB sind der Fehlschlag und die Leistungsverweigerung getrennt aufgeführt, was zeigt, dass hiermit zunächst mal nicht das gleiche gemeint ist. Die Rechtsfolgen sind jedoch auch dort die gleichen, wodurch deutlich wird, dass die Interessenlage gleich bewertet wird. Es erscheint auch im Rahmen des § 359 BGB widersinnig, dem Verbraucher ein Verweigerungsrecht nicht zuzuerkennen, wenn ihm eine vertragsgemäße Leistung verweigert wurde. Wie es auch in Bezug auf den früheren § 9 VerbrKrG anerkannt war, wird im Rahmen des § 359 S. 3 BGB die Leistungsverweigerung daher dem Fehlschlagen der Nacherfüllung gleichgesetzt. § 359 S. 3 BGB steht dem Einwendungsdurchgriff somit nicht entgegen. Indem K die Zahlung gegenüber B verweigert hat, hat er die Einrede des § 359 S. 1 BGB auch erhoben. Die Voraussetzungen des Einwendungsdurchgriffs nach § 359 S. 1 BGB liegen somit vor.

II. Ergebnis

Der Anspruch der B auf Rückzahlung der fälligen Raten aus § 488 I S. 2 BGB besteht somit, er ist jedoch aufgrund des Einwendungsdurchgriffes nach § 359 S. 1 BGB nicht durchsetzbar.

B. Frage 2

I. Rückforderungsanspruch des K gegen B aus § 346 I BGB

K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der aufgrund des Darlehensvertrages geleisteten Raten aus § 346 I BGB haben. Dann müsste K ein Rücktrittsrecht bezüglich des Darlehensvertrages zustehen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum Finanzierungsleasing kommt hier § 313 III S. 1 BGB als Rücktrittsgrund in Betracht. Der BGH geht hierbei davon aus, dass die Geschäftsgrundlage zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer ex tunc entfällt, sofern der Leasinggegenstand mangelhaft ist und der Kaufvertrag zwischen Leasinggeber und Lieferant rückabgewickelt werden muss. Die Mangelhaftigkeit des Fernsehers als Kaufsache könnte somit hier die Geschäftsgrundlage des Darlehensvertrages entfallen lassen. Der BGH hat jedoch in späteren Entscheidungen klargestellt, dass seine Überlegungen zum Finanzierungsleasing darauf basieren, dass die vertragstypische Verpflichtung des Leasinggebers in der mangelfreien Überlassung des Gebrauchs der Leasingsache besteht. Demgegenüber kommt dem Darlehensgeber beim verbundenen Geschäft eine reine Finanzierungsfunktion zu. Das Risiko, dass die Kaufsache mangelhaft ist, fällt zunächst allein in den Risikobereich des Kaufvertrages, der hier zwischen V und K besteht. Die Mangelhaftigkeit der Kaufsache ist mithin nicht die Geschäftsgrundlage des Darlehensvertrages, sodass es hier zumindest nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage mit Wirkung ex tunc zwischen K und B kommt. Es kommt lediglich eine Änderung der Geschäftsgrundlage ex nunc in Betracht. Ein Rückforderungsanspruch bezüglich der bereits geleisteten Raten kann aber auf diesem Wege nicht erreicht werden.

II. Rückforderungsanspruch aus §§ 346 I, 357, 358 IV, S. 3 BGB analog

K könnte aber einen Rückforderungsanspruch gegen B aus §§ 346 I, 357, 358 IV, S. 3 BGB analog haben. § 358 IV, S. 3 BGB bestimmt, dass im Falle eines Widerrufs seitens des Verbrauchers der Darlehensgeber in die Rechte unf Pflichten des Unternehmers eintritt. Die B würde demnach in die Rechtsstellung des V eintreten, sofern K den Kaufvertrag wirksam widerrufen würde. Sie wäre dann wie V gemäß §§ 357, 346 I BGB zur Rückgewähr der bereits empfangenen Leistungen verpflichtet. Hier hat K den Kaufvertrag jedoch nicht widerrufen, sondern ist von ihm zurückgetreten. Fraglich ist, ob § 358 IV S. 3 BGB in diesem Fall analog anzuwenden ist. Es gibt für den Rücktritt keine § 358 IV S. 3 BGB entprechende Regelung, sodass eine Regelungslücke besteht. Aus der Verweisung von § 358 IV S. 1 BGB auf § 357 BGB zeigt sich auch, dass das Gesetz die Interessenlage bei einer Rückabwicklung nach einem Rücktritt zumindest ähnlich beurteilt wie bei einem Widerruf. Der BGH hat zudem für den alten § 9 III VerbrKrG eine analoge Anwendung des damaligen § 9 II S. 4 VerbrKrG angenommen und somit in allen Fällen des Einwendungsdurchgriffs eine Rückforderung zugelassen. Zwar ist die Regelungslücke nach den Ausführungen des BGH nicht planwidrig, der Gesetzgeber soll danach aber die Lösung des Problems bewusst Rechtsprechung und Lehre überlassen haben. Demnach wäre in den Fällen des Einwendungsdurchgriffs stets auch ein Rückforderungsdurchgriff möglich, also auch im hier vorliegenden Fall des Rücktritts vom verbundenen Vertrag.

Im Schrifttum wird die Analoge dagegen überwiegend abgelehnt. Zur Begründung wird zum einen angeführt, dass der Einwendungsdurchgriff den Verbraucher lediglich von den Folgen einer formalen Aufspaltung der Verträge schütze, § 358 IV S. 3 BGB dagegen stelle bereits eine Sonderregelung dar, welche den Verbraucher über das Aufspaltungsrisiko hinaus privilegiere. Als solche Sonderegelung sei die Vorschrift nicht auf die weiteren Fälle des Einwendungsdurchgriffs zu erweitern. Des Weiteren wurde zur Regelung des § 9 VerbrKrG vorgetragen, dass zumindest aus dem Referentenentwurf des VerbrKrG eindeutig hervorginge, dass ein Rückforderungsdurchgriff nicht gewollt sei. Dass der Gesetzgeber ihn dann nicht aufgenommen hat deutet in der Tat darauf hin, dass sich an dieser Entscheidung bis zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens nichts geändert hat. Auch im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 358, 359 BGB auf eine solche Regelung verzichtet. Daher wird auch angmerkt, von einer planwidrigen Regelungslücke könne nicht ausgegangen werden. Zudem besteht trotz ähnlichkeit von Widerruf und Rücktritt ein wichtiger Unterschied bezüglich deren Voraussetzungen: Das Widerrufsrecht besteht für den Verbraucher unabhängig von einem vertraglichen Fehlverhalten der anderen Partei. Das Gesetz räumt dem Verbraucher dieses Recht in einigen Fällen ein, um ihn besonders vor übereilten Entscheidungen zu schützen. § 358 IV S. 3 BGB führt diese Privilegierung fort. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt jedoch ein vertragliches Felverhalten der anderen Partei voraus. Streitigkeiten hierüber müssen ebenso zwischen den Vertragsparteien bleiben wie daraus resultierende Rückabwicklungen. Maßgeblich bleibt die konkrete Leistungsbeziehung, sodass jede Partei auch das Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners tragen muss. Eine für den Verbraucher günstigere Rückforderungsmöglichkeit in Form eines Rückforderungsdurchgriffs gegenüber dem Darlehensgeber ist nicht gerechtfertigt. Der Verbraucher würde hier letztlich besser stehen, als wenn er nur mit dem Verkäufer einen Teilzahlungskauf vereinbart hätte. Eine solche Besserstellung ist aber vom Gesetz nicht vorgesehen.

III. § 812 I S. 1, 1. Alt. oder S. 2, 1. Alt. BGB

K könnte gegen B Rückforderungsansprüche aus § 812 I S. 1, 1. Alt. oder S. 2, 1. Alt. BGB haben. K hat an den B zwei Raten geleistet. Jedoch ist der Darlehensvertrag weiterhin wirksam, sodass dies mit Rechtsgrund geschehen ist. Diese Ansprüche scheiden daher aus.

IV. § 812 I S. 2, 2. Alt. BGB

In Betracht kommt auch ein Rückforderungsanspruch gemäß § 812 I S. 2, 2. Alt. BGB. Dann müsste K jedoch an B geleistet haben, um diese zu einem rechtsgeschäftlich nicht geschuldeten Verhalten zu bewegen. K zahlt jedoch die Darlehensraten, weil er dazu gemäß § 488 I S. 2 BGB verpflichtet ist. Primär bezweckt K also die Befreiung von seiner Verbindlichkeit. Bei einer Leistung im gegenseitigen Vertrag ist der Leistende jedoch grundsätzlich auf die Rechtsbehelfe des Vertragsrechts zu verweisen. Ausnahmsweise lässt die Rechtsprechung die condictio ob rem hier zu, wenn ein über die Hauptleistung hinausgehender Erfolg nach der Einigung der Parteien als zusätzliche Zweckvereinbarung eintreten sollte. Das K einen mangelfreien Fernseher haben will, ist jedoch ein einseitiges Motiv. Eine zusätzliche Zweckvereinbarung mit B liegt hier nicht vor. Die Leistung des K erfolgte auch nicht in der Erwartung, die B zur Lieferung eines mangelfreien Fernsehers zu bewegen. Ein Anspruch aus § 812 I S. 2, 2. Alt. BGB besteht für K daher nicht.

V. § 813 I S. 1 BGB

Ein Rückforderungsanspruch könnte sich letztlich noch aus § 813 I S. 1 BGB ergeben. Dieser setzt das Bestehen einer Einrede zum Zeitpunkt der Leistung voraus. Der hier vorliegende Rücktritt führt allerdings zu einer Umgestaltung des Vertrages mit Wirkung ex nunc und begründet somit erst von diesem Zeitpunkt an gemäß § 359 S. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der Darlehensgeberin B. Damit scheidet auch ein Rückforderungsanspruch aus § 813 I S. 1 BGB aus.

VI. Ergebnis

K hat somit keinen Rückforderungsanspruch bezüglich der bereits gezahlten Raten gegen B.

Anmerkung:

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Klausurfall zum § 181 BGB

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Fall

Der großzügige verwitwete Vater Viktor will die Konfirmation seines 15-jährigen Sohnes Stefan zum Anlass nehmen, diesem ein bebautes Grundstück zu schenken. Er wendet sich mit seinem Anliegen an das Bauunternehmen Hofer-GmbH, deren auch zu Grundstücksverkäufen berechtigter Prokurist Paul ein guter Bekannter von Viktor ist.

Paul, der den wenig arbeitnehmerfreundlichen Teilhabern der Hofer-GmbH schon länger „eins auswischen“ möchte, bietet Viktor ein exzellent gelegenes, bebautes Grundstück (Wert: 400.000.- Euro), das im Eigentum der GmbH steht, für 200.000.- Euro an. Viktor erkennt, dass der äußerst niedrige Preis auch mit dem Konflikt zwischen Paul und seiner Arbeitgeberin zu tun hat, will sich aber die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das Grundstück wird von Paul an Viktor im Namen der Hofer-GmbH formgerecht verkauft und aufgelassen; bis zur Konfirmation ist es noch einige Zeit; Auflassung und Eintragung als Eigentümer im Grundbuch erfolgen zunächst u.a. aus steuerlichen Gründen zugunsten Viktors, der das Grundstück längerfristig vermietet.

Anläßlich der Konfirmation von Stefan schenkt Viktor dem Stefan formgerecht das Grundstück. Wenige Tage später erfolgt die ebenfalls formgerechte Auflassung des (derzeit vermieteten) Grundstücks durch Viktor an Stefan, wobei Stefan durch Viktor vertreten wird. Kurz nach der Eintragung des Stefan als Eigentümer im Grundbuch entdeckt die Geschäftsführung der Hofer-GmbH das Geschäft zwischen Paul und Viktor und die unangemessene Preisgestaltung.

1. Hat die Hofer-GmbH gegen Stefan einen Anspruch auf Bewilligung ihrer Wiedereintragung in das Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks?

2. Abwandlung: Erst nach Stefans 18. Geburtstag erklären Viktor und Stefan vor dem Notar die Auflassung. Einige Tage später wird Stefan als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Welche Ansprüche stehen der Hofer-GmbH gegen Stefan in diesem Fall zu ?

Lösung

Frage 1:

Anspruch der Hofer-GmbH (H) gegen Stefan (S) auf Bewilligung (§ 19 GBO) ihrer Wiedereintragung in das Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks

A. gemäß § 894 BGB

I. Unrichtigkeit des Grundbuchs

Grundbuch unrichtig, wenn Bucheigentümer S nicht auch tatsächlich Eigentümer des Grundstücks. Ursprünglich Eigentümer des Grundstücks: H; möglicherweise Eigentumsverlust durch Übereignung an V oder durch Übereignung von V an S gemäß §§ 873 I, 925 BGB.

1. Auflassung von H gegenüber V, §§ 873, 925 BGB: Auflassung von H gegenüber V, wenn H durch P wirksam vertreten (§§ 164 ff BGB).

a.) Eigene Willenserklärung in fremden Namen, § 164I BGB (+)

b.) Vertretungsmacht, § 167 BGB, §§ 48 ff HGB (§§ 13 III GmbHG, 6 I HGB)

aa.) gegenständliche Reichweite (§ 49 I HGB); Generell betriebstypische Geschäfte; an sich Ausschluss von Grundstücksgeschäften; § 49 II HGB; hier aber besondere Ermächtigung.

bb.) Einschränkung durch Kollusion/Missbrauch

Grundsatz, dass Innen- und Außenverhältnis voneinander unabhängig (Abstraktionsprinzip); aber Durchbrechung?

Nichtigkeit des Vertretergeschäfts wegen Kollusion, § 138 I BGB: (-), da kein einvernehmliches Zusammenwirken zwischen P und V zum Nachteil von H.

Missbrauch der Vertretungsmacht?

(1) Voraussetzungen auf Seiten des Dritten (+), wenn sich Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen muss (ähnlich grober Fahrlässigkeit). Hier: Missbrauch für V nicht nur evident, sondern auch mit dolus eventualis bewusst.

(2) Voraussetzungen auf Seiten des Vertreters (+), wenn Vertreter bewusst unter Verletzung seiner Pflichten aus dem Innenverhältnis handelte (erhöhte Anforderungen an Missbrauch der Vertretungsmacht bei Prokura, da wegen gesetzlich typisierter Vollmacht des Handelsrechts erhöhter Vertrauensschutz): Hier (+), da P den Gesellschaftern „eins auswischen“ will.

(3) Rechtsfolge: Rspr.: § 242 BGB; h.L.: Begrenzung der Vertretungsmacht, § 177 ff. BGB analog. H.L. vorzugswürdig, weil Vertretene danach RG noch genehmigen kann und dogmatisch Ausnahme vom Abstraktionsprinzip berücksichtigt; Folge: Auflassung entsprechend § 177 I BGB schwebend unwirksam. Hier Genehmigung von S verweigert (Wiedereintragungsverlangen), sodass endgültige Unwirksamkeit die Folge.

cc.) Zwischenergebnis: H hat durch die zwischen P und V erklärte Auflassung nicht das Eigentum verloren.

2. Auflassung von V gegenüber S, §§ 873, 925 BGB;

a.) Fehlendes Eigentum des V: Zwar V nicht Eigentümer; aber § 892 I 1 BGB ? Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt? Für Kenntnis des S auf Kenntnis des V abzustellen (§ 166 I BGB). V zwar Missbrauch bewusst (dolus eventualis); jedoch keine Kenntnis von schwebender Unwirksamkeit; jedenfalls keine Kenntnis iSd § 892 I 1 BGB.

b.) Form, hier (+).

c.) Einigung: Erklärung des V im eigenen Namen (Veräußerer) und im Namen von S (Erwerber). Wirksame Vertretung des S durch V gemäß §§ 164 ff. BGB? Handeln im Namen des S, § 164 I BGB (+). Vertretungsmacht? Grundsätzlich unbeschränkt, §§ 1626 I 1, 1629 I 1, 1680 I BGB (§ 1643 I BGB iVm. § 1821 Nr.1 BGB (-), weil S nicht Verfügender, sondern durch die Verfügung begünstigt; § 1643 I 1 BGB iVm. § 1821 Nr.5 (-), weil kein entgeltlicher Erwerb). Ausnahme: Verbot des Insichgeschäfts, § 1629 II 1 BGB iVm. § 1795 I bzw. §§ 1795 II, 181 BGB (ratio: Vermeidung von Interessenkollisionen): § 1795 I (-); §§ 1795 II, 181 BGB: Selbstkontrahieren (+): Ausnahme wegen bloßer Erfüllung einer Verbindlichkeit, § 181 BGB a.E.? Hier Verbindlichkeit des V gegenüber S aus Schenkungsvertrag (§ 516 BGB)? Hat V den S bei Abschluss des Schenkungsvertrages wirksam vertreten? §§ 1629 II, 1795 II, 181: Selbstkontrahieren (+), aber Ausnahme aufgrund teleologischer Reduktion, wenn in festumrissenen Rechtsbereich die Gefahr einer Interessenkollision schlechthin ausgeschlossen, wie etwa bei rechtlichem Vorteil für den Vertretenen. Rechtlicher Nachteil wegen öffentlicher Lasten (Steuern, Gebühren, etc.) (-), weil nicht durch Rechtsgeschäft, sondern durch öffentliches Recht begründet. Außerdem Haftung auf Grundstück beschränkt (vgl. § 1147 BGB). Rechtlicher Nachteil durch Schenkungsvertrag wegen Vermietung des Grundstücks ( § 566 I BGB)? Nein, weil durch den schuldrechtlichen Vertrag keine persönlichen Pflichten des Beschenkten begründet und keine Rechte des Minderjährigen aufgehoben werden; aber rechtlicher Nachteil bei Eigentumserwerb (Verfügungsgeschäft) wegen Eintritt in das Mietverhältnis (§ 566 I BGB) und daraus resultierende persönliche Haftung; allerdings grundsätzlich Abstraktionsprinzip; gleichwohl Nachteil aus Verfügungsgeschäft schon bei zugrundeliegendem Verpflichtungsgeschäft zu berücksichtigen als Durchbrechung des Abstraktionsprinzips? Andernfalls Schenkungsvertrag wirksam und Auflassung in Erfüllung einer Verbindlichkeit (+), sodass der gesetzliche Vertreter rechtlich nachteilige Erfüllungsgeschäfte für bzw. mit dem Minderjährigen entgegen den Wertungen der §§ 107, 181 BGB vornehmen könnte, h.M.: Gesamtbetrachtung: mögliche Nachteile aus dem Erfüllungsgeschäft sind schon bei der Beurteilung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit des schuldrechtlichen Geschäftes zu berücksichtigen: Schenkungsvertrag schwebend unwirksam (§ 108 I BGB), Auflassung nicht Erfüllung einer (wirksamen) Verbindlichkeit iSd. § 181 BGB; Auflassung schwebend unwirksam nach § 177 I BGB; H weiterhin Eigentümerin des Grundstücks.

A.A.: Teleologische Reduktion von § 181 BGB dahin, dass zu erfüllende Verbindlichkeit rechtlich vorteilhaft sein muss. Hier: (-). Ergebnis wie bei h.M.

3. Zwischenergebnis: S wurde nicht Eigentümer des Grundstücks. Grundbuch daher unrichtig.

II. Aktivlegitimation von H (grundbuchfähig, § 13 I GmbHG) (+), weil ihr Eigentum fälschlicherweise nicht eingetragen ist.

III. Passivlegitimation von S (+), weil Bucheigentümer.

IV. Ergebnis: H kann von S gemäß § 894 BGB Bewilligung zu ihrer Eintragung als Grundstückseigentümerin verlangen.

B. gemäß § 812 I 1 BGB: 1. Alt.

(-), weil danach nur Rückabwicklung in den Leistungsverhältnissen H – V und V – S; wegen Vorrang der Leistungskondiktion § 812 I 12. Alt. (-).

C. gemäß § 822 BGB

1. Etwas Erlangt/Zuwendung: Vermögensvorteil durch Erlangung der Buchposition (+), weil dadurch Möglichkeit über das Grundstück zu verfügen

2. Bereicherungsanspruch H – V wegen Erlangung der Buchposition? Kaufvertrag und Erfüllungsgeschäft wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht durch P unwirksam; V hat Buchposition also ohne Rechtsgrund erlangt, so dass V gemäß § 812 I 11. Alt. BGB gegenüber H zur Bewilligung der Wiedereintragung von H verpflichtet ist.

3. (Wirksame) Unentgeltliche Zuwendung an Dritten? V bezüglich Buchposition Berechtigter, der S unentgeltlich zur Buchposition verholfen hat.

4. Verpflichtung des V zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen? (+), weil Verpflichtung des V infolge Verlusts der Buchposition ausgeschlossen.

5. Ergebnis: H hat gegen S Anspruch auf Bewilligung ihrer Wiedereintragung auch aus § 822 BGB

Frage 2:

A. Anspruch von H gegen S gemäß § 894 BGB

I. Unrichtigkeit des Grundbuchs

1. Auflassung und Eintragung, §§ 873 I, 925 BGB (+)

2. Berechtigung des V?

a.) Wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht kein Eigentumserwerb; Verfügung als Nichberechtigter; keine nachträgliche Genehmigung durch H ( §§ 185 II 1. Alt., 184 I BGB).

b.) Eigentümerstellung des H wegen § 892 I 1 BGB ?

aa.) Unrichtigkeit des Grundbuchs (+), weil V eingetragen, obwohl H Eigentümerin.

bb.) Begünstigter Personenkreis: Beschränkung auf rechtsgeschäftlichen Erwerb, hier (+).

cc.) Ausschlussgründe? positive Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit oder Eintragung eines Widerspruchs (-).

dd.) Rechtsfolge: Grundbuch gilt als richtig (Fiktion). V gilt also zugunsten des S als Eigentümer.

II. Ergebnis: S hat Eigentum an dem Grundstück erworben. Grundbuch war mit Eintragung des S nicht mehr unrichtig. Kein Anspruch gemäß § 894 BGB.

B. Anspruch von H gegen S gemäß § 816 I 2 BGB

I. Verfügung eines Nichtberechtigten?: (+), wegen Übereignung durch Nichteigentümer V.

II. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten? (+), wegen gutgläubigem Erwerb (§ 892 I 1 BGB): sachenrechtlicher Verkehrsschutz führt zu rechtsgrundlosem Erwerb, der wegen der geringeren Schutzbedürftigkeit des entgeltlichen Erwerbers schuldrechtlich rückabzuwickeln ist.

III. Unentgeltlichkeit der Verfügung? (+), weil Rechtsgrund der Übereignung Schenkung.

IV. Anspruchsinhalt: Eigentum an dem Grundstück ist herauszugeben.

Anmerkung

Zu diesem Klausurfall gibt es einen verständnisorientierten Artikel über das Abstraktionsprinzip sowie den Aufsatz über neutrale Geschäfte beschränkt Geschäftsfähiger.

Zu dem Thema dieses Klausurfalles kann jederzeit ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

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Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausurfall zum § 181 BGB auf unserer Website Jura Individuell.

Klausurfall Gesetzliche Schuldverhältnisse

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Sachverhalt

D stiehlt von der Weide des Rinderbauern E dessen Kalb. D verkauft das Kalb, welches einen objektiven Verkehrswert von 100.- Euro hat, für 120.- Euro an R, den Inhaber einer Metzgerei. R tötet das Kalb und verarbeitet es in seiner Metzgerei zu Kalbsbraten und verkauft die Portionen für insgesamt 500.- Euro an seine Kunden. E, der sich auf der verzweifelten Suche nach seinem Kalb in der Metzgerei des R aufhält, erkennt sein Kalb wieder, kann aber nicht verhindern, daß es geschlachtet und zu Kalbsbraten verarbeitet wird.

Völlig außer sich verlangt E von R Geldersatz für sein Kalb, am besten den gesamten Erlös, den R für den Kalbsbraten erlangt hat, und außerdem Schmerzensgeld, weil er mit habe ansehen müssen, wie sein geliebtes Kalb geschlachtet wurde. R erwidert, er sei gutgläubig gewesen. Zumindest verlangt er im Gegenzug Ersatz des an D gezahlten Kaufpreises sowie seiner Arbeitsleistung für die fachgerechte Schlachtung des Kalbes im Wert von 100.- Euro. Schmerzensgeld könne E nicht verlangen, weil E selbst ja kein Leid zugefügt worden sei.

Abwandlung:

E findet sein Kalb nicht und weiß nichts von den Geschehnissen bei R. Während einer neuerlichen Diebestour wird D von der Polizei aufgegriffen. Er gesteht auch den Diebstahl bei E. Als E davon erfährt, fragt er nach möglichen Ansprüchen gegen D.

Lösung

Ausgangsfall

A. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 678,677 BGB

Ein Anspruch des E gegen R auf Schadensersatz aufgrund einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 678,677 BGB scheitert jedenfalls daran, dass R nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt.

B. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 678,687II1 BGB

Ein Anspruch des E gegen R wegen angemaßter Eigengeschäftsführung nach §§ 678,687II1 BGB kommt nicht in Betracht, weil R sich der Fremdheit des Geschäfts nicht bewußt war und er daher nicht in Kenntnis seiner Nichtberechtigung handelte.

C. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 285I,985 BGB

R hat den Verkaufserlös für das Kalb in einem fachgerecht verarbeiteten Zustand erhalten, nicht für das Kalb als solches. Damit besteht keine Identität zwischen dem Gegenstand, der nicht mehr geleistet zu werden braucht und dem Gegenstand, für den der Schuldner einen Ersatz erlangt hat und ein Anspruch aus §§ 285I,985 BGB entfällt.

D. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 989,990I BGB

E könnte gegen R einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989,990 BGB haben. Dies setzt voraus, dass im Zeitpunkt der schädigenden Handlung -also im Moment der Tötung des Kalbes- eine Vindikationslage bestanden hat. Dann muss E in diesem Moment Eigentümer des Kalbes und R unrechtmäßiger Besitzer gewesen sein. Ursprünglich war E Eigentümer. Er könnte das Eigentum an dem Kalb aber verloren haben, wenn R es von D nach § 929S.1,932 BGB wirksam erworben hat. Doch scheitert ein Eigentumserwerb trotz der Gutgläubigkeit des R jedenfalls an § 935I BGB, da E infolge des Diebstahls unfreiwillig den Besitz an seinem Kalb verloren hatte und es ihm somit abhanden gekommen war. Folglich war E im relevanten Zeitpunkt Eigentümer des Kalbes. R war zudem als Inhaber der tatsächlichen Gewalt dessen Besitzer. Ein Recht zum Besitz bestand nicht. Der mit D geschlossene Kaufvertrag wirkt nur relativ, also allein im Verhältnis des R zu D. Eine Vindikationslage lag daher vor. Doch müsste R auch bösgläubig iSd. § 990I BGB gewesen sein. Nach dieser Vorschrift ist bösgläubig, wer entweder sein mangelndes Besitzrecht bei Erwerb des Besitzes zumindest grob fahrlässig verkennt (§§ 990IS.1,932II BGB) oder davon nach dem Besitzerwerb positive Kenntnis erlangt (§ 990IS.2 BGB). Für keine der Varianten liegt aber nach dem Sachverhalt ein Anhaltspunkt vor. Ein Anspruch des E gegen R auf Schadensersatz gemäß §§ 989,990 BGB scheidet daher aus.

E. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 992,823I BGB

Da R sich den Besitz weder durch verbotene Eigenmacht noch durch eine Straftat verschafft hat, kommt auch ein Anspruch aus §§ 992,823I BGB nicht in Betracht.

F. Anspruch des E gegen R gemäß §§ 951I1,812I1,2.Alt. BGB

Möglicherweise hat E gegen R einen Anspruch auf Wertersatz gemäß §§ 951I1,812I1,2.Alt. BGB.

I. Anwendbarkeit

Das setzt voraus, dass der Anspruch im Bereich der §§ 987 ff überhaupt zur Anwendung gelangen kann.  Zwar stellen die Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis grundsätzlich auch im Verhältnis zu §§ 812 ff BGB eine abschließende Sonderregelung dar. Doch gilt dies nur für solche Anspruchsziele, die in den §§ 987 ff BGB auch tatsächlich geregelt werden. Eine Spezialregelung enthält das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Hinblick auf Ansprüche gegen den Besitzer aber nur für Nutzungen und Schadensersatz. Ungeregelt bleibt dagegen, was gelten soll, wenn sich der Besitzer den Substanzwert der Sache durch einen objektiv unberechtigten Eingriff in das Eigentum verschafft. Für die unbeschränkte Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts spricht insofern auch die Regelung des § 993I BGB: danach muss selbst der redlichste Besitzer die sogenannten Übermaßfrüchte und damit solche Nutzungen nach Bereicherungsrecht ersetzen, die er auf Kosten der Sachsubstanz gezogen hat. Bereicherungsansprüche gegen den Besitzer, die aus dem Verbrauch der Sache, dem gesetzlichen Eigentumserwerb an ihr, oder der wirksamen Verfügung über sie resultieren, werden daher durch die §§ 987 ff BGB nicht verdrängt. Damit steht der Anwendbarkeit der §§ 951I1,812I1,2.Alt. BGB nichts entgegen.

II. Rechtsverlust infolge der §§ 946 – 950 BGB

Der Anspruch aus §§ 951I1,812I1,2.Alt. BGB setzt zunächst voraus, dass E infolge der §§ 946-951 BGB einen Rechtsverlust erlitten hat. E könnte sein Eigentum an dem Kalb nach § 950I1 BGB verloren haben. Dann muss R durch Verarbeitung aus dem Kalb eine neue bewegliche Sache hergestellt haben, wobei der Wert der Verarbeitung nicht erheblich unter dem Wert der Ausgangsmaterialien liegen darf. Unter welchen Umständen durch Verarbeitung eine neue Sache entsteht, beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung. Als Indizien können Umstände wie ein neuer Name sowie Veränderungen der Sachsubstanz und der Funktionalität herangezogen werden. Indem R aus dem Kalb des E Kalbsbraten herstellte, hat er unter Berücksichtigung aller genannten Kriterien eine neue Sache hergestellt. Dabei lag der Wert der Verarbeitung auch nicht erheblich unter dem Wert des Ausgangsmaterials; er betrug vielmehr jeweils 100.– Euro. Folglich hat R nach § 950I1 BGB das Eigentum an dem Kalb erworben. Gleichzeitig damit ist das Eigentum des E an dem Kalb erloschen. E hat also infolge des § 950 BGB einen Rechtsverlust erlitten.

III. Voraussetzungen von § 812I1,2.Alt. BGB

Als Rechtsgrundverweisung setzt § 951I BGB voraus, dass auch die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 812I1,2.Alt. BGB vorliegen.

1. Etwas erlangt

R hat das Eigentum an dem verarbeiteten Kalb und damit einen Vermögensvorteil erlangt.

2. Modalität der Bereicherung

Der Eigentumserwerb erfolgte nach § 950 BGB infolge der Verarbeitung und damit auf „sonstige Weise“ in Form eines Eingriffs. Problematisch ist aber, dass R das Kalb auf der Grundlage einer Leistungsbeziehung zu D erhalten hat. Daher könnte die Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion verstoßen. Seinen unproblematischen Anwendungsbereich findet dieser Grundsatz im Zweipersonenverhältnis, wo er die Einsicht kurzfasst, dass ein durch Leistung erlangter Gegenstand nicht zugleich auf „sonstige Weise“ erlangt worden sein kann. Sein eigentliches Anwendungsgebiet liegt jedoch im vorliegend relevanten Bereich der Mehrpersonenverhältnisse. Hier ist seine genauere Ausgestaltung allerdings umstritten. Unproblematisch ist insoweit diejenige Fassung, die nur demjenigen Ansprüche aus Nichtleistungskondiktion gegen einen Dritten abschneidet, der den betreffenden Gegenstand selbst durch Leistung in den Verkehr gebracht hat. Das trifft auf E nicht zu. Weitergehend wird aber auch ganz allgemein postuliert, Geleistetes könne generell nicht mit der Eingriffskondiktion herausverlangt werden. Danach kommt es nur darauf an, ob der Bereicherungsschuldner den Bereicherungsgegenstand durch Leistung erhalten hat. In dieser Fassung könnte das Subsidiaritätsdogma einem Anspruch des E entgegestehen. Das hängt allerdings davon ab, was genau man als Leistungsgegenstand im Verhältnis D-R ansieht. Zum Teil wird in der Literatur vertreten, dass der Veräußerer einer abhanden gekommenen Sache nur den Besitz, wegen § 935 BGB dagegen nicht das Eigentum an dieser Sache leisten könne. Folgt man dem, ist der Subsidiaritätsgrundsatz ebenfalls nicht betroffen, weil aufgrund der unterschiedlichen Bereicherungsgegenstände Erwerb durch Leistung und durch Eingriff gar nicht miteinander konkurrieren. Zum Teil wird eine derart differenzierte  Betrachtung aber auch abgelehnt und der Bereicherungsgegenstand weiter gefasst. Danach ist auch der Eigentumserwerb nach § 950 BGB als geleistet anzusehen, weil erst durch die zweckgerichtete Übertragung des Besitzes an der abhanden gekommen Sache die Möglichkeit eröffnet wird, diese zu verarbeiten und damit das Eigentum zu erwerben. Nur in dieser Facette würde einem Anspruch aus § 812I1,2.Alt. BGB das Subsidiaritätsprinzip entgegenstehen. Dies kann aber unter Wertungsgesichtspunkten nicht überzeugen. So hätte R das Kalb bis zur Verarbeitung wegen § 935 BGB nach § 985 BGB herausgeben müssen, ohne sich darauf berufen zu können, er sei ihm durch eine Leistung des D zugewendet worden. Ausweislich § 935 BGB geht der Schutz des Eigentümers einer abhanden gekommenen Sache also dem Schutz ihres gutgläubigen Empfängers vor. Diese Wertung würde unterlaufen, wenn ein nachfolgender Rechtserwerb nach § 950 BGB den Zuwendungsempfänger von allen Ansprüchen freistellen würde. Wertungsmäßig konsequent erscheint es daher allein, den wegen § 950 BGB untergegangenen Eigentumsanspruch aus § 985 BGB in Gestalt eines Bereicherungsanspruchs fortwirken zu lassen. im Ergebnis scheitert also die Eingriffskondiktion des E unter keinem denkbaren Gesichtspunkt am Subsidiaritätsdogma.

3. Auf Kosten des E

R hat durch die Verarbeitung des Kalbes in den Zuweisungsgehalt des Eigentums des E eingegriffen und dadurch unmittelbar auf dessen Kosten das Eigentum am verarbeiteten Kalb erlangt.

4. Ohne Rechtsgrund

In Ermangelung eines vertraglichen oder gesetzlichen Behaltensgrundes hat R das Eigentum am verarbeiteten Kalb auch rechtsgrundlos erlangt. Der Kaufvertrag zwischen D und R wirkt nur relativ und stellt im Verhältnis zu E keinen Behaltensgrund dar. Auch aus § 950 BGB folgt nichts anderes. Zwar ordnet diese Vorschrift den Eigentumserwerb des Verarbeitenden an. Doch ist damit gerade keine abschließende Aussage über die Kondiktionsfestigkeit der damit einhergehenden Vermögensverschiebung getroffen, wie sich aus dem Verweis des § 951 I BGB auf das Bereicherungsrecht zwanglos ergibt.

IV. Rechtsfolge

Als Rechtsfolge hat der Schuldner Vergütung in Geld zu leisten, § 951I1 BGB. Der Umfang der Vergütung bemisst sich nach dem Wert der verarbeiteten Substanz im Zeitpunkt des Rechtsverlustes. Dabei ist als Wert nach h.M. der objektive Wert, d.h. der Verkehrswert anzusetzen. R wäre danach verpflichtet, den objektiven Wert des Kalbes in Höhe von 100.– Euro zu ersetzen.

V. Wegfall der Bereicherung

Möglicherweise kann sich R aber nach § 818 III BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Bereicherung könnte zunächst aufgrund des für das Kalb gezahlten Kaufpreises in Höhe von 120.– Euro entfallen sein. Dies stünde allerdings in einem offenen Widerspruch zur Rechtsfortwirkungsfunktion der Kondiktion. Denn auch dem ursprünglichen Anspruch aus § 985 BGB gegenüber hätte R sich nicht auf den an D gezahlten Kaufpreis berufen können. Dies kann aber gegenüber dem Bereicherungsanspruch, der an die Stelle der Vindikation getreten ist, nichts anderes gelten. Sonst würden auf diesem Weg der durch die Nichtsleistungskondiktion gewährte Schutz und damit die Wertung des § 935 BGB letztlich doch unterlaufen. Möglicherweise kann R aber die für die Verarbeitung des Kalbes aufgewendete Arbeitsleistung in Höhe von 100.– Euro nach § 818 III BGB geltend machen. Dann muss dieser Umstand zu einer Entreicherung geführt haben. Da mit der Verarbeitung aber der Eigentumserwerb des R einherging, kam der Wert des Arbeitsaufwandes unmittelbar nur seinem eigenen Vermögen zugute. Daran hat sich auch mit der Veräußerung des Kalbsbratens nichts geändert, weil die daraus resultierende Vermögensminderung durch den Veräußerungserlös wieder ausgeglichen wurde.

VI. Aufrechnung mit Verwendungsersatzansprüchen gem. §§ 994,996 BGB

Auch im Wege der Aufrechnung kann R sich nicht von dem Anspruch aus §§ 951,812 BGB befreien, weil es dafür an einer Gegenforderung fehlt. Insbesondere scheiden Ansprüche nach §§ 994I,996 BGB aus. So liegt in der Verarbeitung des Kalbes schon keine Verwendung. Das gilt unabhängig davon, welcher Variante des umstrittenen Verwendungsbegriffes man folgt. So fassen auch diejenigen Literaturstimmen, die entgegen der Rechtsprechung einem weiten Verwendungsbegriff folgen, darunter nicht den Fall der von § 950 BGB geregelten Spezifikation.

VII. Ergebnis

Folglich hat E gegen R gemäß §§ 951I1,812I1,2.Alt. BGB einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 100.– Euro.

G. Anspruch des E gegen R auf Schmerzensgeld gemäß § 823I iVm. § 253II BGB

I. Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts
1. Eigentumsverletzung

Zwar liegt in der Tötung des Kalbes eine Eigentumsverletzung, doch wird § 823I BGB insoweit durch die §§ 987 ff BGB verdrängt. Zudem lässt sich durch eine Eigentumsverletzung ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht begründen, vgl. § 253 II BGB.

2. Körper- oder Gesundheitsverletzung

Möglicherweise liegt aber eine Gesundheitsverletzung des E vor. Darunter ist eine Störung der physischen, psychischen oder mentalen befindlichkeit eines Menschen mit Krankheitscharakter zu verstehen. Dies setzt die Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle voraus. Anerkannt ist insoweit, dass noch im Bereich normaler Reaktionen liegende Erscheinungen von Schmerz, Trauer und Niedergeschlagenheit allein noch keine Gesundheitsverletzung darstellen. Dass E in einer darüber hinausgehenden Weise beeinträchtigt worden wäre, ist jedoch nicht ersichtlich. Damit fehlt es bereits an einer Rechtsgutverletzung.

II. Ergebnis

Ein Anspruch des E gegen R auf Schmerzensgeld gemäß §§ 823 I, 253 II BGB scheidet damit aus.

Abwandlung

A. Anspruch des E gegen D auf Wertersatz für das Kalb gemäß §§ 678,687II1 BGB

E könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 678,687II1 BGB haben. D hat mit der Veräußerung des Kalbes ein fremdes, allein zum Rechtskreis des Eigentümers E gehörendes Geschäft geführt, ohne dass er dazu beauftragt noch sonst berechtigt gewesen ist. Seine fehlende Berechtigung war ihm auch positiv bekannt. Da die Übernahme der Geschäftsführung auch -für D erkennbar- dem Willen und Interesse des E widersprach, hat E gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 678,687II1 BGB in Höhe des objektiven Wertes des Kalbes von 100.– Euro.

B. Anspruch des E gegen D auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten gemäß §§ 667,681S.2,687II1 BGB.

Darüber hinaus hat E gegen D aufgrund der angemaßten Eigengeschäftsführung auch einen Anspruch auf die Herausgabe des aus der Geschäftsführung erlangten Veräußerungserlöses gemäß §§ 667,681S.2,687II1 BGB in Höhe von 120.– Euro.

C. Anspruch des E gegen D gemäß §§ 989,990 BGB

E könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 989,990 BGB haben. Dann muss im Zeitpunkt der Verletzungshandlung -also der Weitergabe des Kalbes an R- eine Vindikationslage vorgelegenn haben. E war auch nach dem Diebstahl noch Eigentümer des Kalbes, D war Besitzer ohne Recht zum Besitz. Eine Vindikationslage lag damit vor. D war sich im Zeitpunkt der Besitzerlangung seines fehlenden Besitzrechts bewusst und damit auch bösgläubig iSd. § 990I1 BGB. Schließlich hat D durch die Übertragung des Besitzes auf R auch schuldhaft die Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache verursacht. Folglich hat E gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989,990 BGB in Höhe von 100.–Euro.

D. Anspruch des E gegen D gemäß §§ 992,823I,II BGB iVm. § 242 StGB

Darüber hinaus besteht auch ein Anspruch des E gegen D auf Schadensersatz gem. §§ 992,823I,II BGB iVm. § 242 StGB in Höhe von 100.– Euro.

E. Anspruch des E gegen D gemäß § 816I1 BGB

I. Anwendbarkeit

Möglicherweise hat E gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses gemäß § 816I1 BGB. Gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Geltungsbereich der §§ 987 ff BGB bestehen keine Bedenken, weil es im Hinblick auf die Bereicherung aus einer Verfügung über eine nach § 985 BGB herauszugebende Sache an einer Regelung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis fehlt (siehe dazu bereits oben im Zusammenhang mit §§ 951,812 BGB).

II. Anspruchsvoraussetzungen

Der Anspruch aus § 816I1 BGB setzt voraus, dass ein Nichtberechtigter eine Verfügung getroffen hat, die gegenüber dem Berechtigten wirksam ist. D ist weder Eigentümer des Kalbes noch sonst zur Verfügung über das Eigentum berechtigt und damit Nichtberechtigter. Die von ihm getroffene Verfügung über das Eigentum an dem Kalb müsste aber auch gegenüber D als dem Berechtigten wirksam sein. Dies scheitert jedoch trotz der Gutgläubigkeit des R an § 935 BGB. Die von D getroffene Verfügung ist also unwirksam. Damit scheidet ein Anspruch aus § 816i1 BGB aber noch nicht endgültig aus. So ist anerkannt, dass der Eigentümer der Verfügung des Nichtberechtigten durch Genehmigung gm. § 185II1 BGB zur Wirksamkeit verhelfen kann. Der Verfügende wird dadurch auch nicht zum Berechtigten. E steht also die Möglichkeit offen, die fehlende Anspruchsvoraussetzung der Wirksamkeit der Verfügung noch nachträglich herbeizuführen.

III. Rechtsfolge

Fraglich ist, ob die Pflicht zur Herausgabe des durch die Verfügung erlangten auch den erzielten Geschäftsgewinn umfasst oder ob sie auf den objektiven Verkehrswert zu beschränken ist. dies wird dann relevant, wenn wie hier der Veräußerungserlös (120.- Euro) den Verkehrswert (100.- Euro) übersteigt. Rechtsprechung und h.M. beziehen den Anspruch aus § 816I BGB auf den gesamten Verkaufserlös einschließlich etwaiger Gewinnanteile. Für diese Ansicht spricht schon der Wortlaut von § 816I1 BGB, der einen Anspruch auf Herausgabe „des durch die Verfügung erlangten“ zuerkennt. Darunter lässt sich schwerlich etwas anderes verstehen, als den Anspruch des Verfügenden auf die Gegenleistung seines Vertragspartners bzw. die Gegenleistung selbst. Von dieser Ansicht ist offensichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen. Eine Minderansicht möchte dagegen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu § 818I BGB auch nach § 816I BGB nur einen Anspruch auf den objektiven Wert gewähren. Dabei wird sie von der Vorstellung geleitet, Erlöse oberhalb des objektiven Wertes seien nicht einfach „aus der Sache“ erlangt, sondern regelmäßig auf die persönliche Geschäftstüchtigkeit des Veräußerers zurückzuführen und daher diesem zuzuweisen. Gegen das Wortlautargument wird zudem vorgebracht, Kaufpreisforderung bzw. Kaufpreis seien gar nicht durch die Verfügung, sondern durch den Abschluss des entsprechenden Kaufvertrages bzw. die Leistung auf diesen erlangt. Der Veräußerer erlange also durch die Verfügung lediglich die Befreiung von der gegen ihn gerichteten Verbindlichkeit. Diese könne gegenständlich nicht herausgegeben werden, weswegen nach § 818II BGB Wertersatz zu leisten sei, dessen Höhe sich nach dem Wert des Gegenstandes bestimme, auf den die Forderung gerichtet war. Doch lässt sich dagegen wiederum einwenden, dass erst die wirksame Verfügung die Einrede aus § 320 BGB beseitigt und damit zur Werthaltigkeit des Anspruchs führt, so dass letztlich doch dieser als erlangt anzusehen ist. Auch unter Wertungsaspekten ist der Einschluss eines Übererlöses in die Herausgabepflicht überzeugender. So kann auch hier der Gedanke der Rechtsfortwirkungsfunktion der Kondiktion fruchtbar gemacht werden. Diese tritt an die Stelle der bis zur wirksamen Verfügung des Nichtberechtigten verfügbaren Vindikation und damit an die Stelle des Eigentums. Nur dem Eigentümer aber steht das Recht zu, über eine Sache gewinnbringend zu verfügen. Wird es von einem anderen ausgeübt und damit dem Eigentümer entzogen, ist es nur folgerichtig, wenn auch der aus einem solchen Eingriff durch den Nichtberechtigten gezogene Gewinn nach § 816I1 BGB dem Berechtigten zugewiesen wird. Auch die Gefahr eines Wertungswiderspruches zu § 818I BGB lässt sich ausräumen, wenn man sich verdeutlicht, dass der vom Nichtberechtigten erzielte Gewinn aus der Verfügung über ein fremdes Recht resultiert, während im Rahmen von §§ 812,818 BGB über eigene, lediglich rechtsgrundlos erlangte Sachen verfügt wird. Im ersten Fall geht es also um den Verlust eines dinglichen Rechts, während im letzten Fall lediglich der Verlust eines obligatorischen Rückübertragungsanspruches in Rede steht. Damit sprechen im Ergebnis die besseren Gründe dafür, Veräußerungsgewinne in den Anspruch nach § 816i1 BGB mit einzubeziehen.

IV. Ergebnis

Vorbehaltlich der noch zu erteilenden Genehmigung hat E gegen D auch einen Anspruch auf die Herausgabe des Veräußerungserlöses einschließlich des Geschäftsgewinns in Höhe von 120.– euro gem. § 816I1 BGB.

F. Anspruch des E gegen D gemäß §§ 812I1,2.Alt.,818I2.Alt.,II BGB

Genehmigt E die Verfügung des D, muss ein Bereicherungsanspruch aus § 812I1,2.Alt. BGB bereits tatbestandlich ausscheiden, da § 816I1 BGB als Spezialfall der Eingriffskondiktion den Grundtatbestand verdrängt.

Hinweis

Siehe zu den in der Klausur angesprochenen Themenbereichen auch die Artikel „Anspruchsgrundlagen im Bereicherungsrecht“ sowie „Anspruchsgrundlagen der GoA-Klausur“ als auch „Anspruchsgrundlagen im EBV“ und „Die EBV-Klausur“ sowie „Artikel zum Weiterfresserschaden

Zu allen Themen kann jederzeit ein Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

siehe auch Umfang des Schadensersatzes

Für alle aktuellen Aufsätze und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausurfall Gesetzliche Schuldverhältnisse auf unserer Website Jura Individuell.

Klausur Mangelfolgeschaden,Weiterfresserschaden

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Fall

Die Kosmetikerin K, die bisher erfolgreich freiberuflich für verschiedene Fernsehproduktionen gearbeitet hat, übernimmt Anfang 2005 ein Sonnenstudio. Sie erwirbt hierfür bei der H-GmbH eine von dieser hergestellte Sonnenbank „Karibik“. Mit der Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der H-GmbH, der H, ist K befreundet. Die Sonnenbank wird K am 10.03.2005 geliefert. Ende März 2005 löst bei der Generalprobe für die Eröffnungsparty ein leicht zu behebender Fertigungsdefekt im Thermostat der Sonnenbank einen Brand aus, bei dem die Sonnenbank und die gesamte Einrichtung des Studios zerstört werden. Da K von der Zuverlässigkeit und Gefahrlosigkeit des Modells Karibik nicht mehr überzeugt ist und dieses in der Presse als „Kokelkiste“ bezeichnet worden ist, erwirbt sie bei einem anderen Hersteller eine Sonnenbank des Fabrikats Kampen. Juristische Ansprüche gegen die H macht K zunächst nicht geltend, weil sie die Freundschaft nicht gefährden will und hofft, dass H aus eigener Initiative Zahlungen anbieten will. Sie bringt das Gespräch aber immer wieder auf den Brand und verweist auf ihre Schäden. H zeigt sich freilich hartnäckig. Sie reagiert ausweichend und verweist auf ihre eigene schwierige Geschäftslage. Erst als es im April 2007 zu einem heftigen Streit zwischen K und H kommt, bittet K Rechtsanwalt R um Beratung.

Sie bittet R um die Prüfung von Ansprüchen gegen die H-GmbH

a.) in Höhe von 100.000.– Euro bezüglich des Wertes der Einrichtung des Sonnenstudios

b.) in Höhe von 15.000.– Euro bezüglich des Kaufpreises und Wertes der Sonnenbank Karibik.

Welche gutachterlichen Überlegungen wird R anstellen ?

Lösung

Frage 1:

A. Ansprüche der K hinsichtlich des Sonnenstudios

K könnte Schadensersatzansprüche gegen die H-GmbH in Höhe von 100.000.- Euro wegen der Zerstörung der Einrichtung des Sonnenstudios haben.

I. §§ 437 Nr.3, 280 I BGB

K könnte einen Schadensersatzanspruch gegen die H-GmbH in Höhe von 100.000.– Euro aufgrund der Zerstörung ihrer Einrichtung gemäß §§ 437Nr.3,280I BGB haben.

1.Anspruchsvoraussetzungen

K und die durch ihre Geschäftsführerin H vertretene H-GmbH (§ 35I GmbHG) haben 2005 einen Kaufvertrag über die Sonnenbank „Karibik“ abgeschlossen. Aus diesem Schuldverhältnis müsste die H-GmbH eine Pflicht verletzt haben. Als juristische Person ist die GmbH nicht in der Lage selbst zu handeln. Deshalb wird einer GmbH das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zugerechnet. H handelt hier als Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin für die GmbH. Gemäß § 433 I 2 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Mit dem Fertigungsdefekt im Thermostat wies die Sonnenbank bei Gefahrübergang einen Sachmangel im Sinne des § 434I1 BGB auf. Dies stellt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 I BGB dar.

Dieser Fertigungsdeffekt im Thermostat hat auch den Brand ausgelöst, der die gesamte Studioeinrichtung zerstört hat. Somit war die Pflichtverletzung auch kausal für den Schaden. Die H-GmbH hat die Pflichtverletzung auch nach § 276I,2 BGB zu vertreten. Die H-GmbH hat die Pflichtverletzung nach § 276I,II BGB zu vertreten. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches nach §§ 437Nr.3,280I BGB liegen folglich vor.

2. Weitere Voraussetzungen nach §§ 280III,281 BGB

Fraglich ist, ob die weiteren Voraussetzungen gemäß §§ 280III,281 BGB erfüllt sein müssen. Dies wäre dann der Fall, wenn es sich bei dem Posten um einen Schadensersatz „statt“ der Leistung handelt.

Ob es sich um einen Schadensersatz „statt“ oder „neben“ der Leistung handelt, hängt vom Inhalt des Schadensersatzanspruches ab. Vorliegend trat der Schaden an der Einrichtung ein, mithin nicht allein an der verkauften Sache als Hauptleistung. Entscheidend ist, dass durch eine Nacherfüllung der eingetretene Schaden nicht behoben werden kann. Mithin liegt ein Schaden „neben“ der Leistung vor. Gegen eine Anwendung der §§ 280III,281 BGB spricht somit, dass das Erfordernis einer Fristsetzung zur Nacherfüllung als Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch keinen Sinn macht. Auf die weiteren Voraussetzungen der §§ 280III,281 BGB kommt es vorliegend daher nicht an.

3. Ausschluss nach § 377 HGB

Ein Ausschluss des Schadensersatzanspruches nach § 377II HGB kommt nicht in Betracht, da der Fehler am Thermostat für die K durch eine ordnungsgemäße Kontrolle, wie sie von § 377 I HGB vorausgesetzt wird, nicht erkennbar war.

4. Verjährung

Der Anspruch könnte jedoch gemäß § 438INr.3 BGB verjährt sein.

Die hier maßgebliche Verjährungsfrist von zwei Jahren beginnt mit Ablieferung der Sache, § 438 II BGB. Die Sonnenbank wurde K am 10.03.2005 geliefert. Eine Verjährung wäre demnach gemäß § 438INr.3 BGB am 10.03.2007 eingetreten. Zum Zeitpunkt der rechtlichen Beurteilung im April 2007 wäre der Anspruch mithin nach § 438INr.3 BGB  verjährt.

Etwas Anderes ergäbe sich, wenn nicht die kurze Verjährung des § 438INr.3 BGB Anwendung fände, sondern die regelmäßige gemäß §§ 195,199 BGB. Für die Anwendung der regelmäßigen Verjährung könnte sprechen, dass Schadensersatzansprüche hinsichtlich des Integritätsinteresses -wie vorliegend der Mangelfolgeschaden- nicht von der kurzen Verjährung des § 438INr.3 BGB erfasst sein sollen.

Teilweise wird jedoch gefordert, diese für den Verkäufer günstige Verjährungsfrist nur auf solche Schadensersatzansprüche anzuwenden, welche das Äquivalenzinteresse betreffen. Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung des Integritätsinteresses sollen hingegen der Regelverjährung nach §§ 195,199 BGB unterliegen. Zum gleichen Ergebnis kommt -allerdings dogmatisch etwas sauberer- der Vorschlag, den § 438 BGB im Wege der teleologischen Reduktion nur auf Mängel-, nicht jedoch auf Mangelfolgeschäden anzuwenden.

Gegen eine Anwendung der regelmäßigen Verjährung spricht allerdings der klare Wortlaut des § 438I BGB, wonach alle in § 437 BGB genannten Schadensersatzansprüche der Verjährungsfrist des § 438 BGB unterstehen. Diese Vorschrift lässt die gesetzgeberische Entscheidung erkennen, alle Schadensersatzansprüche des Käufers wegen eines Mangels an der Kaufsache einheitlich zu regeln. Mit der zweijährigen Verjährungsfrist soll eine möglichst rasche Abwicklung von Kaufverträgen sichergestellt und Rechtssicherheit geschaffen werden. Daher greift vorliegend die kurze Verjährungsfrist des § 438INr.3 BGB.

Die H-GmbH kann somit dem Anspruch der K die Verjährung gemäß § 214I BGB entgegenhalten. Ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437Nr.3,280I BGB wäre mithin nicht durchsetzbar.

II. § 1 I 1 ProdHaftG

Der Anspruch aus § 1 I 1 ProdHaftG ist nach § 1 I 2 ProdHaftG ausgeschlossen, da die beschädigte Sache nicht für den privaten Gebrauch bestimmt war.

III. § 823I BGB

K könnte jedoch einen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100.000.– Euro gegen die H-GmbH aus § 823I BGB haben.

1. Anspruchsvoraussetzungen

Eine Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823I BGB ist angesichts der zerstörten Einrichtung in Form einer Eigentumsverletzung zu bejahen. Fraglich ist, worin die Verletzungshandlung besteht. Das Handeln des H wird der GmbH wiederum gemäß § 31 BGB analog zugerechnet. Es wurde eine Sonnenbank mit defektem Thermostat hergestellt und an K geliefert. Da dies die Eigentumsverletzung nicht unmittelbar herbeigeführt hat, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine zurechenbare Pflichtverletzung handelt im Sinne von § 823I BGB. Dies kommt unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflicht nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung in Betracht. Die Verkehrssicherungspflicht des Produzenten beruht auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der ein Produkt herstellt und es anderen überlässt, es also in den Verkehr bringt, die aus dem Produkt anderen drohenden Gefahren nach Möglichkeit gering halten muss. Als Produzentin der Sonnenbank unterliegt dieH-GmbH herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflichten. Hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten des Herstellers haben sich in Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen entwickelt, welche diese Pflichten detaliert beschreiben. Danach haftet der Hersteller unter anderem grundsätzlich für Konstruktionsfehler, die allen Produkten anhaften, sowie für Fabrikationsfehler, die nur einzelne Produkte betreffen. In der Regel haftet er aber nicht für Schäden aufgrund von Entwicklungsfehlern, wenn diese nach dem Stand der Technik trotz Anwendung aller zumutbaren Sorgfalt nicht erkennbar waren. Vorliegend steht fest, dass die von der H-GmbH hergestellte Sonnenbank objektiv fehlerhaft war. Ungeklärt ist indessen, ob der H als Geschäftsführerin der H-GmbH ein Versäumnis vorzuwerfen ist, ob ein Konstruktions- oder ein Fabrikationsfehler vorliegt, ob ein einmaliger „Ausreißer“ bei der Herstellung oder ein nach dem Stand der Technik nicht vorhersehbarer Entwicklungsfehler vorliegt. Diese genannten Umstände sind solche, die aus der Einflusssphäre des Produzenten stammen und betriebsinterne Vorgänge betreffen, welche der Geschädigte nicht überschauen kann. Angesichts dieser Beweisnot des Geschädigten hat sich daher der Produzent hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens zu entlasten, wenn -wie vorliegend- feststeht, dass der Schaden durch einen Produktfehler ausgelöst wurde. Einen solchen Entlastungsbeweis hat die H-GmbH indes nicht geführt. Von einer objektiven Verkehrssicherungspflichtverletzung ist somit auszugehen. Rechtswidrigkeit ist ebenfalls anzunehmen. Da die H-GmbH fehlendes Verschulden nicht nachgewiesen hat, ist von ihrem Verschulden auszugehen. Nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung wäre ein Schadensersatzanspruch der K gegen die H-GmbH wegen der zerstörten Einrichtung aus § 823I BGB entstanden.

2. Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist

Zweifelhaft ist ferner, ob auch dieser Anspruch verjährt ist. Für deliktische Ansprüche gilt die regelmäßige Verjährung von drei Jahren gemäß §§ 195,199 BGB. Danach wäre vorliegend noch keine Verjährung eingetreten. Teilweise wird indessen eine analoge Anwendung des § 438 BGB auf deliktische Ansprüche gefordert, um eine Vereinheitlichung mit den vertraglichen Ansprüchen zu erreichen.

Dies würde jedoch eine ungerechtfertigte Privilegierung des Verkäufers gegenüber einem Dritten bedeuten. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies der gesetzgeberischen Intention entspräche. Der Anspruch der K aus § 823I BGB unterliegt daher der regelmäßigen Verjährung und ist somit noch nicht verjährt.

Folglich hat K einen Anspruch gegen die H-GmbH aus § 823I BGB in Höhe von 100.000.– Euro wegen der Zerstörung der Einrichtung des Sonnenstudios.

B. Ansprüche der K hinsichtlich der Sonnenbank

I. §§ 437Nr.2,44,323,346 BGB

Ob die Voraussetzungen eines Anspruches auf Rücktirtt vom Kaufvertrag vorliegen kann dahinstehen, da der Nacherfüllungsanspruch der K gemäß § 438INr.3,II BGB am 10.03.2007 verjährt ist. Damit wäre auch ein Rücktritt der K gemäß §§ 438IV,218S.1 BGB nicht mehr möglich. Ein Rückgewähranspruch ist somit zwar möglicherweise entstanden aber zumindest vor Gericht nicht mehr durchsetzbar.

II. §§ 437Nr.3,280I,III,281I1 BGB

Auch ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 15.000.– Euro aus §§ 437Nr.3,280I,III,281I1 BGB ist aufgrund der Verjährung nach §§ 438INr.3,437Nr.3 BGB zumindest nicht durchsetzbar.

III. § 1 I 1 ProdHaftG

Ein Anspruch aus § 1I ProdHaftG scheitert bereits daran, dass die Sonnenbank gewerblich genutzt werden sollte. Auf die Frage, ob eine andere Sache iSv § 1 II S.2 ProdHaftG zerstört wurde, kommt es daher nicht mehr an.

IV. § 823I BGB

K könnte jedoch einen Anspruch auf Zahlung von 15.000.– Euro Schadensersatz wegen der Zerstörung der Sonnenbank aus § 823I BGB haben. Da die Sonnenbank jedoch schon zum Zeitpunkt der Übereignung an K den Mangel aufwies, stellt sich die Frage, ob in der Zerstörung der Sonnenbank überhaupt eine durch § 823I BGB geschützte Eigentumsverletzung zu sehen ist.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Sonnenbank abgesehen von dem fehlerhaften Thermostat mangelfrei war, also durch den Brand die mangelfreien Teile der übereigneten Sache zerstört wurden. Ob dies für eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823I BGB ausreichend ist, ist fraglich.

Für die Frage, ob eine Rechtsgutverletzung vorliegt oder nicht, zieht der BGH das Kriterium der Stoffgleichheit zwischen Weiterfresserschaden und dem ursprünglichen Mangelunwert der Sache heran. Besteht eine solche Stoffgleichheit, liegt in dem Weiterfresserschaden nur eine Enttäuschung des vertraglichen Äquivalenzinteresses, nicht jedoch des deliktisch geschützten Integritätsinteresses. Sofern es hingegen an der Stoffgleichheit fehlt, so liegt in der späteren, durch den Mangel hervorgerufenen Beschädigung des mangelfreien Resteigentums eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823I BGB. Eine Stoffgleichheit kann dem BGH nach dann nicht angenommen werden, wenn der ursprüngliche Mangel ein funktional abgrenzbares Einzelteil der gesamten Kaufsache betrifft, dieser Mangel mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand  aufzufinden und zu beheben ist und der ursprüngliche Mangelunwert verglichen mit der späteren Schadenshöhe verhältnismäßig gering ist. Der Anfangsmangel lag hier nur in dem leicht behebbaren Defekt am Thermostat, welcher von der Sonnenbank auch funktional abgrenzbar ist. Dieser Mangelunwert am Thermostat ist auch im Vergleich zur Schadenshöhe von 15.000.– Euro verhältnismäßig gering. Eine Stoffgleichheit zwischen dem Mangelunwert am Thermostat und dem Weiterfresserschaden bezüglich der restlichen Sonnenbank ist hier folglich nicht anzunehmen. Eine Eigentumsverletzung bezüglich der Sonnenbank liegt demnach vor.

Nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung sind die übrigen Vorausetzungen des Schadensersatzanspruches aus § 823I BGB ebenfalls erfüllt.

Fraglich ist jedoch, ob der Durchsetzbarkeit des Anspruches eine Umgehung der kürzeren Verjährung des § 438 BGB entgegensteht. Der deliktischen Haftung dient bei Weiterfrsserschäden als Anknüpfungspunkt jedoch gerade nicht alleine die Mangelhaftigkeit der Sache, sondern die Verkehrspflichtverletzung des Herstellers. Daher und wegen bereits aufgezeigter Argumentation gilt auch für den Weiterfrsserschaden mithin die regelmäßige Verjährung gemäß §§ 195,199 BGB.

K hat somit einen Anspruch gegen die H-GmbH auf Zahlung von 15.000.– Euro Schadensersatz wegen der Zerstörung der Sonnenbank aus § 823I BGB.

Anmerkung

Zu dem Thema dieser Klausur kann ein Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Zur Ergänzung dieser Klausur siehe auch „Weiterfresserschaden“  „Anspruchsgrundlagen Delikt“ sowie „Anspruchsgrundlagen Gewährleistung Kaufvertrag“.

Zur Problematik Schuldrecht AT siehe auch: Schickschuld, Holschuld, relatives und absolutes Fixgeschäft

siehe auch Umfang des SchadensersatzesPflichtverletzung nach § 280 I BGB beim Kauf

Für eine Übersicht über alle aktuellen Klausfälle und Aufsätze siehe unter „Artikel“.

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Rechtsbehelfe Zwangsvollstreckung – Klausurfall

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Fall

S ist Alleinerbe seines verstorbenen Bruders B.

Der Steinmetz G hat im Auftrag des S auf der Grabstätte des B einen Grabstein aus einer ca. 25 cm dicken Marmorplatte errichtet, in der in einer Tiefe von etwa 10 mm der Name sowie der Geburts- und Todestag des B eingefräst sind. Der Grabstein ist mit Dübeln auf einem Betonfundament verschraubt. Hierfür stellt G dem S einen Betrag in Höhe von insgesamt 8000.- Euro in Rechnung, der sich aus dem Materialwert der Marmorplatte (7ooo.- Euro) sowie den Kosten für das Anbringen der Beschriftung und das Aufstellen des Grabsteines (1000.- Euro) zusammensetzt. Diese Rechnung bleibt S schuldig.

G erwirkt daraufhin ein -inzwischen rechtskräftiges- Zahlungsurteil über 8000.- Euro gegen S, aus dem G nunmehr die Zwangsvollstreckung gegen S betreibt. G lässt mit Zustimmung der Friedhofsverwaltung den Grabstein durch einen Gerichtsvollzieher pfänden, der an der Rückseite des Grabsteines ein Pfandsiegel anbringt.

1. Gegen diese Pfändung legt S Erinnerung ein. Er meint, die Pfändung könne schon im Hinblick auf § 811 I Nr.13 ZPO nicht rechtens sein.

Wie wird das zuständige Gericht entscheiden ?

2. Welche Rechtsbehelfsmöglichkeiten hat S, falls seine Erinnerung erstinstanzlich keinen Erfolg hat ?

Lösung

Erste Fallfrage

Die Entscheidung des Gerichts ist davon abhängig, ob die Erinnerung gemäß § 766 ZPO zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit

I. Statthaftigkeit

Der Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung ist statthaft gegen Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts, des Rechtspflegers oder des Gerichtsvollziehers im Vollstreckungsverfahren. Pfändungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers unterliegen stets der Vollstreckungserinnerung. Da sich S gegen die Pfändung des Grabsteins durch den Gerichtsvollzieher wendet, ist der Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung vorliegend statthaft.

II. Zuständigkeit

Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist des weiteren davon auszugehen, dass S die Erinnerung bei dem gemäß §§ 766,764 II ZPO zuständigen Vollstreckungsgericht eingelegt hat.

III. Erinnerungsbefugnis

Als Vollstreckungsschuldner ist S von der gegen ihn gerichteten Vollstreckungsmaßnahme unmittelbar betroffen und daher erinnerungsbefugt.

IV. Rechtsschutzbedürfnis

Zu prüfen ist das Rechtsschutzbedürfnis des S. Das Rechtsschutzbedürfnis ist von Beginn bis zum Abschluss der Vollstreckungsmaßnahme gegeben. Da der Sachverhalt keine Angaben über eine Verwertung des gepfändeten Grabsteins enthält, ist davon auszugehen, dass die Pfändung noch rückgängig gemacht werden kann. Das Rechtsschutzbedürfnis des S besteht somit.

V. Ergebnis

Die Vollstreckungserinnerung des S ist demnach zulässig.

B. Begründetheit

Die Vollstreckungserinnerung ist begründet, wenn die für die Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme erforderlichen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Es muss daher der Vollstreckungsakt auf seine Richtigkeit hin überprüft werden.

I. Handeln des zuständigen Vollstreckungsorgans

Fraglich ist zunächst, ob das zuständige Vollstreckungsorgan in den Granstein vollstreckt hat. Für die Pfändung beweglicher Sachen ist nach § 808 I ZPO der Gerichtsvollzieher zuständig. Womöglich handelt es sich bei dem Grabstein, der mit Dübeln mit dem Betonfundament verschraubt wurde, aber um einen Gegenstand der Immobiliarvollstreckung. In diesem Fall wäre nicht der Gerichtsvollzieher, sondern das Grundbuchamt für die Vollstreckung zuständig, die dann durch die Eintragung einer Zwangshypothek gemäß § 866 ZPO vorzunehmen wäre. Gegenstände der Immobiliarvollstreckung sind nach § 864I ZPO Grundstücke, wozu gemäß § 905 BGB auch wesentliche Bestandteile im Sinne der §§ 93,94 BGB und Grundstückszubehör im Sinne der §§ 97,98 BGB, jedoch nicht Scheinbestandteile nach § 95 BGB gehören. Der Grabstein könnte durch die Verbindung mit der Betonplatte wesentlicher Bestandteil des Friedhofsgrundstücks geworden sein. Dafür spricht, dass der Grabstein mit der Grabeinfassung verdübelt und die Einfassung selbst in Beton verlegt ist, so dass sie jedenfalls dadurch und durch die Schwerkraft fest mit dem Friedhofsgelände verbunden ist. Unabhängig davon stellt der Grabstein aber dennoch keinen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks dar, wenn er nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück mit dem Grund und Boden verbunden wäre. Die Aufstellung eines Grabsteins auf einem öffentlichen Friedhof erfolgt in Ausübung eines -von dem Friedhofsträger gewährten- Nutzungsrechtes an der Grabstelle. Dieses Recht ist regelmäßig auch befristet, so dass der Grabstein nach Ablauf des zeitlich befristeten Nutzungsrechts wieder entfernt werden muß. Daher handelt es sich bei dem Grabstein um einen Scheinbestandteil des Friedhofsgrundstücks im Sinne des § 95 BGB und damit im Rechtssinne um eine selbständige bewegliche Sache, die der Mobiliarvollstreckung unterliegt und für die der Gerichtsvollzieher zuständig ist. Somit hat das zuständige Vollstreckungsorgan gehandelt.

II. Die übrigen Verfahrensvoraussetzungen wie Partei, Prozess- und Postulationsfähigkeit liegen vor.

III. Vollstreckungsvoraussetzungen

G hat ein vollstreckbares Urteil gegen S erstritten. Es ist auch ohne ausdrückliche Angaben im Sachverhalt davon auszugehen, dass dieser Titel mit einer Vollstreckungsklausel versehen und zugestellt wurde, so dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen zu bejahen sind.

Da besondere Vollstreckungsvoraussetzungen wie z.B. §§ 751,756 ZPO nicht ersichtlich sind, liegen alle Vollstreckungsvoraussetzungen vor.

IV. Vollstreckungshindernisse

Zu prüfen ist aber, ob Vollstreckungshindernisse bestehen.

1. § 808 I ZPO

Womöglich verstößt die Vollstreckung gegen § 808 I ZPO. Danach ist grundsätzlich der Gewahrsam des Schuldners erforderlich, der vorliegend insofern fraglich sein könnte, als sich der Grabstein auf dem Friedhofsgelände befindet. Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis, aufgrund dessen nach der Verkehrsanschauung bei zusammenfassender Wertung der Gesamtumstände eine jedezeitige Zugriffsmöglichkeit besteht.

a.) Gewahrsam des S

Nach einer Auffassung soll der Erbe, hier S, als Gewahrsamsinhaber anzusehen sein. Als Begründung wird angeführt, dass andernfalls dem Erben die Rechte wegen verbotener Eigenmacht gemäß § 859II, 861 BGB genommen würden.

Diese Meinung überzeugt nicht. Die Besitzschutzansprüche setzen den Besitz voraus und können daher nicht zur Begründung von Besitz herangezogen werden. Ob jemand Gewahrsamsinhaber ist, richtet sich vielmehr danach, wer die tatsächliche Sachherrschaft unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung innehat.

Aufgrund der eingeschränkten Besuchszeit ist S nicht im Stande, jederzeit auf die Sache einzuwirken. Die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit besitzt vielmehr die Friedhofsverwaltung. Sie, und nicht S, ist daher als Gewahrsamsinhaberin anzusehen.

b.) Vorliegen des § 809 ZPO

Gemäß § 809 ZPO kann die Pfändung jedoch auch bei einem herausgabebereiten Dritten stattfinden, wenn dieser den Gewahrsam an der Sache hat. Vorliegend hat sich die Friedhofsverwaltung mit der Pfändung einverstanden und damit zur Herausgabe bereit erklärt. Eine Pfändung ist daher gemäß § 809 ZPO in entsprechender Anwendung des § 808 ZPO gleichwohl möglich. Im Ergebnis liegt demnach kein Verstoß gegen § 808 I ZPO vor.

2. § 808  II ZPO

Die Pfändung ist auch im Übrigen durch konkludente Inbesitznahme und Kenntlichmachung mittels Anbringen eines Pfandsiegels gemäß § 808 II erfolgt. Die Kenntlichmachung musste nämlich nicht notwendigerweise an besonders auffälliger Stelle erfolgen. Ein Verstoß gegen § 808 II ZPO liegt daher ebenfalls nicht vor.

3. § 803 II ZPO

Die Pfändung des mit dem Namen und dem Geburts- und Sterbedaten versehenen Grabsteins könnte aber gegen § 803 II ZPO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn von der Verwertung der Pfandsache ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist. Aufgrund der Sachverhaltsangaben zur Dicke der Marmorplatte und zur Tiefe der Beschriftung sowie zum Wert der Marmorplatte ist davon auszugehen, dass die Platte auch nach Entfernung der Beschriftung noch einen Wert hat, der die Vollstreckungskosten übersteigt. Ein Verstoß gegen § 803 II ZPO ist daher zu verneinen.

4. § 811 I Nr.13 ZPO

Ein Vollstreckungshindernis könnte sich jedoch aus § 811 I Nr.13 ZPO ergeben. Danach sind „die zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenstände“ unpfändbar. Ob ein Grabstein wegen der Regelung des § 811 I Nr.13 ZPO nicht gepfändet werden kann, ist höchst umstritten. Im Wesentlichen werden vier Meinungen vertreten:

Nach der ersten Ansicht unterfallen nur die unmittelbar zur Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenstände, wie beispielsweise der Sarg und das Leichenhemd, dem § 811 I Nr.13 ZPO. Ein Grabstein werde aber erst nach Beendigung der Bestattung gesetzt und werde daher nicht unmittelbar bei der Bestattung verwendet. Unter Bestattung sei aber die Handlung des Bestatters, nicht jedoch der Zustand des Bestattetseins zu verstehen. demnach könnte sich S nicht auf Pfändungsschutz gemäß § 811 I Nr.13 ZPO berufen.

Nach einer zweiten Auffassung, der sich auch der BGH angeschlossen hat, ist der Grabstein ebenfalls kein Gegenstand, der der unmittelbaren Verwendung bei der Bestattung dient. Allerdings ist nach den Vertretern dieser Ansicht eine Pfändung aus Pietätsgründen grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme sei nur dann zuzulassen, wenn es um die Werklohnforderung des Herstellers des Grabsteins gehe. Es sei in diesem Fall noch pietätloser, wenn der Erbe den Steinmetz um die „Frucht seiner Arbeit“ bringe. Folgt man dieser Ansicht, so besteht wiederum kein Pfändungsschutz für S, da G vorliegend seine Werklohnforderung geltend macht.

Eine dritte Meinung erstreckt den Pfändungsschutz gemäß § 811 I Nr.13 ZPO zwar auch auf den Grabstein, die Berufung auf die Unpfändbarkeit sei aber arglistig, wenn der Gläubiger einen Eigentumsvorbehalt vereinbart hat und infolgedessen im Wege der Vollstreckung seines Herausgabeanspruchs über § 883 ZPO den Grabstein herausverlangen könnte. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass G keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart hat. Demnach könnte sich S auf die Unpfändbarkeit berufen.

Nach einer vierten Ansicht dehnt sich der Pfändungsschutz des § 811 I Nr.13 ZPO auch auf Grabsteine aus und zwar unabhängig davon, ob es um die Durchsetzung der Werklohnforderung des Steinmetzen oder um einen eventuell vereinbarten Eigentumsvorbehalt geht. Demnach könnte sich S auf § 811 I Nr.13 ZPO berufen und der Pfändung stünde ein Vollstreckungshindernis entgegen.

Da die Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist ein Streitentscheid erforderlich.

Für eine Einbeziehung des Grabsteins spricht zunächst, dass eine Differenzierung zwischen der Handlung des Bestattens und dem Zustand des Bestattetseins, wie sie von den ersten beiden Meinungen vorgenommen wird, willkürlich erscheint. Auch wenn der Grabstein erst später aufgestellt wird, so dient er immer noch der Herrichtung des Grabes und dem Widmungszweck gegenüber dem Grab als Gegenstand, der im Sinne der Vorschrift „unmittelbar“ der Bestattung dient.

Gegen eine Einbeziehung spricht allerdings, dass das Wort Bestattung einen Vorgang beschreibt, also alle diejenigen Handlungen, die notwendig sind, um einen Verstorbenen zu bestatten. Alle Gegenstände, die bei diesem Vorgang unmittelbar Verwendung finden sollen, sind unpfändbar. Zwischen dem Vorgang der Bestattung und dem Gegenstand, der vom Pfändungsverbot erfasst sein soll, muss ein direkter Zusammenhang bestehen. Gerade dieser Zusammenhang besteht aber nicht mehr für Grabsteine, weil diese erst einige Zeit nach der Bestattung, manchmal sogar erst Jahre später, aufgestellt werden. Gegen die Annahme, der Grabstein sei von Nr.13 erfasst, spricht auch, dass viele Grabstätten gar keinen Grabstein haben. Es würde weiterhin auch natürlicher Anschauung widersprechen, eine Bestattung nur deswegen als noch nicht beendet anzusehen, weil der Grabstein noch nicht aufgestellt ist. Darüber hinaus dient der Grabstein nicht der Beisetzung, sondern dem Andenken des Verstorbenen. Eine von den beiden letzten Ansichten vorgenommene weite Auslegung des Wortes Bestattung, nach der auch der sich über jahre hinziehende Zustand des Bestattetseins erfasst sein soll, ist nicht mehr vom Wortlaut der Norm gedeckt und hätte vom Gesetzgeber durch eine entsprechende Formulierung klargestellt werden müssen.

Demnach ist zu dem Schluss zu kommen, dass der Grabstein grundsätzlich nicht von § 811 I nr.13 ZPO erfasst ist. Ob eine Ausnahme aus Pietätsgründen, wie sie von der zweiten Meinung angenommen wird, vorzunehmen ist, erscheint bedenklich. Zwar sind Sinn und Zweck des § 811 I Nr.13 ZPO der Schutz des Pietätsempfindens sowie der Schutz der Totenruhe und auch löst die Anbringung eines Pfandsiegels unzweifelhaft einen anprangernden Effekt aus, der den Ruf und das Andenken des Verstorbenen sowie der Hinterbliebenen beschädigt. Allerdings hat der Gesetzgeber im Katalog des § 811 ZPO den Gesichtspunkt der Pietät sowie auch andere allgemeine Werte positiv rechtlich abgewogen und abgegrenzt, so dass für eine darüber hinaus gehende Berufung auf das Pietätsgefühl kein Raum ist. Darüber hinaus besteht im Rahmen des § 765a I ZPO, gemäß dem eine Zwangsvollstreckung eingestellt werden kann, soweit sie mit den guten Sitten unvereinbar ist, die Möglichkeit, bei der vorzunehmenden Abwägung das Pietätsgefühl hinreichend zu berücksichtigen.

Letztlich kann hier aber eine Entscheidung dahin stehen, da G als Grabsteinhersteller seine Werklohnforderung vollstreckt. Selbst nach der zweiten Ansicht kann sich der Schuldner in diesem Fall nicht auf Pietätsgesichtspunkte berufen.

Im Ergebnis sprechen also die besseren Argumente für die Ansicht, nach der der Grabstein im vorleigenden Sonderall pfändbar ist. S kann sich nicht auf  § 811 I Nr.13 ZPO berufen.

C. Entscheidung des Gerichts

Das Gericht wird die Pfändung in den Grabstein für zulässig erklären und die zulässige Erinnerung des S durch Beschluss als unbegründet zurückweisen.

Zweite Fallfrage

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht kann S gemäß § 793 ZPO sofortige Beschwerde einlegen, über die das Landgericht zu entscheiden hat. § 793 ZPO regelt allerdings nur die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. Für alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gilt § 572 II ZPO. Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts ist unter den Voraussetzungen des § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zum BGH statthaft, welche an die Stelle der frühreren weiteren Beschwerde gemäß § 793 II ZPO a.F. gertreten ist. Die Rechtsbeschwerde eröffnet keine weitere Tatsacheninstanz; sie kann nur auf eine Rechtsverletzung gestützt werden gemäß § 576 I ZPO.

Anmerkung

In Ergänzung zu dieser Klausur siehe auch den „Klausurfall Vollstreckungsrecht“ sowie den Beitrag „Zwangsvollstreckung“ und den Beitrag „Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen“, sowie „Klausur zum Vollstreckungsverhältnis„. Zu dem Thema dieser Klausur kann jederzeit ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

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Arbeitnehmerhaftung als Klausur

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Fall

Der  K ist bei der X-GmbH Vollzeit angestellt. Er ist für die Kundenbetreuung im Außendienst zuständig und bezieht ein jeweils am Monatsende fälliges monatliches Gehalt von 1200.– Euro brutto (850.– Euro netto). Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass die X-GmbH dem K ein auf sie zugelassenes Firmenfahrzeug zur Verfügung stellt. Darüber hinaus wurde im Arbeitsvertrag unter dem Punkt „Sonstiges“ handschriftlich folgendes vereinbart:

„Jede schuldhafte Beschädigung des Fahrzeugs wird dem Mitarbeiter in Rechnung gestellt, soweit sie nicht durch Versicherungen abgedeckt ist“.

Nach einem Verkaufsgespräch bei einem Kunden stieß K Anfang September 2006, als er rückwärts aus einer Parklücke fuhr, aufgrund leichter Unaufmerksamkeit mit dem Fahrzeug des B zusammen, der ebenfalls gerade rückwärts ausparkte. An dem von K geführten Fahrzeug der X-GmbH entstand ein Sachschaden von 1600.– Euro. Da die beteiligten Vericherungsunternehmen -zutreffend- von einer Fahrlässigkeit der beiden Fahrer in gleicher Höhe ausgingen, erhielt die X-GmbH von der Versicherung des B nur 800.– Euro ersetzt. Die restlichen 800.– Euro zog die X-GmbH dem K unter Hinweis auf die vertragliche Vereinbarung vom Nettogehalt für September 2006 ab.

K ist der Ansicht, dass er den Schaden an dem Fahrzeug nicht ersetzen müsse. K konsultiert einen Rechtsanwalt, welcher für ihn am 03.November 2006 Klage bei dem zuständigen Arbeitsgericht erhebt. Mit dieser Klage wird die Zahlung der von der X-GmbH einbehaltenen 800.– Euro begehrt.

Aufgabe: Prüfen Sie die Begründetheit der Klage und gehen dabei, gegebenenfalls hilfsgutachterlich, auf alle relevanten Rechtsfragen ein. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen sind nicht zu erörtern.

Lösung

A. Begründetheit der Leistungsklage auf Lohnzahlung

I. Anspruch des K gegen die X-GmbH auf Zahlung des einbehaltenen Lohns in Höhe von 800.- Euro gem. § 611 I BGB

1. Anspruch entstanden

K könnte einen Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Lohns in Höhe von 800.- Euro gem. § 611 I BGB gegen die X-GmbH haben. A und die X-GmbH haben laut Sachverhalt im Jahre 1999 einen wirksamen Arbeitsvertrag geschlossen. Somit hat A grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Lohns in Höhe von 800.- Euro.

2. Anspruch untergegangen

Allerdings könnte der Anspruch des K gem. §§ 389,387 BGB erloschen sein. Voraussetzung ist, dass die Einbehaltung des Nettogehalts für September 2006 in Höhe von 800.- Euro unter Hinweis auf die vertragliche Vereinbarung eine wirksame Aufrechnung darstellt. Eine solche liegt vor, wenn bei bestehender Aufrechnungslage eine Aufrechnungserklärung gegenüber dem Anderen abgegeben wird und kein Aufrechnungsverbot existiert.

a.) Aufrechnungserklärung

Mithin bedurfte es vorerst einer ordnungsgemäßen Aufrechnungserklärung der X-GmbH an K. Die Aufrechnungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine Aufrechnungserklärung könnte in dem Hinweis der X-GmbH auf die vertragliche Vereinbarung und die Einbehaltung des Nettogehalts für September 2006 in Höhe von 800.- Euro liegen. Aus dieser Erklärung konnte K eindeutig erkennen, dass die X-GmbH zwei bestehende Forderungen miteinander verrechnen wollte. Eine Aufrechnungserklärung der X-GmbH an K lag mithin vor.

b.) Aufrechnungslage

Die Wirkung der Aufrechnung tritt jedoch nur ein, wenn ein wirksamer und durchsetzbarer Gegenanspruch des Aufrechnenden besteht. Mithin müsste der X-GmbH ein solcher Gegenanspruch gegen K zugestanden haben. Vorliegend kommt nur der von der X-GmbH geltend gemachte gleichartige Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des PKW in Höhe von 800.- Euro in Betracht.

aa.) Schadensersatzanspruch gemäß § 280I BGB iVm. der vertraglichen Haftungsvereinbarung

Die X-GmbH könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280I BGB iVm. der zwischen K und der X-GmbH im Arbeitsvertrag getroffenen Haftungsvereinbarung haben.

(1) Schuldverhältnis

Wie bereits erörtert besteht zwischen der X-GmbH und K ein wirksamer Arbeitsvertrag, so dass das gem. § 280I BGB erforderliche Schuldverhältnis besteht.

(2) Verschuldete Pflichtverletzung

Darüber hinaus müsste K eine Pflicht verletzt haben. In Betracht kommt hier die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des anderen Vertragsteils aus § 241 II BGB. Indem K das Eigentum der X-GmbH beschädigt hat, hat er deren Rechtsgüter verletzt. Allerdings müsste K die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben.

Der Maßstab des Verschuldens richtet sich nach § 276 BGB. Demnach hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. K hat aufgrund seiner leichten Unachtsamkeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt gem. § 276 II BGB. Ob K nur leicht oder gar grob fahrlässig gehandelt hat, spielt für den Bereich des haftungsbegründenden Verhaltens keine Rolle, da grundsätzlich jede Form von Fahrlässigkeit zur Haftung führt.

(3) kausaler Schaden

K hat zudem durch sein fahrlässiges Verhalten einen Schaden an dem im Eigentum der X-GmbH stehenden PKW in Höhe von 1600.– Euro verursacht.

(4) Haftungsmilderung

Zu Gunsten des K könnten jedoch die Grundsätze der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung in entsprechender Anwendung des § 254 BGB eingreifen. Die Haftungsmilderung im Arbeitsverhältnis ist vom Gedanken der Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebes und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen sowie des darin liegenden Betriebsrisikos beherrscht. Der Arbeitnehmer kann den vorgegebenen Arbeitsbedingungen weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen. Auf Grund ess Weisungsrechts bestimmt der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung und prägt zusammen mit der von ihm gesetzten Organisation des Betriebes das Haftungsrisiko für den Arbeitneher. Die Mitverantwortung des Arbeitgebers für diese das Schadensrisiko erhöhende Fremdbestimmung rechtfertigt gemäß § 254 BGB analog die Haftungsmilderung für die Arbeitnehmer. Auch wenn im Zuge der Schuldrechtsreform § 276I1 BGB neu formuliert wurde, ist die Rechtsgrundlage des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nach wie vor die analoge Anwendung des § 254 BGB. Wegen der ursächlichen Mitverantwortung des Arbeitgebers kann es also für die Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht darauf ankommen, ob die Arbeit gefahrgeneigt ist, was früher das Abgrenzungskriterium bildete. Die Haftungsmilderung greift vielmehr schon für alle Arbeiten ein, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Für die Frage der Haftungsmilderung kommt es nach der Rechtsprechung vor allem auf den Grad des Verschuldens an, der über eine volle (regelmäßig bei grober Fahrlässigkeit) oder anteilmäßige (bei normaler bzw. mittlerer Fahrlässigkeit) Haftung des Arbeitnehmers für den Schaden oder eine völlige Haftungsbefreiung (bei leichtester Fahrlässigkeit) entscheidet.

Laut Sachverhalt wurde der Unfall von K leicht fahrlässig verursacht. Die Schädigung geschah auch durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit, da sich K auf dem Rückweg eines für die X-GmbH getätigten Verkaufsgesprächs befand. Mithin wäre nach den Grundsätzen des BAG zur Haftungsmilderung die X-GmbH verpflichtet, den Schaden in voller Höhe zu tragen. Etwas anderes könnte sich jedoch aus der vertraglichen Haftungsvereinbarung zwischen K und der X-GmbH ergeben. In dieser haben die Vertragsparteien eine verschuldensunabhängige Haftung für alle Schäden, die nicht von der Versicherung gedeckt sind, vereinbart, so dass K trotz leichter Fahrlässigkeit für den Schaden in Höhe von 800.– Euro haften müsste.

(a) Unwirksamkeit der Vereinbarung gem. § 307 I BGB

Eine solche Haftungsvereinbarung könnte jedoch gegen § 307 I BGB verstoßen und mithin unwirksam sein. Dazu müssten vorerst die §§ 305 ff BGB anwendbar sein. Grundsätzlich sind die §§ 305 ff BGB unter der Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts auf Arbeitsverträge anwendbar, § 310 IV BGB. Allerdings haben K und die X-GmbH die Haftungsvereinbarung individuell vereinbart. Es handelt sich folglich um eine individualvertragliche Regelung, die gem. § 305b BGB einer Inhaltskontrolle nicht unterliegt. Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt daher nicht vor.

(b) Unwirksamkeit der Haftungsregel wegen Verstoß gegen die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung

Allerdings könnte die individualvertragliche Regelung wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nichtig sein, da die Vereinbarung erheblich von diesen abweicht. Grundsätzlich ist es nach den Regeln der Privatautonomie den Arbeitsvertragsparteien freigestellt, welche Regelungen sie treffen, soweit sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Vorliegend haben K und die X-GmbH eine Vereinbarung über die Haftung des Arbeitnehmers gechlossen. Eine explizite Kodifizierung hinsichtlich der Arbeitnehmerhaftung kennt das nationale Arbeitsrecht nicht. Lediglich in § 619a BGB hat der Gesetzgeber festgehalten, dass anders als in § 280I  BGB das Verschulden des Arbeitnehmers nicht vermutet wird und indes vom Arbeitgeber zu beweisen ist. Mithin verstößt die Regelung nicht gegen positives Recht.

Allerdings könnte die in Frage stehende Vereinbarung gegen die oben dargelegten Grundsätze der Haftungserleichterung verstoßen. Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Grundsätze zur Haftungserleichterung einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind, von dem weder individual – noch kollektivvertraglich abgewichen werden könne. Eine unzulässige Abweichung sei offenslchtlich, wenn die Haftung für jede Form der Fahrlässigkeit begründet wird. Demzufolge wäre die Vereinbarung zwischen K und der X-GmbH, nach der K unabhängig von seinem Verschuldensgrad für jeden nicht von der Versicherung ersetzten Schaden haftet, unwirksam.

Allerdings kann eine vertragliche Abweichung ausnahmsweise auch nach Ansicht der Rechtsprechung zulässig sein. In den Fällen der so genannten Mankohaftung hat die Rechtsprechung des BAG durchaus anerkannt, dass eine individualvertragliche Haftungsvereinbarung zulässig ist, soweit sie das durch die Haftungserleichterung gewählte Schutzniveau nicht unterläuft. So hält das BAG es für angemessen, wenn der Arbeitnehmer für Schäden haftet, die durch einen gewissen Risikoausgleich gedeckt sind. Demzufolge ist es entscheidend, dass keine Verschärfung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung eintritt. Folglich bedürfte die Vereinbarung zwischen K und der X-GmbH zu ihrer Wirksamkeit eines kompensatorischen Ausgleichs für die Haftung des K. K und die X-GmbH haben lediglich eine Haftungsverschärfung für K vereinbart. Besondere Vergütungen sind nicht ersichtlich. Fraglich ist, ob die Überlassung des Dienstwagens zu privaten Zwecken eine zusätzliche Vergütung darstellt, die einen Ausgleich zur Haftungsverschärfung schafft. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist die Möglichkeit, einen Dienstwagen auch für Privatfahrten zu nutzen, grundsätzlich eine zusätzliche Gegenleistung. Allerdings könne eine solche zusätzliche Nutzungsmöglichkeit nicht eine Haftung des Arbeitnehmers für jede fahrlässige Beschädigung des Wagens im Rahmen betrieblich veranlasster Fahrten rechtfertigen. Allenfalls könnte eine Vereinbarung über die verschärfte Haftung des Arbeitnehmers bei privater Nutzung des Dienstwagens zulässig sein. K hat folglich keinen kompensatorischen Ausgleich erhalten, so dass die Vereinbarung zwischen K und der X-GmbH auch nach den Grundsätzen zur Mankoabrede nicht zulässig wäre. Teilweise wird jedoch vertreten, dass die Grundsätze der Haftungserleichterung gerade nicht zwingendes, sondern dispositives Recht sind. Dies zeige insbesondere die Veränderung der Schuldrechtsreform. Zwar wollte der Reformgesetzgeber nicht in die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich eingreifen. Allerdings sind diese Grundsätze über die analoge Anwendung des § 254 BGB oder gar direkte Anwendung des § 276I BGB in das allgemeine Haftungssystem des BGB integriert worden. Dieses sei jedoch seinerseits dispositiv. Eine für die Arbeitnehmerhaftung geltende Bereichsausnahme sei nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte nicht ersichtlich. Die Arbeitnehmerhaftung sei somit als durch die Schuldrechtsreform anerkannte Fortbildung des dispositiven privatrechtlichen Haftungsrechts zu qualifizieren. Nach dieser Ansicht wäre eine vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Haftung des Arbeitnehmers zwischen K und der X-GmbH zulässig gewesen und K müsste für den Schaden in Höhe von 800.– Euro haften.

(c) Stellungnahme

Der Ansicht der Rechtsprechung ist zu folgen. Die Grundsätze der Haftungserleichterung wurden entwickelt, um das Betriebsrisiko nicht vollständig dem Arbeitnehmer aufzubürden. Ließe man mit der Gegenmeinung eine Abdingbarkeit dieser Regelung zu, so könnte der von der Rechtsprechung eingeführte Arbeitnehmerschutz durch einfache vertragliche Vereinbarung ausgehöhlt werden.

Mithin ist die Haftungsvereinbarung zwischen K und der X-GmbH unwirksam. Maßgeblich für die Haftungsmilderung bleiben daher die richterrechtlich entwickelten Grundsätze der Haftungserleichterung. Vorliegend hat K leicht fahrlässig gehandelt, so dass er vollständig von der Haftung befreit ist.

bb.) Zwischenergebnis

Der X-GmbH steht mithin kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280I BGB iVm. der vertraglichen Haftungsvereinbarung zu. Somit fehlt ein wirksamer und durchsetzbarer Gegenanspruch der X-GmbH und eine wirksame Aufrechnungslage besteht nicht. Die X-GmbH kann daher nicht wirksam mit der Lohnforderung des K in Höhe von 800.– Euro aufrechnen.

II. Ergebnis zu A.

K hat gegen die X-GmbH einen Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Lohns in Höhe von 800.– Euro gem. § 611 BGB. Die Leistungsklage ist somit begründet.

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Klausurfall Vollstreckungsrecht

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Fall

B erlangt einen für vorläufig vollstreckbar erklärten Zahlungstitel über 3000.- Euro gegen C, der diesem ordnungsgemäß zugestellt wird. Der mit der Vollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher sucht die Wohnung der Eheleute C auf. Unter den Gegenständen, die der Gerichtsvollzieher zu pfänden gedenkt, befindet sich eine antike Standuhr und eine goldene Damenarmbanduhr. Die anwesende Ehefrau E ist mit der Pfändung dieser Gegenstände nicht einverstanden: Standuhr und Armbanduhr seien ihr Eigentum und befänden sich auch in ihrem Gewahrsam.

Obwohl E Quittungen vorlegt, die ihre Eigetümerstellung nachweisen, pfändet der Gerichtsvollzieher. E will wissen, ob sie mit Erfolg gegen die Pfändung vorgehen kann.

Lösung

A. Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 I ZPO

Als Rechtsbehelf kommt zunächst eine Vollstreckungserinnerung der E gemäß § 766 I ZPO in Betracht.

I. Zulässigkeit

Die Vollstreckungserinnerung müsste zulässig sein.

1.Statthafter Rechtsbehelf

Der Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung ist statthaft gegen Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts, des Rechtspflegers oder des Gerichtsvollziehers im Vollstreckungsverfahren, wobei Pfändungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers stets der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 I ZPO unterliegen. Die Vollstreckungserinnerung gegen die Pfändung der Stand- sowie der Armbanduhr ist somit statthaft.

2. Zuständiges Gericht

Zuständig ist gemäß § 766I ZPO das Vollstreckungsgericht. Das ist gemäß § 764 ZPO das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Vollstreckungsmaßnahme stattgefunden hat.

3. Erinnerungsbefugnis

Fraglich ist, ob E erinnerungsbefugt ist. Erinnerungsbefugt können nicht nur Vollstreckungsgläubiger und -schuldner sein, sondern auch jeder Dritte, der geltend machen kann, durch die Art und Weise der Zwangsvollstreckung beschwert zu sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Dritte die Verletzung einer (zumindest auch) drittschützenden Norm rügt. E kann als mutmaßliche (Mit)-Gewahrsamsinhaberin die Verletzung des § 809 ZPO als einer auch drittschützenden Norm rügen und ist damit erinnerungsbefugt.

4. Form und Frist

Die Vollstreckungserinnerung ist nicht fristgebunden. Einzulegen ist sie schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle.

5. Rechtsschutzbedürfnis

Zu prüfen ist das Rechtsschutzbedürfnis der E. Das Rechtsschutzbedürfnis ist vom Beginn bis zum Abschluss der Vollstreckungsmaßnahme gegeben. Vorliegend ist es noch nicht zur Verwertung der Gegenstände gekommen, die Vollstreckungsmaßnahme ist also noch nicht beendet, so dass das Rechtsschutzbedürfnis der E besteht.

II. Begründetheit

Die Vollstreckungserinnerung ist begründet, wenn ein Verfahrensfehler vorliegt. Das Gericht prüft nur die gerügte Verletzung der drittschützenden Norm.

1. Verstoß gegen § 809 ZPO

Zu prüfen ist demnach, ob der Gerichtsvollzieher durch die Pfändung der Standuhr und der Damenarmbanduhr gegen § 809 ZPO verstoßen hat. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass E an den gepfändeten Gegenständen (Mit-) Gewahrsam hatte. Die Gegenstände befanden sich in der gemeinsamen Wohnung von C und E, so dass von (Mit-)Gewahrsam der E auszugehen ist. Dem könnte allerdings die Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO entgegenstehen. Danach gilt bei Eheleuten der Vollstreckungsschuldner gegenüber seinen Gläubigern als alleiniger Gewahrsamsinhaber, sofern der schuldende Ehegatte nach der Eigentumsvermutung des § 1362I1 BGB als Eigentümer der betroffenen Sache anzusehen ist.

a.) Voraussetzung der Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO ist demnach, dass die Eigentumsvermutung des § 1362I1 BGB eingreift. Gemäß § 1362I1 BGB wird zugunsten der Gläubiger des Schuldners vermutet, dass die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen Sachen im Eigentum des Schuldners stehen. E und C sind verheiratet und führen einen gemeinsamen Hausstand. Die gepfändeten Sachen befanden sich in der gemeinsamen Wohnung und somit im Besitz eines oder beider Ehegatten. Bezüglich der gepfändeten Gegenstände greift die Eigentumsvermutung des § 1362I1 BGB demnach ein, so dass die Voraussetzung für die Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO gegeben ist.

b.) Etwas anderes könnte sich aber aus § 1362 II BGB ergeben. Bei ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmten Gegenständen wird vielmehr vermutet, dass sie im Eigentum dieses Ehegatten stehen.

aa.) Die gepfändete antike Standuhr steht nicht ausschließlich im Gebrauch eines Ehegatten, so dass § 1362 II BGB hier nicht eingreift.

bb.) Bei der goldenen Damenarmbanduhr kann allerdings davon ausgegangen werden, dass sie ausschließlich im Gebrauch der E steht. Wenn sich der persönliche Gebrauch eines Ehegatten klar aus einer „geschlechtsspezifischen“ Auslegung ergibt, ist ein konkreter Hinweis der ausschließlich persönlichen Gebrauchsbestimmung nicht erforderlich.

c.) Die Damenarmbanduhr unterliegt also nicht der Eigerntumsvermutung des § 1362 BGB. Damit entfällt auch die Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO. An der Armbanduhr har demnach die E Gewahrsam.

Ob die Vollstreckungserinnerung bezüglich der Armbanduhr, die nicht dem § 739 ZPO unterliegt, begründet ist, hängt davon ab, ob E eine nicht herausgabebereite Dritte iSd. § 809 ZPO ist. E war mit der Pfändung der Armbanduhr nicht einverstanden, so dass diese Voraussetzung gegeben ist. Damit war die Pfändung der Uhr durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 809 ZPO fehlerhaft. Bezüglich der Armbanduhr ist die Vollstreckungserinnerung damit begründet.

d.) Bei der Standuhr wird das Eigentum des C aber gemäß § 1362I1 BGB vermutet. Fraglich ist, ob eine nachträgliche Widerlegung dieser Fiktion auch die Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO entfallen lässt. Teilweise wird dies bejaht. Da mit der Widerlegung der Eigentumsvermutung die einzige Voraussetzung für die Anwendung des § 739 ZPO entfalle, sei es nur konsequent, die Gewahrsamsfiktion zu verneinen. Eine andere Sichtweise würde eine unzulässige Benachteiligung der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften bedeuten; denn der Gerichtsvollzieher müsse ja auch bei jedem unverheirateten Dritten die Gewahrsamsverhältnisse im Einzelnen prüfen. Demnach würde die Vermutung des § 739 ZPO entfallen. Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, dass die Vorschrift des § 739 ZPO eine Vereinfachung des Vollstreckungsverfahrens bezweckt, da die Gewahrsamsverhältnisse in ehelichen Haushalten oft nur schwer feststellbar sind. Diese Vereinfachungsfunktion würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Gerichtsvollzieher sich im Rahmen einer Prüfung des § 1362I1 BGB eingehend mit der Eigentumslage befassen müsste. Die Gewahrsamsfiktion des § 739 ZPO wäre dann wertlos. Es kann nicht Aufgabe des Gerichtsvollziehers sein, über materiell-rechtliche Fragen, wie die Klärung der Eigentumsverhältnisse unter Ehegatten, zu unterscheiden. Seine Kompetenz und Fähigkeiten erschöpfen sich darin, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1362I1 BGB festzustellen. Schließlich spricht auch die Kompetenzverteilung der Kontrollinstanzen dagegen, die Vollstreckungserinnerung auf solche Fälle auszuweiten. Für die Erinnerung ist das Vollstreckungsgericht und für die Drittwiderspruchsklage nach § 771I ZPO das Prozessgericht zuständig. Da die Prüfung der Eigentumsverhältnisse aber zum Erkenntnisverfahren zählt, sprechen die besseren Gründe dafür, die Rüge der Pfändung einer schuldnerfremden Sache nur im Rahmen von § 771I ZPO zuzulassen.

e.) Mithin gilt die Standuhr gemäß § 739 ZPO als im Alleingewahrsam des Schuldners C stehend, so dass E keine Verletzung ihrer Rechte aus § 809 ZPO geltend machen kann.

2. Evident schuldnerfremde Sache

Möglicherweise kann E die Erinnerung bzgl. der Standuhr aber darauf stützen, dass der Gerichtsvollzieher eine evident nicht im Eigentum des Schuldners stehende Sache gepfändet hat. Bei der Pfändung evidenten Dritteigentums missbraucht der Gerichtsvollzieher nämlich seine Befugnisse nach § 808I ZPO, wenn er Gegenstände pfändet, die sich zwar im Gewahrsam des Schuldners befinden, aber so offensichtlich im Eigentum eines anderen stehen, dass der Gerichtsvollzieher nach Lage der Dinge keine vernünftigen Zweifel an der Drittberechtigung haben kann. Allerdings reicht die Vorlage einer Quittung, um von einer evidenten Eigentumslage zugunsten der E sprechen zu können, nicht aus, da sich das Dritteigentum aus der Sache selbst ergeben muss und der Gerichtsvollzieher die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung nicht zweifelsfrei beurteilen kann und soll, wie oben festgestellt. Eine Verletzung des § 808 ZPO liegt daher nicht vor.

3. Im Ergebnis ist die Erinnerung demnach wegen § 739 ZPO für die Standuhr unbegründet.

4. Hinsichtlich der Armbanduhr ist die Vollstreckungserinnerung begründet, hinsichtlich der Standuhr ist die Erinnerung aufgrund der Gewahrsamsfiktion des § 739 ZPO unbegründet.

B. Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO

Möglicherweise könnte E gegen die Pfändung auch mit der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO vorgehen.

I. Zulässigkeit

Die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO müsste zulässig sein.

1. Zuständigkeit

Örtlich zuständig für die Drittwiderspruchsklage ist gemäß §§ 771I,802 ZPO ausschließlich das Gericht in dessen Bezirk die Vollstreckungsmaßnahme erfolgt. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 23,71 GVG). Aus der Höhe des vollstreckungsfähigen Titels des B gegen C (3000.- Euro) folgt gemäß § 23 GVG die Zuständigkeit des Amtsgerichtes.

2. Prozessführungsbefugns

Prozessführungsbefugt ist bei der Drittwiderspruchsklage ein Dritter, der „ein die Veräußerung hinderndes Recht“ iSv. § 771I ZPO am Pfandrecht geltend macht. Ein solches liegt vor, „wenn der Schuldner selbst, veräußere er den Vollstreckungsgegenstand, widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde und der Dritte den Schuldner an der Veräußerung hindern könnte“. E macht ihr Eigentumsrecht an den gepfändeten Gegenständen geltend, was ein die Veräußerung hinderndes Recht darstellt, des weiteren ist sie weder Gläubiger noch Schuldner, somit Dritte.

3. Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis für die Drittwiderspruchsklage besteht vom Beginn bis zum Ende der Zwangsvollstreckung. Die Verwertung der gepfändeten Gegenstände ist noch nicht erfolgt, damit liegt auch das Rechtsschutzinteresse vor. Auch die mögliche Erinnerung lässt das Rechtsschtuzbedürfnis nicht entfallen. Anders als bei der Vollstreckungserinnerung, bei der nur die Verletzung von Verfahrensverstößen gerügt werden kann, werden bei der Drittwiderspruchsklage auch materiellrechtliche Gesichtspunkte geprüft.

II. Begründetheit

1. Vorausetzung der Begründetheit der Drittwiderspruchsklage ist zunächst „ein die Veräußerung hinderndes Recht“ des Dritten. Der Wortlaut des § 771 ZPO ist allerdings missverständlich. Sogar fremdes Eigentum als das stärkste Recht kann die Veräußerung an einen gutgläubigen Dritten nicht verhindern. Gemeint ist vielmehr das rechtliche Dürfen. Entscheidend ist daher, ob sich eine Veräußerung gegenüber dem Kläger als materiell rechtswidrig darstellt, wie oben festgestellt.

Rechte iSv. § 771 ZPO sind solche, die bewirken, dass der Gegenstand nicht zum Vermögen des Schuldners gehört. Hierzu zählt insbesondere das Eigentum des Dritten an den betroffenen Gegenständen. Zu prüfen ist daher, ob E Eigentümerin der gepfändeten Gegenstände ist.

a.) Hinsichtlich der Armbanduhr ergibt sich das bereits aus § 1362 II BGB zugunsten des B. Zudem kann sie anhand der Quittungen ihre Eigentümerstellung nachweisen.

b.) Hinsichtlich der Standuhr greift zwar die Vermutung des § 1362I1 BGB zu Lasten des E ein, diese Fiktion ist allerdings widerlegbar. Anhand von Quittungen und anderer Beweismittel kann die E die Vermutung des § 1362I1 BGB im Prozess wiederlegen, wie oben geprüft.

c.) E hat demnach ein die Veräußerung hinderndes Recht sowohl an der Standuhr als auch an der Armbanduhr.

2. Weitere Voraussetzung der Drittwiderspruchsklage ist, dass der Dritte nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet ist. Dafür finden sich hier aber keine Anhaltspunkte.

3. E ist Eigentümerin der gepfändeten Gegenstände und nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet. Die Drittwiderspruchsklage ist damit begründet.

Anmerkung

Siehe zur Ergänzung dieser Klausur auch den „Klausurfall Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung“ und den Beitrag „Vollstreckungsrecht“ sowie den Beitrag „Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen“, „Klausur zum Vollstreckungsverhältnis„.

Zu dem Thema dieser Klausur kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Für alle aktuellen Aufsätze und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausurfall Vollstreckungsrecht auf unserer Website Jura Individuell.

Klausur zur GoA

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Fall

K hat ein Einfamilienhaus gekauft. Er will in den nächsten Jahren kein Geld in das Haus investieren. Sein Nachbar N dagegen möchte seine Hausfassade isolieren lassen. N beauftragt daher den Gerüstbauer R mit der Erstellung eines Baugerüstes. R schickt daraufhin seinen Vorarbeiter S los, um den Auftrag auszuführen. S verwechselt die Hausnummern. Das Gerüst wird deshalb am Haus des K aufgestellt und fachgerecht verankert. Mit der Isolierung seines Hauses hatte N den Malermeister F beauftragt. Dabei hatte er mit R vereinbart, dass dieser nach Aufstellung des Gerüstes den F informiert. Als S dem R die Ausführung des Auftrages mitteilt, informiert dieser den F. Dieser schickt nun seine Gesellen los. Diese halten das eingerüstete Haus des K für das Haus des N und beginnen mit den Malerarbeiten.

1. Kann F von K Ersatz seiner Aufwendungen verlangen ?

2. Kann R von K Ersatz seiner Aufwendungen verlangen ?

Lösung

Frage 1: Ansprüche des F gegen K auf Aufwendungsersatz

I. Anspruch gemäß §§ 631,632,651 BGB

Ein Anspruch des F nach §§ 631,632,651 BGB besteht nicht, da zwischen F und K kein Vertrag zustande gekommen ist.

II. Anspruch gemäß §§ 683S.1,677,670 BGB

Ein Anspruch des F gegen K könnte sich aus §§ 683S.1,677,670 BGB ergeben.

1. Geschäftsbesorgung

Geschäftsbesorgung iSd. § 677 BGB meint jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln. Das Isolieren des Hauses als tatsächliches Handeln bildet eine Geschäftsbesorgung in diesem Sinn.

2. Fremdes Geschäft

F muss die Geschäftsbesorgung für einen anderen vorgenommen, d. h. ein fremdes Geschäft geführt haben. Fremd ist ein Geschäft, dass nicht ausschließlich in den Rechts- oder Interessenkreis des Geschäftsführers fällt, sondern zumindest auch in die Belange eines anderen. Das Isolieren eines Hauses fällt grundsätzlich in die Sphäre eines Hauseigentümers und damit in einen fremden Rechtskreis. Jedoch liegt das Geschäft zugleich im eigenen Interesse des F, weil er sich werkvertraglich gegenüber D zur Leistungserbringung verpflichtet hatte. Es liegt somit ein sogenanntes „auch fremdes Geschäft“ vor. Fraglich ist, ob auf dieses Geschäft noch die Grundsätze der GoA Anwendung finden können.

a.) Ablehnende Ansicht

Nach einer Ansicht wird das „auch fremde Geschäft“ abgelehnt, da mit der Anerkennung des „auch fremden Geschäftes“ die speziellen Wertungen des Bereicherungsrechtes wie §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB umgangen werden.

b.) Befürwortende Ansicht

Nach anderer Ansicht wird die Möglichkeit eines „auch fremden Geschäftes“ anerkannt.

c.) Stellungnahme

Letzter Ansicht ist zu folgen. § 683 BGB wird dadurch begrenzt, dass nur die für „erforderlich“ zu haltenden Aufwendungen ersetzt werden. Ein auch fremdes Geschäft ist daher im Rahmen der GoA anzuerkennen. Ein fremdes Geschäft lag somit vor.

3. Fremdgeschäftsführungswillen

Aus dem Tatbestandsmerkmal „für einen anderen“ des § 677 BGB folgt, dass F bei der Ausführung der Arbeit mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben muss. Erforderlich ist das Bewusstsein, dass es sich bei dem Geschäft um die Angelegenheit eines anderen handelt. Bei auch fremden Geschäften liegt objektiv auch ein fremdes Geschäft vor. Der Fremdgeschäftsführungswille wird daher vermutet. F wollte die Arbeiten für den N, also einen anderen ausführen. Nach § 686 BGB ist unbeachtlich, das er bezüglich dessen Person einem Irrtum unterlag.

4. Ohne Auftrag

Die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen F und N wirkt nur inter partes und nicht gegenüber K. F handelte daher ohne Auftrag oder Berechtigung.

5. Im Interesse

Das Geschäft muss im Interesse des Geschäftsherrn K gelegen haben. Dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht die Geschäftsführung, wenn sie für diesen objektiv nützlich ist, sich also irgendwie vorteilhaft auswirkt. Die Isolierung seines Hauses lag im objektiven Interesse des K.

6. Im wirklichen oder mutmaßlichen Willen

Fraglich ist aber, ob die Geschäftsführung im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des K lag, da dieser kein Geld in das Haus investieren wollte. Hinsichtlich des Willens ist in erster Linie auf den wirklichen Willen abzustellen. Nur soweit ein solcher nicht ersichtlich ist, darf auf den mutmaßlichen Willen zurückgegriffen werden. Demnach entspricht die Isolierung nicht dem Willen des K. Eine Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens nach § 679 BGB liegt nicht vor.

7. Ergebnis

Da die Übernahme und Ausführung der Geschäftsführung nicht im wirklichen Willen des K lag, besteht kein Anspruch des F aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB.

III. Anspruch des F gegen K gemäß § 684 S.1, 812, 818 II BGB

F könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten gemäß § §684 S. 1, 812, 818 II BGB haben.

1. Voraussetzungen des § 684 BGB

Daraus, dass § 684 BGB an das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 683 BGB anknüpft, folgt, dass für den Anspruch aus § 684 BGB grundsätzlich alle Voraussetzungen einer echten GoA vorliegen müssen. Einzig auf das Erfordernis des Handelns „im wirklichen oder mutmaßlichen Willen“ des Geschäftsherrn wird verzichtet.

a.) Die Voraussetzungen des § 677 BGB liegen vor. F führte dadurch, dass er das Haus des K isolierte ein (auch) fremdes Geschäft ohne entsprechenden Auftrag.

b.) Da die Isolierung nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des K entsprach, sind die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB nicht gegeben.

c.) K muss etwas erlangt haben. Ausreichend dafür ist jede vermögenswerte Rechtsposition. Ein solcher Vermögensvorteil wurde durch die Isolierung seines Hauses begründet, weil K nach §§ 946, 93, 94 II, I BGB Eigentum am verwendeten Baumaterial erwarb und die gewerbliche Werkleistung des F erlangte.

2. Verweis auf § 812 BGB

K muss das Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben, § 684 S. 1 BGB.

a.) Fraglich ist zunächst, ob es sich bei dem Verweis um einen Rechtsfolgen- oder Rechtsgrundverweis handelt.

aa.) Zum Teil wird der Verweis als Rechtsgrundverweisung qualifiziert. Dies wird damit begründet, dass Dreipersonenverhältnisse nach den anerkannten bereicherungsrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden können.

bb.) Nach der Rechtsprechung bildet der Verweis des § 684 BGB einen bloßen Rechtsfolgenverweis auf §§ 812, 818 BGB. Danach mache eine zusätzliche Prüfung der Voraussetzungen des § 812 BGB keinen Sinn, weil im Falle des § 684 S. 1 BGB die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbers von vornherein bereits feststeht, da das auftragsähnliche gesetzliche Schuldverhältnis einer berechtigten GoA nicht entsteht.

cc.) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen, da der Anspruchsgegner durch die Wertungen des § 818 BGB hinreichend geschützt ist.

b.) Dem K ist die Herausgabe des Erlangten aufgrund der Beschaffenheit nicht möglich. Nach § 818 II BGB ist deshalb Wertersatz zu leisten. Dieser berechnet sich objektiv und würde den gesamten Werklohn des F umfassen.

c.) Eine Entreicherung des K nach § 818 III BGB ist nicht ersichtlich.

d.) Etwas anderes kann sich aber daraus ergeben, dass die Isolierung der Fassade von K nicht gewünscht war. Fraglich ist deshalb, wie K vor dieser sog. aufgedrängten Bereicherung geschützt werden kann.

aa.) Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden, ob der Eigentümer einen Anspruch auf die Beseitigung des Verwendungserfolges hat oder nicht. Ansprüche des K auf Beseitigung des Verwendungserfolges kann sich aus § 831 I S. 1 iVm. § 249 BGB und § 1004 S.1 BGB ergeben. Jedoch stellt die fachgerechte Isolierung des Hauses keine Eigentumsverletzung bzw. Eigentumsbeeinträchtigung dar, sodass Beseitigungsansprüche ausscheiden.

bb.) Hat der Eigentümer keinen Anspruch auf die Beseitigung, so wird der Verwendungsersatzanspruch dennoch beschränkt. Für diese Beschränkung kommen zwei Ansätze in Betracht.

(a) Der Wert des Erlangten kann durch eine Subjektivierung des Wertbegriffes des § 818 II BGB begrenzt werden. Das Vermögen des Begünstigten K ist dann nur vermehrt, wenn er sich den Verwendungserfolg zunutze macht.

(b) Zum gleichen Ergebnis führt die Berufung des Empfängers auf § 818 III BGB, wenn das Erlangte für ihn von Beginn an keinen Nutzen bringt. Diese ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Eigentümer sich eigene Aufwendungen erspart oder durch das erlangte einen höheren Gewinn bei der Veräußerung der Sache erzielt.

(c) Beide aufgeführten Lösungsansätze führen zum gleichen Ergebnis, da dem F erst dann eine Kondiktion möglich ist, wenn K bei einer Veräußerung des Grundstücks aufgrund der Isolierung einen höheren Erlös erzielt. Eigene Aufwendungen hat der K nicht erspart, weil er das Haus nicht sanieren wollte, sodass die Isolierung ihm von Beginn an keinen Nutzen brachte. Im Ergebnis hat F daher keinen Anspruch gegen K aus § 684 S. 1 iVm. §§ 812, 818 II BGB.

IV. Anspruch gemäß § 994 BGB bzw. § 996 BGB

F kann gegen K einen Anspruch auf Verwendungsersatz aus § 994 BGB bzw. § 996 BGB haben. Dann muss zur Zeit der Verwendung ein EBV vorgelegen haben. K ist zur Zeit der Isolierung Eigentümer, aber F war zu keiner Zeit Besitzer des Hauses. F besaß keinen Besitzbegründungswillen. Trotz Abwesenheit bleibt K Inhaber der Sachherrschaft. Ansprüche gemäß § 994 BGB bzw. § 996 BGB bestehen nicht.

V. Anspruch gemäß §§ 951 S. 1, 812 I S. 1, 2. Alt. BGB

F kann gegen K wegen des Rechtsverlustes an Isoliermaterial einen Anspruch auf Wertersatz aus §§ 951 I S. 1, 812 I 1, 2.Alt. BGB haben.

1. Rechtsverlust nach §§ 946 ff BGB

Durch das Anbringen des Isoliermaterials an das Haus des K hat F sein Eigentum daran verloren, §§ 946, 93, 94 II 1 BGB. Die Voraussetzungen des § 951 I S. 1 BGB liegen vor.

2. Verweis auf § 812 BGB

a.) Fraglich ist zunächst, ob § 951 I BGB eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung auf § 812 BGB darstellt.

aa.) Zum Teil wird in § 951 BGB eine bloße Rechtsfolgenverweisung gesehen, da derjenige, welcher einen Rechtsverlust erleide, unabhängig vom Vorliegen tatbestandlicher Voraussetzungen zu schützen sei.

bb.) Die h.M. qualifiziert den § 951 BGB als Rechtsgrundverweisung auf § 812 BGB, so daß alle Voraussetzungen des § 812 BGB zu prüfen sind.

cc.) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. Der Anspruchsgegener ist vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Soweit der Rechtsverlust aufgrund eines wirksamen Vertrages erfolgt, kann es nicht Sinn des § 951 BGB sein, einen Anspruch neben dem vertraglichen Vergütungsanspruch zu gewähren.

b.) Darüber hinaus ist fraglich, ob § 951 BGB nur auf § 812IS.1,2.Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion) oder auch auf § 812I1,1.Alt. BGB (Leistungskondiktion) verweist.

aa.) Nach einer Ansicht regelt § 951 BGB nur den Tatbestand der Nichtleistungskondiktion, sodass die Leistungsfälle unmittelbar über § 812 BGB zu lösen wären. Dafür spricht der Wortlaut „erleidet“.

bb.) Die h. M. geht davon aus, dass § 951 I BGB beide Alternativen des § 812 I S. 1 BGB erfasst.

cc.) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. Zu schützen ist der Anspruchsteller, der einen Rechtsverlust erlitten hat. Der Anspruchsgegner wird ausreichend dadurch geschützt, dass es sich bei dem Verweis des § 951 BGB um einen echten Rechtsgrundverweis handelt, d. h. Ersatz nur unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 BGB gewährt wird. Damit sind die Voraussetzungen des § 812 BGB zu prüfen.

3. Voraussetzungen des § 812 BGB

a.) § 812 I 1, 1.Alt. BGB

Die Voraussetzungen einer Leistungskondiktion liegen nicht vor. Aus Sicht des verobjektivierten Empfängerhorrizontes (K) lag keine Leistung vor.

b.) § 812 I 1, 2.Alt.BGB

K kann etwas in sonstiger Weise erlangt haben.

aa.) Etwas erlangt

K hat in Form von Eigentum am Isoliermaterial und Arbeitsleistung eine Wertsteigerung seines Grundstücks erlangt.

bb.) In sonstiger Weise

Eine vorrangige Leistung des F an N ist nicht gegeben. Der Erwerb des K erfolgte daher in sonstiger Weise.

cc.) Auf Kosten des Anspruchsstellers

K muss den Vermögensvorteil auf Kosten des F erlangt haben. Bei der Nichtleistungskondiktion erfolgt durch dieses Merkmal die Festlegung der Vertragsparteien. Dieses Merkmal wird bei der Eingriffskondiktion durch den Widerspruch zum Zuweisungsgehalt einer geschützten Rechtsposition ausgefüllt. Dies kann nicht für die Verwendungskondiktion gelten, da der Anspruchssteller selbst den Rechtsverlust herbeigeführt hat. Deshalb ist darauf abzustellen, ob der Anspruchssteller zulasten seines Vermögens die Aufwendungen für den Anspruchsgegner getätigt hat. Danach hat K die Wertsteigerung auf Kosten des F erlangt.

dd.) Ohne Rechtsgrund

Ein Rechtsgrund für K zum Behaltendürfen bestand nicht.

ee.) Umfang

Zur Rechtsfolge gilt das oben Gesagte. Zwar ist ein Anspruch dem Grunde nach gegeben, doch gelten die Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung.

4. Ergebnis

F hat keinen Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung nach §§ 951 I 1, 812 I 1, 2.Alt. BGB.

Frage 2: Ansprüche des R gegen K

I. Anspruch gemäß §§ 631 I,632 BGB

Ein vertraglicher Zahlungsanspruch aus §§ 631 I, 632 BGB besteht mangels einer zwischen den Parteien bestehenden Vertragsbeziehung nicht.

II. Anspruch gemäß §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB

Hinsichtlich eines Aufwendungsersatzanspruches aus echter berechtigter GoA kann auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen werden. Die Geschäftsführung entsprach jedenfalls nicht dem Willen des Geschäftsherrn.

III. Anspruch gemäß §§ 684 S. 1, 818 II BGB

R kann gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten gemäß §§ 684 S. 1, 818 II BGB haben.

1. Voraussetzungen des § 684 BGB

a.) Die Voraussetzungen des § 677 BGB liegen vor.

b.) Da die Einrüstung seines Hauses nicht dem Willen des K entsprach, sind die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB nicht gegeben.

c.) K muss etwas erlangt haben. Ein rechtswidriger Vermögensvorteil wurde durch die Einrüstung seines Hauses begründet, weil K die gewerbliche Werkleistung und die Nutzungsmöglichkeit des Baugerüstes erlangte.

2. Rechtsfolgeverweis auf §§ 812, 818 BGB

a.) K muss das Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben, § 684 S. 1 BGB. Dem K ist die Herausgabe des Erlangten aufgrund der Beschaffenheit nicht möglich. Nach § 818 II BGB ist deshalb Wertersatz zu leisten. Dieser berechnet sich objektiv und würde den gesamten Werklohn des R umfassen.

b.) Eine Entreicherung des K nach § 818 III BGB ist erneut nicht ersichtlich.

c.) Etwas anderes kann sich aber daraus ergeben, dass die Aufstellung des Baugerüstes von K nicht gewünscht war. Fraglich ist deshalb wieder, wie K vor dieser aufgedrängten Bereicherung geschützt werden kann.

aa.) Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden, ob der Eigentümer einen Anspruch auf die Beseitigung des Verwendungserfolges hat oder nicht. Ansprüche des K auf Beseitigung des Verwendungserfolges können sich aus §§ 831 I S. 1, 249 I BGB und § 1004 S. 1 BGB ergeben.

a.) Anspruch aus §§ 831 I 1, 249 I BGB

aa.) S war Verrichtungsgehilfe des R, der in seinem Interesse mit Wissen und Wollen tätig wurde. Die erforderliche Weisungsgebundenheit des S folgt aus dem Arbeitsvertrag.

bb.) Eine Eigentumsbeeinträchtigung kann auch durch Verunstaltung erfolgen. Die Entscheidung, ob ein Baugerüst das Erscheinungsbild einer Hausfassade verunstaltet kann aber dahinstehen, weil durch die Verankerungen des Baugerüstes das Haus in seiner Substanz verletzt wird. Die Eigentumsverletzung erfolgte auch rechtswidrig. S handelte daher tatbestandsmäßig und rechtswidrig i. S. d. § 823 I BGB.

cc.) Die Eigentumsverletzung trat in Ausführung der Verrichtung ein.

dd.) Anhaltspunkte für eine Exkulpation des R nach § 831 I S. 2 BGB hat dieser nicht vorgetragen.

ee.) Ergebnis

K hat gemäß §§ 831 I S.1, 249 I BGB einen Anspruch auf Entfernung des Gerüstes.

(b.) Anspruch gemäß § 1004 I S. 1 BGB

Ebenso kann ein Beseitigungsanspruch des K nach § 1004 I S. 1 BGB vorliegen. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung einer Rechtsposition des § 823 I BGB ist gegeben. Die Eigentumsstörung dauert an. R ist Handlungsstörer solange die Beeinträchtigung andauert. Ein Anspruch des K nach § 1004 I S.1 BGB liegt somit ebenfalls vor.

bb.) Diese Beseitigungsansprüche kann K nun dem Kondiktionsanspruch des F entgegenhalten. Die Durchsetzung der Kondiktion ist daher gehemmt. F ist dadurch allein auf die Wegnahme des Baugerüstes angewiesen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man bei einer analogen Anwendung des § 1001 S. 2 BGB. K kann sich danach vom Bereicherungsanspruch des R dadurch befreien, dass er diesem die Wegnahme des Verwendungserfolges gestattet. Dieser besteht in der Nutzungsmöglichkeit des Baugerüstes. Durch den Abbau des Gerüstes wird dieser Verwendungserfolg dem K wieder entzogen. R hat somit nach beiden Ansätzen die Möglichkeit des Abbaus des Gerüstes.

cc.) Ergebnis:

R hat keinen Anspruch gegen K auf Vergütung nach §§ 684 S. 1, 812 I 1, 2.Alt. BGB.

III. Anspruch gemäß § 994 BGB

Ein Anspruch aus § 994 BGB scheitert am Fehlen einer Vindikationslage.

IV. Anspruch gemäß §§ 951 I, 812 I 1, 2.Alt. BGB

Ein Anspruch aus §§ 951 I, 812 I 1, 2.Alt. BGB entfällt mangels Rechtsverlustes bei R.

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Vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB – Klausurfall c.i.c.

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Sachverhalt

B aus München möchte mit seiner Tochter deren bestandene Abiturprüfung feiern. Er reserviert telefonisch im edlen Restaurant K, in dem grundsätzlich Tische nur gegen Reservierung vergeben werden, für einen Freitagabend einen Tisch für zwei Personen. K hat für diesen Tag nur noch einen Vierer-Tisch frei, den er für B vorsieht. Auf Bitte des K bestätigt B die Reservierung noch einmal schriftlich. Einen Tag vor dem Restaurantbesuch kommt es zwischen B und seiner Tochter zu einem Streit. An ein gemeinsames Essen ist nicht mehr zu denken. B vergisst aufgrund des Streites, die Reservierung bei K zu stornieren.

Am Freitagmorgen fragt D bei K an, ob am Abend noch ein Tisch für 4 Personen frei sei, was K mit Hinweis darauf verneint, dass alles ausgebucht sei.

Als B am Abend nicht erscheint, ist K empört. Er verlangt von B die Zahlung von 140.- Euro. K behauptet dazu, sein durchschnittlicher Umsatz pro Gast liege bei 75.- Euro. Unter Abzug seiner Aufwendungen ergebe sich daraus ein durchschnittlicher Gewinn von 35.- Euro pro Person. Durch die Abweisung des D sei ihm dementsprechend ein Gewinn von 140.- Euro entgangen.

Hat K gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 140.- Euro ?

Lösung

I. Vertraglicher Zahlungsanspruch gem. § 311 I BGB

Ein Zahlungsanspruch des K gegen B in Höhe von 140.- Euro könnte sich als Erfüllungsanspruch aus einem Bewirtungsvertrag ergeben. Das setzt voraus, dass zwischen K und B ein Bewirtungsvertrag auch tatsächlich vereinbart wurde. Ein Bewirtungsvertrag ist ein gemischt-typischer Vertrag, der Elemente des Kauf-, Miet-,Dienst-,Werk- und auch Verwahrungsvertrages enthält und vor allem darauf gerichtet ist, dass Speisen und Getränke gegen Entgelt in einer bestimmten Räumlichkeit konsumiert werden. Hier liegt eine telefonische und anschließend auch schriftlich bestätigte Rservierung eines Tisches für einen bestimmten Zeitpunkt vor. Diese Reservierungsvereinbarung enthält allerdings keinerlei Abrede über die Art und Menge der zu konsumierenden Speisen und Getränke und damit auch nichts über die Höhe des zu leistenden Entgelts. Es fehlt also an einer Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile des Bewirtungsvertrages. Da ein Vertrag ohne Willenseinigung über die essentialia negotii aber nicht zustande kommt, ist in der vorliegenden Reservierungsvereinbarung kein Abschluß eines Bewirtungsvertrages zu sehen. Ein Erfüllungsanspruch auf Zahlung kann sich daraus folglich nicht ergeben.

II. Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280I,311I,241II,249S.1 BGB

Möglicherweise könnte aber B dem K gemäß §§ 280I,311I BGB zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus einem Vorvertrag verpflichtet sein.

1.Bestehen eines Vorvertrages

In der Reservierung eines Restauranttisches lässt sich ohne Hinzutreten weiterer Umstände grundsätzlich kein verbindlicher Vorvertrag auf den späteren Abschluss eines Bewirtungsvertrages sehen. Zwar möchten sich Wirt und Gast mit der Reservierung jeweils die Chance eröffnen, dass es zu einer entgeltlichen Bewirtungsleistung kommt. Fehlt es jedoch wie hier vollständig an einer Konkretisierung der zu erbringenden Leistungen, ist eine rechtliche Bindung in der Regel nicht gewollt.

2. Ergebnis

Ein Anspruch aus §§ 311I,241 II BGB scheidet mithin aus.

III. Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280I,311IINr.1,241II,249S.1 BGB

Möglicherweise ist B eine culpa in contrahendo (c.i.c.) vorzuwerfen, aslo die Verletzung einer vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht.

1. Schuldverhältnis nach § 311 II Nr.1 BGB

Gemäß § 311 II Nr.1 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten aus § 241 II BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Die Reservierung eines Restauranttisches ist ein Vorbereitungsakt zum späteren Abschluss eines Bewirtungsvertrages und dient seiner Anbahnung. Durch die vorliegende Reservierungsvereinbarung ist also ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 II BGB entstanden.

2.Pflicht aus § 311 II Nr.1 BGB

Fraglich ist nun, ob B eine hieraus resultierende Pflicht verletzt hat. Eine der wichtigsten Fallgruppen der c.i.c. liegt in dem grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen, wenn der Eindruck eines sicheren Vertragsschlusses erweckt wurde. Ob hier ein derartiger Fall vorliegt, ist zweifelhaft, da B nach dem Zerwürfnis mit seiner Tochter einen trifftigen Grund hatte, auf das gemeinsame Essen zu verzichten und vom Abschluß des ursprünglich geplanten Bewirtungsvertrages Abstand zu nehmen.

3. Pflicht aus §§ 311II,241II BGB

Eine Pflichtverletzung im Sinne der c.i.c. ist  nicht nur bei grundlosem Abbruch der Vertragsverhandlungen gegeben. Gemäß §§ 311II,241II BGB ist allgemein auf die Interessen der Gegenseite Rücksicht zu nehmen, was im Einzelfall auch dazu verpflichten kann, die Entscheidung über die Abstandnahme vom Vertragsschluss der Gegenseite zur Kenntnis zu bringen, wenn diese daraufhin entsprechend umdisponieren muss. Insoweit ist hier besonders zu beachten, dass in dem Restaurant des K Tische üblicherweise nur gegen Reservierung vergeben werden und mit Zufallskundschaft, an die ein ursprünglich reservierter Tisch notfalls vergeben werden könnte, grundsätzlich nicht zu rechnen ist. Angesichts dessen durfte K darauf vertrauen, dass B für den Fall seiner Verhinderung rechtzeitig die Reservierung absage, damit der Platz im Restaurant noch anderweitig vergeben werden könnte. Indem B die Reservierung aber nicht in dem Moment stornierte, als er sich zum Nichterscheinen entschloss, hat er die berechtigten und für ihn erkennbaren Interessen des B missachtet und eine Rücksichtnahmepflicht im Sinne des § 24 II BGB schuldhaft -mindestens fahrlässig nach § 276II BGB- verletzt.

4. Rechtsfolge: Schadensersatz

Fraglich ist die Höhe des dem Grunde nach gegebenen Schadensersatzanspruchs. Der durch die nicht erfolgte Stornierung der Reservierung verursachte Schaden könnte darin liegen, dass K den D nicht bewirten konnte und ihm daraufhin nach eigener -als zugestanden anzusehender- Darstellung ein Gewinn in Höhe von 4×35.- Euro (140.-Euro) entgangen ist. Möglicherweise ist der ersatzfähige Schaden aber auch nur darin zu sehen, dass B nicht verabredungsgemäß mit seiner Tochter am Freitagabend zum Essen erschienen ist und K so ein Gewinn in Höhe von 2×35.- Euro (70.- Euro) entging.

a.) Grundsätzlich negaives Interesse

Der Schadensersatz wegen c.i.c. richtet sich nach § 249 I BGB und ist grundsätzlich auf das so genannte negative Interesse gerichtet: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte, wenn er also nicht auf das Zustandekommen des geplanten Geschäfts vertraut hätte (daher auch sog. Vertrauensschaden). Hätte er ohne das schädigende Verhalten einen günstigeren Vertrag mit einem Dritten geschlossen, wird ebenfalls der insoweit entgangene Gewinn erfasst.

b.) Begrenzung durch Erfüllungsinteresse

Als die c.i.c. allerdings noch kein gesetzlich normiertes Rechtsinstitut war, sondern über eine Analogie zu den §§ 122,179,307 BGB hergeleitet wurde, war umstritten, ob das positive Interesse (auch Erfüllungsinteresse) das negative Interesse begrenze. Bei Ersatz des Erfüllungsinteresses ist der Geschädigte so zu stellen, wie er bei vertragsgemäßer Leistung gestanden hätte.

aa.) Befürwortende Ansicht

Für diese Art der Begrenzung wurde angeführt, dass der Geschädigte nicht besser stehen dürfe, als er bei Abschluss und ordnungsgemäßer Erfüllung des in Aussicht genommenen Vertrages gestanden hätte. Demgegenüber wurde betont, dass es für eine solche Begrenzung an einer Regelung fehle, wie sie in § 122 I, 179 II, 307 BGB a.F. für die dortigen Fälle getroffen sei. Dieses systematische Argument mag früher verwundert haben, war doch die Rechtsfigur der c.i.c. insgesamt nicht gesetzlich geregelt.

bb.) Ablehnende Ansicht

Heutzutage aber lässt es sich gegen eine Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse nutzbar machen. Denn nach den einschlägigen §§ 280I,311II,241I BGB ist der durch die Pflichtverletzung entstehende Schaden zu ersetzen, wobei die Absätze 2 und 3 von § 280 BGB lediglich für Verzögerungsschäden und für den Schadensersatz statt der Leistung Einschränkungen enthalten.

cc.) Stellungnahme

Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Weitere Begrenzungen wie bei §§ 122I,179II BGB sind gerade nicht vorgesehen, so dass eine Höhenbeschränkung vom Gesetz offensichtlich nicht gewollt ist. Im Übrigen kann in einer Konstellation wie der vorliegenden ja gerade nicht davon die Rede sein, dass der Gläubiger der Rücksichtnahmepflicht nicht mehr als die Erfüllung des ursprünglich angestrebten Vertrages erwarten durfte. Hätte B sich hier ordnungsgemäß verhalten und rechtzeitig die Reservierung storniert, wäre kein Bewirtungsvertrag zwischen ihm und K geschlossen worden, sondern zwischen K und D mit der Folge eines behaupteten Gewinns von 140.-Euro. Nach alledem ist der Schaden also in Höhe von 140.- Euro maßgebend.

IV.Ergebnis

K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 140.- Euro.

Anmerkung

Zu dem Thema dieser Klausur kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden.

Eine Übersicht aller aktuellen Beiträge und Klausurfälle findet man unter „Artikel“.

siehe auch: Pflichtverletzung nach § 280 I BGB beim Kauf

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB – Klausurfall c.i.c. auf unserer Website Jura Individuell.

Gewillkürte Prozessstandschaft – Klausurfall

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Fall

E ist Eigentümer eines Grundstücks mit der Flur-Nr.64. Aus historischen Gründen besteht das im Grundbuch als Einheit eingetragene Grundstück aus zwei Teilgrundstücken, die im Kataster als 64/1 und 64/2 bezeichnet sind.

N (der unmittelbare Nachbar des E) wollte das neben seiner Garage gelegene Teilgrundstück 64/2 erwerben. Darüber wurde im Jahre 2004 ein privatschriftlicher Tauschvertrag zwischen E und N geschlossen. Seither nutzt N das Grundstück 64/2 als Autostellplatz, hat es mit einer kleinen Mauer umgeben, die auch sein eigenes Grundstück umfasst, und zusammen mit seinem eigenen Grundstück einheitlich rot gepflastert. Im Tauschwege nutzte E seither eine kleine Teilfläche von N.

Im Jahre 2007 verkaufte und übereignete E sein Grundstück Nr.64 an den Erwerber B in notarieller Form. Vorher hatten E und B das Grundstück besichtigt, das mit Ausnahme der Teilfläche 64/2 einheitlich grau gepflastert ist, um den B über den Zustand des Grundstücks, dessen Lage und ungefähre Größe zu unterrichten. B wurde noch im Jahre 2007 in das Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks Flur-Nr. 64 eingetragen. Als N dies erfuhr, machte er E Vorhaltungen im Hinblick auf den zwischen E und N praktizierten Tausch und erinnerte E daran, dass dieser ihm das Eigentum an dem Teil 64/2 zugesagt habe. E entgegnete, er habe das Teilstück 64/2 selbstverständlich nicht mit verkaufen und übertragen wollen, und bot N deshalb ausdrücklich an, dass dieser alle Rechte gegenüber B gerichtlich geltend machen darf.

Nunmehr klagt N gegen B vor dem zuständigen Gericht. Er macht geltend, B müsse dem E das Grundstück 64/2 in grundbuchmäßiger Hinsicht „zurückgeben“, aus welchem Rechtsgrund auch immer.

Wie wird das Gericht über die Zulässigkeit der Klage entscheiden ?

Lösung

Das angerufene Gericht wird die Zulässigkeit der von N eingereichten Klage prüfen.

A. Zulässigkeit

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen ausschließlich in Hinblick auf den notwendigen Klageinhalt gemäß § 253 II Nr.2 ZPO sowie bzgl. der Prozessführungsbefugnis des N.

I. Notwendiger Inhalt der Klageschrift

Damit durch Zustellung des Schriftsatzes gemäß § 261 I iVm. § 253 I ZPO Rechtshängigkeit eintritt, muss die Klageschrift den innhaltlichen Anforderungen des § 253II ZPO genügen, insbesondere gemäß § 253 II Nr.2 ZPO einen bestimmten Antrag aufweisen, sowie den Gegenstand und Grund des Anspruchs in bestimmter Form angeben.

1.Bestimmter Antrag

Indem N die „Rückgabe“ des Teilgrundstücks 64/2 an E in grundbuchmäßiger Hinsicht begehrt, stellt er zwar einen Antrag, der nach zulässiger Auslegung eindeutig auf Berichtigung der Grundbuchlage an dem Teilgrundstück 64/2 gerichtet und daher hinreichend bestimmt iSv. § 253 II Nr.2 ZPO ist.

2. Bestimmtheit von Klagegegenstand und Klagegrund

Jedoch ist angesichts der Berufung des N auf jedweden in Betracht kommenden Rechtsgrund fraglich, ob die Angabe von Gegenstand sowie Grund des erhobenen Anspruchs den Bestimmheitsanforderungen genügt. Gegenstand i.S.v. § 253 II Nr.2 ZPO ist nicht das gegenständliche Objekt der Klage, sondern der zugrundeliegende Lebenssachverhalt., aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Anspruchsgrund). Sobald N die eigentumsrelevanten Vorgänge am Teilgrundstück 64/2 in tatsächlicher Hinsicht darlegt, gibt er demnach Gegenstand und Grund des Anspruchs hineichend bestimmt an. Rechtliche Qualifizierungen, etwa die Benennung einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage, sind demnach wegen des Grundsatzes „iura novit curia“ entbehrlich.

3.Ergebnis

Mithin genügt die Klageschrift des N den Anforderungen des § 253 II ZPO.

II. Prozessführungsbefugnis des N

Angesichts der unterbliebenen Übereignung des Teilgrundstücks 64/2 an N macht dieser mit der Berufung auf eine eigentumsrechtliche Position erkennbar ein Recht des E geltend und zwar nicht als dessen Vertreter, sondern im eigenen Namen, so dass seine Prozessführungsbefugnis in Frage steht. Prozessführungsbefugt ist neben dem Inhaber der Sachbefugnis über ein Recht derjenige, dem das materielle Recht bzw. das Prozessrecht die Wahrnehmung fremder Rechtsinteressen im eigenen Namen gestattet (sog. gesetzliche Prozessstandschaft) oder der von Sachbefugten zulässigerweise dazu ermächtigt worden ist (sog. gewillkürte Prozessstandschaft).

Eine gesetzliche Prozessstandschaft des N kommt nicht in Betracht.

Fraglich ist demgegenüber, ob E den N durch Rechtsgeschäft zum Prozessstandschafter bestellt hat. Die allgemein anerkannte gewillkürte Prozessstandschaft ist in der ZPO nicht grundlegend geregelt. Um Popularklagen zu vermeiden, verlangen Rechtsprechung und Literatur als Wirksamkeitsvoraussetzungen, dass der Sachbefugte einen Dritten zur Prozessstandschaft ermächtigt und dieser Dritte ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessstandschaft hat.

1. Ermächtigung durch den Sachbefugten

Indem er dem N anbot, dass dieser alle Rechte gegenüber B gerichtlich geltend machen darf, könnte E den N rechtsgeschäftlich zur Prozessstandschaft ermächtigt haben. Zwar gestattet E dem N nicht ausdrücklich eine Prozessführung im eigenen Namen, so dass seine Erklärung auf eine Klageerhebung des N in fremden Namen, also eine Bevollmächtigung zur Prozessvertretung, gerichtet sein könnte. Dagegen sprechen jedoch die für die Auslegung gemäß §§ 133,157 BGB heranzuziehenden Begleitumstände im Vorfeld der Willenserklärung. Zu diesem Zeitpunkt sah sich E mit den Vorhaltungen des N konfrontiert, der nach erfolgtem Geländetausch und Durchführung baulicher Maßnahmen auf fremden Grund ein -für E erkennbares- wirtschaftliches Interesse an der Nutzung und dem künftigen Erwerb des Teilgrundstücks 64/2 hatte. Nach dem objektivierten Empfängerhorizont (§§ 133,157 BGB) war die Gestattung durch E daher jedenfalls nicht als Bevollmächtigung zur Prozessvertretung zu verstehen.

Weiterhin ist fraglich, ob die Gestattung durch E ein Angebot auf Abtretung (§ 398 BGB) eines etwaigen Anspruchs auf Beseitigung der Buchposition des Erwerbers B darstellt, welches N mit Klageerhebung konkludent (sowie gemäß § 151 S.1 BGB) angenommen haben könnte. Dem könnte bereits entgegenstehen, dass ein solcher, unmittelbar aus dem Eigentum erwachsener dinglicher Anspruch nach heute ganz überwiegender Ansicht nicht abtretbar ist. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, weil E erkennbar eine Beseitigung der vorhandenen Buchposition des B zu seinen eigenen Gunsten verfolgt, um anschließend der -wegen Formnichtigkeit des Grundstückstauschvertrages gemäß § 311 b I S.1,125 S.1 BGB rechtlich unverbindlichen- Zusage auf Eigentumsverschaffung gegenüber N nachzukommen. Demnach scheidet ein Angebot des E auf Abtretung seines etwaigen Anspruchs ohnehin aus.

Die Gestattung des E ist somit als Ermächtigung zur Prozessstandschaft auszulegen und beurteilt sich als einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Sachbefugten und formlose Prozesshandlung in ihrer Wirksamkeit nach § 185 I BGB analog. Die dem N mündlich erteilte Einwilligung in die gerichtliche Geltendmachung von Rechten des E im eigenen Namen ist damit eine grundsätzlich taugliche rechtsgeschäftliche Ermächtigung zur Prozessstandschaft. Zweifelhaft ist allerdings, ob die Ermächtigung hinsichtlich des in Frage stehenden Grundbuchberichtigungsanspruches aus § 894 BGB ihre prozessrechtliche Wirkung entfaltet. Nach heute in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegender Auffassung ist der Anspruch aus § 894 BGB nicht isoliert abtretbar. Auf das Verfahrensrecht übertragen, könnte dieser materiellrechtliche Befund einer Geltendmachung des Grundbuchberichtigungsanspruchs im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft entgegenstehen. Nach allgemeiner Meinung soll der Ausschluss der selbständigen Abtretbarkeit die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch einen gewillkürten Prozessstandschafter allerdings nicht hindern. Für eine wirkame Ermächtigung zur Prozessstandschaft sei eine Abtretbarkeit des Rechts selbst nicht erforderlich. Es genüge vielmehr, dass die Rechtsausübung überlassungsfähig ist. Gerade weil im materiellen Recht eine Abspaltung des untrennbar mit dem Eigentum als Stammrecht verbundenen dinglichen Anspruchs ausscheidet, besteht ein praktisches Bedürfnis für die Geltendmachung dinglicher Ansprüche im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft. Im Unterschied zu einer -nach ganz überwiegender Auffassung unzulässigen- Vollstreckungsabtretung des Anspruches aus § 894 BGB verbleibt dem Sachbefugten bei der gewillkürten Prozessstandschaft auch nicht bloß nacktes Eigentum, weil er die Ermächtigung gemäß § 185 I BGB analog jederzeit widerrufen kann.

Daher ist die prozessuale Rechtsausübung hinsichtlich des Grundbuchberichtigungsanspruches überlassungsfähig, so dass E den N wirksam zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt hat.

2. Schutzwürdiges rechtliches Interesse des Prozessstandschafters

Ferner müsste N ein schutzwürdiges rechtliches Eigeninteresse an der gerichtlichen Geltendmachung von Rechten des E haben. Rein persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Klägers reichen nicht aus.

a.) Rechtliches Interesse des N

Ein rechtliches Interesse an der „grundbuchmäßigen Rückgabe“ des Teilgrundstücks 64/2 an E könnte sich für N aus dem Geländetauschvertrag sowie aus der Nutzung des Grundstücks zu eigenen Zwecken ergeben.

Ob der gemäß § 311 b I S.1, 125 S.1 BGB formnichtige Tauschvertrag (§ 480 BGB) aus dem Jahre 2004 ein rechtliches Interesse des N begründet, ist jedoch zweifelhaft. Mangels wirksamer schuldrechtlicher Verpflichtung des E i.S.d. §§ 480,433 I S.1 BGB hat N allenfalls eine Aussicht auf künftigen Eigentumserwerb von E. Diese bloße Erwerbschance begründet zwar sein wirtschaftliches Interesse an der Prozessstandschaft, reicht allerdings für ein rechtliches Eigeninteresse nicht aus.

Ein solches könnte sich jedoch aus der Nutzung des Teilgrundstücks 64/2 durch N ergeben, soweit diesem Gebrauch eine vertragliche Abrede zugrundeliegt. Obwohl der privatschriftliche Vertrag über den Geländetausch aus dem Jahre 2004 im Hinblick auf eine Verpflichtung zur Übergabe und Eigentumsverschaffung formnichtig ist, könnte er zumindest eine wirksame Nutzungsabrede beinhalten. Das E und N mit dem Geländetausch jedenfalls eine wechselseitige Gebrauchsgewährung, d.h. zwei Mietverträge mit Entgeltleistung in Form der Gebrauchsüberlassung vereinbaren wollten, legt schon die Beutzung der fremden Teilfläche durch den jeweiligen Nachbarn im Anschluß an den Vertragsschluss nahe. Ob sich diese wechselseitige Nutzungsabrede aus dem privatschriftlichen Taschvertrag im Wege der Auslegung (§§ 133,157 BGB) oder der Umdeutung (§ 140 BGB) ergibt, kann dahinstehen. Jedenfalls hat N als obligatorisch Nutzungsberechtigter an der Teilfläche 64/2 eine taugliche Rechtsstellung inne.

Aus dieser Nutzungsberechtigung müsste sich ein rechtliches Interesse daran ergeben, die Buchposition des B als eingetragener Eigentümer mit einer Klage im eigenen Namen anzugreifen. Ob N wie E ein rechtliche Interesse an der Geltendmachung „grundbuchmäßiger Rückgaberechte“ gegen den Erwerber B hat, um beispielsweise den redlichen Erwerb durch einen Dritten gemäß § 892 I 1 BGB zu verhindern, ist zweifelhaft. Jedenfalls könnte das rechtliche Interesse des N darin bestehen, mit der Grundbucheintragung zugleich deren Legitimationswirkung zugunsten des Buchberechtigten B zu beseitigen. Auf diese Weise wäre N in der Lage, eine drohende Inbesitznahme des Teilgrundstücks 64/2 durch B zu verhindern. Die Gefahr einer faktischen Störung des Nutzungsrechts durch den Buchberechtigten B begründet demnach ein hinreichendes rechtliches Eigeninteresse des Prozessstandschafters N.

b.)Schutzwürdigkeit des rechtlichen Interesses

Sein rechtliches Eigeninteresse müsste demnach schutzwürdig sein. Die Schutzwürdigkeit scheidet insbesondere aus, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung unbillig benachteiligt würde. Dafür, dass B als Beklagter durch die Klägereigenschaft des N unbillige Nachteile erleidet, ist nichts ersichtlich. Insbesondere ist B gegen die Gefahr, nicht nur von N, sondern auch von E mit einem Prozess überzogen zu werden, durch die Einrede der Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr.1 ZPO) sowie -nach rechtskräftigem Abschluss eines Prozesses- durch die Einrede der Rechtskraft hinreichend geschützt.

Mithin hat N ein schutzwürdiges rechtliches Eigeninteresse an der Geltendmachung der Rechte des E im eigenen Namen.

3. Ergebnis

N ist demnach prozessführungsbefugt.

B. Ergebnis

Die Klage des N ist somit zulässig.

C. Anmerkung

Zu dem Thema dieses Falles kann jederzeit ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Für eine Übersicht aller aktuellen Aufsätze und Klausur-Fälle siehe unter „Artikel“.

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Klausur Globalzession

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Fall

Das Zementwerk Z liefert dem Baustoffgroßhändler H aufgrund eines Kaufvertrages vom 01.04.2002 100 Sack Zement unter verlängertem Eigentumsvorbehalt. H veräußert die Ware am 01.07.2002 zum Preis von 125.000 Euro weiter an B, der den Zement für den Bau einer Terasse an seinem Haus benötigte.

Als H in Schwierigkeiten kommt, verlangt Z unter Hinweis auf seinen verlängerten Eigentumsvorbehalt Zahlung von B. Ebenfalls Zahlung verlangt jedoch die Sparkasse S, der H mit Kreditsicherungsvertrag vom 01.04.2000 seine sämtlichen (derzeitigen und künftigen) Außenstände gegenüber Kunden mit den Buchstaben A-K abgetreten hatte, sowie der Factorbank F, der H ein Jahr später, nämlich durch Vereinbarung vom 01.04.2001, ebenfalls alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen derselben Buchstabengruppe abgetreten hatte. Im Rahmenvertrag zwischen F und H war vereinbart worden, daß F dem H jeweils 88% des Nennwertes der abgetretenen Forderung sofort und endgültig zur Verfügung zu stellen hatte, so daß insbesondere das Insolvenzrisiko des B bei F lag. Eine entsprechende Zahlung von F ist an H erfolgt.

1. Wem steht die ursprüngliche Forderung des H gegen B jetzt zu ?
2.Wie wäre die Frage zu beurteilen, wenn die Abtretung von H an F erst am 01.06.2002 erfolgt ?

Lösung

Frage 1: Wem steht die Forderung des H gegen B zu ?

Im vorliegenden Fall geht es um die Kollision von drei konkurrierenden Vorausabtretungen. Zur Beantwortung der Rechtsfrage, wem die ursprüngliche Forderung des H gegen B zusteht, muss grundsätzlich das Prioritätsprinzip herangezogen werden: die zeitlich frühere Abtretung geht einer späteren Abtretung vor, weil bei dieser dem Zedent die Forderung nicht mehr zusteht. Die Wirksamkeit der Vorausabtretungen wird demnach historisch geprüft.

I. Wirksamkeit der Abtretung an die Sparkasse S am 01.04.2000

Die Forderung des H gegen B aus § 433 II BGB könnte der Sparkasse S zustehen, wenn eine Vorausabtretung zulässig ist und ein wirksamer Abtretungsvertrag zwischen H und S vorliegt.

1.Wirksamer Abtretungsvertrag nach § 398 S.1 BGB

a.) Einigung

Die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Forderung geschieht nach § 398 S.1 BGB durch einen Abtretungsvertrag, d.h. durch eine Vereinbarung zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger, dass die Forderung übertragen werden soll. Eine rechtsgeschäftliche Einigung im Sinne von § 398 S.1 BGB zwischen H und S liegt vor.

b.) Zulässigkeit der Vorausabtretung

Der Abtretungsvertrag zwischen H und S wurde geschlossen, als die Kaufpreisforderung des H gegen B noch nicht entstanden war. Auch eine erst künftig entstehende Forderung kann wirksam im voraus abgetreten werden. Im Zeitpunkt der Abtretung braucht nicht einmal der Rechtsgrund für die Forderung geschaffen sein; es genügt vielmehr, dass das zukünftige Entstehen der Forderung als wahscheinlich angenommen wird. Wirksam wird die Abtretung jedoch erst mit der Entstehung der Forderung. Denn erst dann lässt sich die Anordnung nach § 398 S.2 BGB verwirklichen, dass mit dem Abtretungsvertrag der Neugläubiger an die Stelle des Altgläubigers treten soll.

c.) Bestimmtheitserfordernis

Besondere Bedeutung erlangt das Erfordernis der Bestimmtheit bei sogenannten Vorausabtretungen. Die abzutretende Forderung muss, wie jeder Gegenstand einer Verfügung, bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Es steht dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Abtretungserklärung die Person des zukünftigen Schuldners noch nicht bezeichnet werden kann. Eine Abtretung genügt dem Bestimmtheitserfordernis, wenn die abzutretende Forderung spätestens zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bestimmbar ist. H und S haben sich darauf geeinigt, dass sämtliche „Außenstände“ -gemeint sind damit sämtliche offenen Geldforderungen- der Buchstabengruppe A-K an S im Wege der Globalzession abgetreten werden sollen. Somit genügt der Abtretungsvertrag dem Bestimmtheitserfordernis, da eine Forderung des H mit dem Zeitpunkt ihres Entstehens eindeutig zugeordnet werden kann.

2. Nichtigkeit der Abtretung wegen Verleitung zum Vertragsbruch

Die Globalzession könnte nach § 138 I BGB sittenwidrig sein, wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt des Z dieselbe Forderung des H gegen K umfassen würde. Bei der Kollision der Globalzession mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt würde der Grundsatz der Priorität die Globalzession begünstigen, während der Zedent durch die zeitlich frühere Globalzession zu vertragsuntreuem Verhalten gegenüber dem späteren Lieferanten gezwungen wird.

Die Globalzession zugunsten der S vom 01.04.2000 könnte aufgrund der Priorität in Konflikt stehen mit dem am 01.04.2002 mit Z vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt. Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt bedeutet, dass sich der Verkäufer das Eigentum an der Ware vorbehält, jedoch den Käufer ermächtigt, diese im ordentlichen Geschäftsverkehr zu veräußern, bevor sie bezahlt ist. Aus dem Erlös, der durch den Weiterverkauf erzielt wird, soll der Käufer seine Schuld gegenüber dem Verkäufer tilgen. Der Eigentumserwerb des Dritten hat zur Folge, dass der Verkäufer das Eigentum verliert. Die Vertragsparteien vereinbaren deshalb, dass der Käufer schon beim Abschluss des Vertrages die künftige Kaufpreisforderung gegen den Dritten abtritt. Diese Vorausabtretung erfolgt ohne ihre Offenlegung gegenüber dem Dritten als Schuldner der abgetretenen Forderung. Dieser kann also befreiend an den Käufer zahlen. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist grundsätzlich nicht sittenwidrig und verstößt nicht gegen § 307 BGB, solange nicht ein Fall der Übersicherung vorliegt.

Z hat dem H die 100 Zementsäcke unter verlängertem Eigentumsvorbehalt verkauft; es besteht somit ein Konflikt zwischen der früheren Globalzession an die Sparkasse S und der späteren Sicherungsabtretung der Forderung gegen B an Z.

Zu prüfen ist daher, ob die Globalzession gemäß § 138 BGB nichtig ist.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen der Käufer einer Ware sowohl auf den Kredit seines Lieferanten als auch auf den Kredit von Banken angewiesen ist. Den Banken ist bekannt, dass der Käufer die Ware von seinen Lieferanten nur unter verlängertem Eigentumsvorbehalt erhält, also gezwungen ist, die frühere Globalzession zu verschweigen. Die Bank beteiligt sich daher durch die Globalzession an künftigen Vertragsbrüchen des Käufers gegenüber dem Verkäufer. Eine derartige Beteiligung macht die Globalzession sowohl objektiv als auch subjektiv gemäß § 138 BGB nichtig.

Daher ist die Globalzession wegen der Verleitung zum Vertragsbruch nichtig, soweit sie sich auf Forderungen erstreckt, die vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst werden.

Sollte sich S schuldrechtlich verpflichtet haben (oder nunmehr dazu bereit sein) dem Lieferanten gegenüber auf die Globalzession zu verzichten oder ihm den Erlös herauszugeben, wenn ihr nachgewiesen wird, dass die Forderung, die ihr global abgetreten ist, dem Lieferanten aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zusteht, führt dies nicht zur Ausschließung des § 138 BGB.

Demzufolge ist die Globalzession wegen Verleitung zum Vertragsbruch nach § 138 I BGB nichtig.

II. Wirksamkeit der Abtretung an die Factorbank F am 01.04.2001

1. Wirksamer Abtretungsvertrag nach § 398 S.1 BGB

Es liegt auch hier eine Einigung vor, alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Buchstabengruppe A-K an die Factorbank abzutreten. Bezüglich der Zulässigkeit einer Vorausabtretung und der Bestimmbarkeit der Forderung wird auf die Ausführungen bei der Globalzession an die Sparkasse S verwiesen. Die Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung nach § 398 S.1 BGB sind gegeben.

2. Nichtigkeit wegen Verleitung zum Vertragsbruch nach § 138 I BGB

Auch zwischen der Globalzession an die Factorbank und dem verlängerten Eigentumsvorbehalt besteht eine Kollisionslage, welche nach dem Prioritätsprinzip grundsätzlich die Globalzession an die Factorbank begünstigen würde. Die Globalzession an die F wäre nach § 138 I BGB wegen der Verleitung zum Vertragsbruch nichtig, wenn die Globalzession an eine Factorbank dieselben Rechtsfolgen auslösen würde wie die oben dargestellte Globalzession an die Sparkasse S.

a.) Factoring

Das Factoring ist ein Rechtsinstitut, das gesetzlich nicht geregelt ist. Beim Factoring tritt ein Unternehmer seine gesamten (künftigen) Forderungen gegen seine Abnehmer an den Factor in einem Rahmenvertrag ab. Die Abtretung erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, dass zwischen dem Unternehmer und dem Factor ein Kaufvertrag über diese Forderung zustande kommt. Der Unternehmer verpflichtet sich, dem Factor alle Forderungen (aus den Kaufverträgen über die Ware mit seinen Abnehmern) zum Kauf anzubieten. Nimmt der Factor das Angebot an, so wird der Kaufvertrag über die Forderungen hierdurch abgeschlossen. Der Vorteil des Unternehmers liegt beim Factoring darin, dass er den Kaufpreis, den der Factor für die angekaufte Forderung zu zahlen hat – mit einem Abschlag – sofort erhält, während sein Abnehmer den Kaufpreis erst nach 30 oder 60 Tagen zu zahlen braucht.

Bei der Frage, ob auch bei der Globalzession an eine Factorbank die „Vertragsbruchtheorie“ anwendbar ist, muss zwischen sogenannten echtem und unechtem Factoring unterschieden werden.

aa.) echtes Factoring

Beim echten Factoring trägt der Factor das Risiko, dass die an ihn abgetretene Forderung wegen Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Schuldners nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung und nach einem Rechtsstreit durchgesetzt werden kann.

bb.) unechtes Factoring

Beim unechten Factoring verbleibt dieses Risiko bei dem Unternehmer.

cc.) Ergebnis

Im vorliegenden Fall liegt gemäß der vertraglichen Vereinbarung das Insolvenzrisiko des B bei F, es handelt es sich hier somit um echtes Factoring.

b.) Anwendbarkeit Vertragsbruchtheorie

Es ist fraglich, ob auch beim echten Factoring die „Vertragsbruchtheorie“ anzuwenden ist. Auch hier wird der Käufer dem Verkäufer die  Globalabtretung an die Factoring-Bank nicht mitteilen. Anders als bei der Globalzession an die Bank, erhält beim echten Factoring der Käufer sofort den Kaufpreis, den er an seinen Verkäufer abführen kann. Es ist nicht anders, als wenn der Vorbehaltsverkäufer den Kaufpreis unmittelbar und sofort von seinem Käufer erhalten hätte. Zu bedenken ist hier jedoch, dass der Vorbehaltskäufer nicht den vollen Kaufpreis von der Factoring-Bank erhält. Allerdings wird dieser Abschlag in der Regel niedriger sein, als der Gewinn, den der Vorbehaltskäufer aus dem Verkauf erzielt. Von daher könnte auch die Einziehungsermächtigung, die der Vorbehaltsverkäufer dem Vorbehaltskäufer erteilt hat, die Abtretung der Forderung an die Factorbank mit umfassen, so dass insoweit überhaupt kein Konfliktfall vorliegen kann. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt schützt den Vorbehaltslieferanten nicht vor einer abredewidrigen Verwendung des Geldes, so dass die Rechtsstellung sich durch das echte Factoring nicht verschlechtert.

Vorliegend haben sich H und F darauf geeinigt, dass F dem H jeweils 88% des Nennwertes der abgetretenen Forderung sofort und endgültig zur Vefügung zu stellen hatte.  Insbesondere das Insolvenzrisiko des Schuldners sollte nach der Vereinbarung bei F liegen. Demnach liegt ein Fall des sogenannten echten Factorings vor. F hat dem H auch tatsächlich 88% der Forderung des H gegen B zur Verfügung gestellt. Da die Globalzession an die F nach allen genannten Auffassungen wirksam ist, bedarf der dargestellte Streitstand keiner abschließenden Stellungnahme.

III. Ergebnis

Die Globalzession an die Factorbank F wird als sogenanntes echtes Factoring nach dem Prioritätsprinzip behandelt. Demnach geht die Faktorzession dem zwischen Z und H vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt vor. Die Forderungen des H gegen B stehen der F zu.

Frage 2: Rechtslage, wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt zeitlich vor der Factorzession vom 01.06.2002 vereinbart wird.

Da der verlängerte Eigentumsvorbehalt vom 01.04.2002 der Abtretung der Forderung an die Factorbank am 01.06.2002 zeitlich vorrangig vereinbart worden ist, geht er grundsätzlich der Factorzession vor.

1.Auslegung des verlängerten Eigentumsvorbehalts

In der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts wird konkludent erklärt, dass der Vorbehaltskäufer berechtigt sein soll, die Forderungen gegen den Schuldner im eigenen Namen einzuziehen. Zu prüfen ist, ob die Einziehungsermächtigung auch die Abtretung der Forderung an eine Factorbank umfasst. Für die Beantwortung dieser Frage müssen die Eigenarten des echten Factoring betrachtet werden. Bei einem verlängertem Eigentumsvorbehalt trägt der Warenlieferant im Innenverhältnis das Risiko, dass sich der Ermächtigte vertragstreu verhält.

Maßgebliches Argument dafür, dass die Einzungsermächtigung des H auch die Abtretung der Forderung an eine Factorbank erfasst, ist die Tatsache, dass dem Vorbehaltskäufer im Rahmen des echten Factoring hier 88% des Forderungsbetrages sofort und zwar regelmäßig lange bevor der Anspruch gegenüber dem Zweitkäufer fällig wird, bezahlt werden. Demzufolge ist die Gegenleistung des echten Factoring nicht anders zu bewerten als eine entsprechende Zahlung des Zweitkäufers selbst.

2.Ergebnis

Der verlängerte Eigentumsvorbehalt wäre grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip vorrangig gegenüber der Globalzession an die Factorbank. Die Einziehungsermächtigung umfasst auch die Verwertung der Forderung gegen den Zweitkäufer durch eine Factorglobalzesson. Die Rechtsstellung des Vorbehaltsverkäufers wird durch das echte Factoring nicht beeinträchtigt. Demzufolge steht die Forderung des H gegen B der Factorbank zu. Diese stellt als Gegenleistung dem H 88% des Nennwertes der Forderung gegen B zur Verfügung. Damit kann der Warenlieferant befriedigt werden.

Anmerkung

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siehe auch Klausur Forderungsabtretung

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Klausur Werkunternehmerpfandrecht

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Fall

G gewährte S am 25.01.2002 einen Kredit über 10.000.- Euro. Die Darlehenssumme einschließlich der vereinbarten Zinsen sollte in monatlichen Raten von 200 Euro ab 01.03.2002 zurückgezahlt werden. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruches übereignete S dem G seinen PKW VW. S sollte nach den getroffenen Absprachen berechtigt sein, den PKW weiter zu nutzen, solange er seinen Rückzahlungspflichten nachkam. Etwa erforderliche Wartungs- oder Reparaturarbeiten sollte er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vornehmen lassen.

Im Mai 2002 hatte S mit dem PKW einen Unfall, bei dem das Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Er gab das Auto deshalb in die Werkstatt des U, der den S für den Eigentümer hielt. Dort wurde der Wagen repariert. U stellte dafür 3.400.- Euro in Rechnung. Davon bezahlte S allerdings keinen Cent. U gab den Wagen deshalb nicht heraus, sondern erwirkte Anfang September 2002 gegen S einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid in Höhe von 3.400.- Euro. Aufgrund dieses Vollstreckungsbescheides wurde der PKW in der Werkstatt des U von dem Gerichtsvollzieher am 07.10.2002 gepfändet und am 20.10.2002 zwangsversteigert. Pfändung und Versteigerung erfolgen ordnungsgemäß. U ersteigerte den Wagen selbst und erhielt den Zuschlag für 3.500.- Euro, wovon 100 Euro auf die Versteigerungskosten entfielen. U zahlte 100 Euro bar, im übrigen erfolgte eine Verrechnung mit der im Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung. Sodann wurde der Wagen dem U überlassen.

Ab November 2002 stellte S auch die Zahlung der Darlehensraten an G ein. Daraufhin verlangte G von S den sicherungsübereigneten PKW heraus und erfuhr von den Ereignissen der letzten Monate. Er wandte sich deshalb an U, der aber jegliche Forderung zurückwies.

G möchte nunmehr wissen,

1. ob er von U den VW heraus verlangen kann (Berarbeitervermerk: Gehen Sie mit der h.M. davon aus, daß das Eigentum an einer ordnungsgemäß zwangsversteigerten Sache in jedem Fall mit der „Ablieferung“ an den Erwerber kraft Gesetzes übergeht).

2. ob und ggf. in welcher Höhe ihm gegen U Zahlungsansprüche zustehen. G vertritt insoweit die Ansicht, U müsse ihm den Versteigerungserlös in Höhe von 3.500.- Euro herausgeben, ohne von diesem Betrag die Versteigerungskosten oder gar die Kosten der Reparatur abziehen zu können.

Lösung

A. Ansprüche auf Herausgabe bzw. Übereignung des Wagens

I. aus §§ 681 S.2, 667 BGB

Da U beim Erwerb des PKW allein im Eigeninteresse handelte, scheidet ein solcher Anspruch mangels Vorliegens eines Fremdgeschäftsführungswillens aus.  Da U von seiner fehlenden Berechtigung nicht wußte scheidet auch eine angemaßte Eigengeschäftsführung gem. § 687 II S.1 BGB aus.

II. aus § 985 BGB

Für einen möglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB müßte G Eigentümer des PKW sein. Da der VW ordnungsgemäß versteigert und U auch ausgehändigt worden ist, ist das Eigentum kraft Gesetzes nach § 817 II ZPO auf U übergegangen. G hat gegen U keinen Vindikationsanspruch aus § 985 BGB.

III. aus § 812 I S.1, 2.Alt. BGB

G könnte jedoch gegen U ein Anspruch auf Übereignung des Wagens aus § 812 I S.1, 2.Alt. BGB zustehen. Hierfür müßte U das Eigentum am Wagen rechtsgrundlos auf Kosten des G erlangt haben. Der Eigentumserwerb des U geschah hier jedoch in der Zwangsvollstreckung durch vollstreckungsrechtlichen Hoheitsakt und somit nicht rechtsgrundlos. Ein Anspruch aus § 812 I S.1, 2.Alt. BGB scheidet damit ebenfalls aus.

IV. § 823 I BGB

In Betracht könnte aber ein deliktsrechtlicher Anspruch auf Übereignung des Wagens kommen. Die Verletzung des Sicherungseigentums durch Pfändung und Versteigerung der schuldnerfremden Sache erfüllt den Tatbestand der unerlaubten Handlung. § 823 I BGB setzt indes Verschulden voraus, und dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Aus dem vorgegebenen Sachverhalt ergeben sich für U keine Anhaltspunkte dafür, daß der VW einem anderen als S gehören könnte. Auch ein deliktischer Anspruch liegt damit nicht vor.

V. Ergebnis

G hat damit keinen Anspruch gegen U auf Herausgabe bzw. Übereignung des Wagens.

B. Anspruch auf Herausgabe des Versteigertungserlöses

aus § 812 I S.1,2.Alt. BGB

I. etwas erlangt

U hat etwas erlangt, nämlich die von § 817 IV S.1 ZPO angeordnete Befreiung von der Barzahlungspflicht.

II. auf dessen Kosten

Diesen Vorteil erlangte U auch auf Kosten des G, weil G den Anspruch auf Zahlung des Versteigerungserlöses durch die Verrechnung mit der titulierten Forderung des U verlor. Da die von U erlangte Zahlungsbefreiung ihrer Beschaffenheit wegen nicht herausgegeben werden kann, ist gemäß § 818 II BGB ihr Wert zu ersetzen, welcher der Höhe des Versteigerungserlöses entspricht.

III. ohne Rechtsgrund

Weiterhin müßte U ohne Rechtsgrund bereichert sein. Die Bereicherung (die Zahlungsbefreiung) erfolgte hier grundsätzlich auch ohne Rechtsgrund, weil materiell-rechtlich kein Anspruch auf Befriedigung aus schuldnerfremdem Vermögen, und damit auch nicht auf die Verrechnung des Erlöses mit ihrer Forderung gegen S, bestand.

Allerdings wäre U dann nicht rechtsgrundlos bereichert, wenn er im Hinblick auf die von ihm erbrachten Reparaturleistungen ein Werkunternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB erworben hätte und deswegen vorrangige Befriedigung aus dem Versteigerungserlös verlangen könnte.

1. Problematisch ist hier, dass sich der reparierte PKW im Eigentum des G befand und damit keine Sache „des Bestellers“ (hier des S) darstellte. Man könnte jedoch erwägen, daß sich G dem U gegenüber dennoch als Besteller behandeln lassen muß, weil er S ermächtigt hatte, den Wagen ggf.  zur Reparatur zu geben. Diese Ermächtigung stellt indes keine Vollmacht dar, da S nur zu Geschäften „im eigenen Namen und auf eigene Rechnung“ befugt war. S handelte damit nicht für G, so daß S und nicht G Vertragspartner des U und damit „Besteller“ war.

2. Jedoch könnte eine analoge Anwendung der §§ 183,185 I BGB in Betracht gezogen werden. Dafür spricht, daß der Sicherungseigentümer (hier: G), da er den Sicherungsgeber (S) durch Vertrag verpflichtet hat, das Fahrzeug reparieren zu lassen, in die Begründung der Situation einwilligt, in der das Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB kraft Gesetzes ensteht. Da diese Situation selbst durch Rechtsgeschäft hergestellt wird, liegt eine entsprechende Anwendung der §§ 183, 185 I BGB nahe. Der Unternehmer hat dann ein Werunternehmerpfandrecht nicht kraft guten Glaubens, sondern deshalb erworben, weil die einer Verpfändung ähnliche Hingabe zur Reparatur durch die Einwilligung des Eigentümers gedeckt ist. Wenn man dieser Ansicht folgt, stünde U ein Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus dem Versteigerungserlös nach § 805 I ZPO zu. Er hätte sodann den Versteigerungserlös mit Rechtsgrund erhalten, so daß ein Bereicherungsanspruch des G entfiele. Gegen diese Ansicht spricht, daß die analoge Anwendung der §§ 183, 185 I BGB auf eine unzulässige Verpflichtungsermächtigung hinausläuft. Hiergegen kann zwar wiederum argumentiert werden, eine Verpflichtungsermächtigung liege deshalb nicht vor, weil gerade der Sicherungseigentümer nicht zur Bezahlung der Reparaturkosten verpflichtet wird. Jedoch will der Sicherungseigentümer gerade nicht, daß seine Sache für die Vergütungsforderung haftet. Die Vorschriften passen daher nicht auf die Enstehung eines gesetzlichen Pfandrechts. eine analoge Anwendung der §§ 183, 185 I BGB ist somit abzulehnen, so daß U kein Werunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB und damit kein Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus dem Versteigertungserlös zusteht.

3. In Betracht kommt jedoch noch ein gutgläubiger Erwerb eines Unternehmerpfandrechts durch U. Bei einem vertraglichen Pfandrecht ist gutgläubiger Erwerb nach §§ 1204, 1205,1207 BGB möglich; ein solches vertragliches Pfandrecht ist aber zwischen U und S nicht vereinbart worden. Ob das gesetzliche Pfandrecht des Werkunternehmers nach § 647 BGB wie ein vertragliches Pfandrecht gutgläubig erworben werden kann, ist fraglich:

Nach § 1257 BGB sind die Vorschriften über ein rechtsgeschäftlich bestelltes Pfandrecht auch auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht anwendbar. Aufgrund der Schutzbedürftigkeit des Werkunternehmers ließe sich vertreten, daß auch der gutgläubige Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts möglich ist. Hiergegen spricht aber der Wortlaut des § 1257 BGB. Gemäß § 1257 BGB finden die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht auf ein kraft Gesetzes „entstandenes Pfandrecht“ Anwendung. Diese Verweisung des § 1257 BGB bezieht sich daher -es ist nur von bereits „entstandenen“ gesetzlichen Pfandrechten die Rede- nicht auf den Entstehungstatbestand des vertraglichen Pfandrechts, also auch nicht auf § 1207 BGB. Dazu kann das Vertrauen auf den Rechtsschein nur im Rahmen von Willensäußerungen Bedeutung erlangen. beim gesetzlichen Pfandrecht fehlt aber eine Erklärung des Verfügenden, der sich als Eigentümer der Pfandsache ausgibt, als weitere und entscheidende Rechtsgrundlage. Dadurch unterscheiden sich der Tatbestand der Bestellung eines Vertragspfandrechts und der Tatbestand der Übergabe einer Sache durch den Besteller an den Werkunternehmer in einem wesentlichen Punkt. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines gesetzlichen Pfandrechts ist damit zu verneinen.

4. U hat demnach kein Werkunternehmerpfandrecht erworben und ist damit rechtsgrundlos bereichert.

IV. Umfang der Bereicherung

Der Umfang der Bereicherung richtet sich nach § 818 BGB.

1. Fraglich ist hier, ob eine Einschränkung des Anspruchsumfanges nach § 818 III BGB in Frage kommt. Hier ist zunächst dier Frage zu erörtern, ob der Brutto- oder der Nettoerlös herauszugeben ist.

Der Bruttoerlös -3500.- Euro- wäre nur dann herauszugeben, wenn der Vollstreckungsgläubiger auch in Höhe der Vollstreckungskosten bereichert sei. Dies wäre dann der Fall, wenn er insoweit die Befreiung einer Verbindlichkeit erlangt hat. Dies könnte gegenüber der Staatskasse der Fall sein. Hiergegen spricht jedoch, daß die Verbindlichkeit des Gläubigers gegenüber der Staatskasse nicht endgültig ist; der Gläubiger muß die Kosten lediglich vorschießen, und im Ergebnis hat der Schuldner die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen, so daß letztlich dieser bereichert ist. Zudem begegnet diese Überlegung Zweifeln hinsichtlich der Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs, sie vermag damit nicht zu überzeugen. Vielmehr handelt es sich bei den Kosten für die Zwangsvollstreckung um mit dem Erwerb unvermeidbar verbundene Aufwendungen des Bereicherungsschuldners. Solche Erwerbskosten sind nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen vom herauszugebenden Beitrag abzuziehen. Danach kann G nur den Nettoerlös der Versteigerung, also 3.400.- Euro geltend machen.

2. Fraglich ist jedoch weiterhin, ob sich aus § 818 III BGB eine Minderung der Bereicherung um den Wert der Reparaturleistungen folgern läßt. Wie oben gesehen, tritt bei der Versteigerung an die Stelle der versteigerten Sache der Versteigerungserlös; die Rechte an der Sache setzen sich im Wege der dinglichen Surrogation gemäß § 1247 S.2 BGB analog an dem Erlös fort. Der Bereicherungsanspruch des G tritt also an die Stelle seines durch die Versteigerung verlorenen Eigentums an dem PKW. Somit kann U als Bereicherungschuldner nicht schlechter gestellt sein, als er zuvor gegenüber G als Eigentümer des Fahrzeugs stand. Daraus folgt, daß U dann eine Minderung seiner Bereicherung um die Reparaturkosten gegenüber G geltend machen kann, wenn er G gegenüber vor der Versteigerung einen Verwendungsersatzanspruch hatte.

a.) Hierbei stellt sich zunächst die Frage, woraus sich ein solcher Verwendungsersatzanspruch ergeben könnte. Vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden nicht. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden mangels Fremdgeschäftsführungswillens des U aus.

b.) Als mögliche Grundlage eines Verwendungsersatzanspruches kommt § 994 I S.1 BGB in Betracht. Um einen Anspruch aus § 994 I S.1 BGB zu haben, müßte U zunächst Verwendungen auf die Sache, also den VW, gemacht haben. Ob dies hier der Fall ist, erscheint fraglich:

U hat den Verwendungsvorgang nicht auf eigene Rechnung veranlaßt und gesteuert, sondern nur auf vertragliche Weisung des S gehandelt, so daß er nicht als Verwender anzusehen sein könnte.

Selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzt, müßte U gegenüber G unberechtigter Fremdbesitzer gewesen sein. Die Vorschriften der §§ 994 ff BGB regeln nämlich nur die Ansprüche des unrechtmäßigen Besitzers gegen den Eigentümer. Speziell für den Fall eines Fremdbesitzers, der auf die Sache notwendige Verwendungen aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten macht, gilt:  War der Dritte (hier: S) rechtmäßiger Besitzer und zur Besitzüberlassung befugt, so war auch der Verwender rechtmäßiger Besitzer und hat daher keine Ansprüche aus §§ 994 ff BGB gegen den Eigentümer, sondern nur aus Vertrag gegen den Dritten. So liegt der Fall hier. S war rechtmäßiger Besitzer, solange er die Kreditraten pünktlich zahlte. Darüber hinaus war er im Sicherungsvertrag ausdrücklich ermächtigt, etwaige Reparaturen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen zu lassen. Damit kann U dem G keinen Verwendungsersatzanspruch nach § 994 I S.1 BGB entgegenhalten.

c.) In Betracht kommen damit nur noch bereicherungsrechtliche Ansprüche. Ein Anspruch aus § 812 I S.1, 2.Alt. BGB scheitert jedoch daran, daß die Reparaturaufwendungen eine Leistung von U an seinen Vertragspartner S darstellen; daß die Leistung außerdem auch G als Eigentümer des Wagens wirtschaftlich zugute kam, ist dabei unerheblich, da U dessen Vermögen nicht bewußt mehrte.

U kann G damit keine Ansprüche entgegenhalten. der Anspruch des G ist damit nicht nach § 818 III BGB gemindert.

Ergebnis

S hat gegen U einen Anspruch auf 3.400.– Euro gemäß § 812 I S.1, 2.Alt. BGB.

Anmerkung

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Zur Problematik Schuldrecht AT siehe auch: Schickschuld, Holschuld, relatives und absolutes Fixgeschäft

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Vertragsschluss bei Internetauktionen

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Fall:

Kaufmann B mit Sitz in Köln möchte einen ihm gehörenden gebrauchten Pkw der Luxusklasse (derzeitiger Marktwert etwa 50.000.- Euro) im Rahmen einer Versteigerung im Internet (Online-Auktion) veräußern. Hierzu wendet sich B an ein Auktionshaus, das seinen Kunden eine technische Plattform für solche Auktionen anbietet. Daraufhin wird die genaue Beschreibung des Pkw auf den Internet-Seiten des Auktionshauses veröffentlicht. Es wird eine Frist von einer Woche zur Abgabe von Geboten festgelegt, die am 01.Juli 2005 ablaufen soll. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auktionshauses, die von allen Anbietern und Kunden dieses Auktionshauses anerkannt worden sind, kann der jeweilige Anbieter während des zeitlichen Laufes der Versteigerung sein Angebot nicht mehr zurücknehmen. Allen Kunden des Auktionshauses wird die Möglichkeit eingeräumt, über das Internet Gebote abzugeben. Die Liste der abgegebenen Gebote ist im Internet abrufbar. Hierdurch läßt sich für jeden Bieter erkennen, in welcher Höhe das aktuelle Meistgebot abgegeben worden ist. Neben der zeitlichen Befristung der Abgabe von Geboten enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur noch den Hinweis, dass für das Zustandekommen von Verträgen die Regelungen des BGB gelten.

Mit Ablauf des 01.Juli 2005 sind im konkreten Fall 963 Gebote abgegeben worden.  Das letzte und höchste Gebot hat die Krüger OHG (K) in Höhe von 26.000.- Euro abgegeben. Beim Abruf der abgegebenen Gebote am 02.Juli 2005 stellt K fest, dass sie beim Ablauf der Frist das Meistgebot abgegeben hat. K freut sich über diesen geschäftlichen Erfolg. Sie zahlt die gebotene Geldsumme nach den Vertragsbedingungen an B und verlangt die Übereignung des Pkw. B verweigert die Herausgabe des Wagens mit dem Hinweis, es sei ein Zuschlag an K nicht erfolgt. Tatsächlich übermittelt das Auktionshaus im Normalfalle dem Meistbietenden nach Ablauf der Frist ein Schreiben, worin der Zuschlag zum Ausdruck gebracht wird. Dieses Schreiben hat das Auktionshaus im konkreten Fall auf Bitten des B wegen des zu niedrigen Preises nicht versandt. K ist der Auffassung, dass es auf ein solches Schreiben nicht ankommen könne. Der Vertrag sei bereits mit Fristablauf geschlossen. Jedenfalls habe sie einen zwingenden Anspruch auf den Zuschlag, da B sein Angebot während der Versteigerung nach den Geschäftsbedingungen nicht zurückziehen konnte.

Hat K einen Anspruch auf Herausgabe des PKW gegen B ?

Lösung:

I. Anspruch aus § 433 I S.1 BGB

K könnte einen Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Pkw gegen B aus § 433 I S.1 BGB haben. Dann müßte ein Kaufvertrag über den Pkw zwischen K und B zustande gekommen sein.

Ein Vertrag kommt durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Die allgemeinen Regeln des BGB gelten auch für im Internet online abgegebene Erklärungen. Dies könnte sich in bezug auf die dispositiven Vorschriften auch aus den AGB des Auktionshauses ergeben. AGB können auch online anerkannt werden, wenn vom Verwender auf sie hingewiesen wurde und der Kunde die Möglichkeit hat, in zumutbarer Weise von ihnen Kenntnis zu nehmen. Vorliegend sind die AGB des Auktionshauses von allen Kunden des Auktionshauses anerkannt worden, Anhaltspunkte für Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Einbeziehung bestehen nicht. Die AGB bilden daher die rechtliche Grundlage der Geschäfte und können auch hinsichtlich der Frage des Vertragsschlusses im Verhältnis des Anbieters zum Bieter als Auslegungsgrundlage herangezogen werden. Auch nach den AGB gelten damit die allgemeinen Regeln des BGB.

Ein Angebot von Seiten des B könnte in dem von ihm veranlassten Einstellen der genauen Beschreibung des Pkw auf die Internet-Seite des Auktionshauses zu sehen sein. Angebot und Annahme können auch per Mausklick online abgegeben werden. Dann müsste in dem Einstellen eine von entsprechendem Rechtsbindungswillen getragene Willenserklärung zu sehen sein. Der Rechtsbindungswille könnte sich hier aus der Verpflichtung des Anbieters, sein Angebot während des zeitlichen Laufes der Versteigerung nicht zurückzunehmen, ergeben. Gegen einen Rechtsbindungswillen spricht aber, dass der Anbieter bei einer Auktion nicht mit allen Interessenten, sondern nur mit einem einzigen einen Vertrag abschließen möchte. Dies deutet eher auf eine invitation ad offerendum hin. Allerdings könnte man auch argumentieren, aus dem Umstand, dass es sich um eine Auktion handelt, ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Produkt nur an den Meistbietenden verkauft wird.

Zu beachten ist jedoch, dass bei privatrechtlichen Versteigerungen nach § 156 I S.1 BGB der Vertrag erst mit dem Zuschlag zustande kommt, so dass ein Angebot erst im Gebot der Bieter zu sehen wäre. Fraglich könnte sein, ob § 156 BGB auf Interent-Auktionen überhaupt anwendbar ist. Die AGB des Auktionshauses bedingen die dispositive Vorschrift nicht ab. Zweifel könnten durchaus erwachsen, dass bei Internet-Auktionen das Ende der Versteigerung üblicherweise durch den Ablauf einer bestimmten Frist festgesetzt ist, worin man dann auch den Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages sehen könnte. Auf einen Zuschlag käme es nicht mehr an. Es ist aber fraglich, in der Fristbestimmung eine Abbedingung des § 156 S.1 BGB zu sehen, da die Frist auch als bloßer Endzeitpunkt für die Möglichkeit der Abgabe für ein Gebot angesehen werden kann und vor allem weil die AGB explizit auf die Regeln des BGB verweisen und das Auktionshaus im Normalfall dem Meistbietenden ein Schreiben übermittelt, worin der Zuschlag zum Ausdruck gebracht wird. Soweit daher durch das Auktionshaus durch ein entsprechendes Schreiben dennoch ein Zuschlag erfolgt, kann § 156 BGB, der einzig den Vertragsschluss regelt, zur Bestimmung desselben ebenso herangezogen werden. Der Zuschlag ist dann als Annahme zu verstehen. Angebote erfolgen durch die Bieter in ihren Geboten. Die Veröffentlichung auf der Internetseite durch den Anbieter stellt einzig eine invitatio ad offerendum dar und ist folglich mangels Rechtsbindungswillens kein Angebot im Sinne des BGB. Die Klausel, nach der der Anbieter während der Versteigerung sein Angebot nicht zurückziehen kann, steht dem nicht entgegen, da eine solche Bestimmung dem Ablauf der Versteigerung selbst dient. Auf die Frage, ob ein Angebot seitens des B mangels Bestimmtheit aufgrund fehlender essentialia negotii verneint werden muss, kommt es deshalb nicht mehr an.

Daher liegt das Angebot in dem Gebot der K. Anhaltspunkte für Zweifel an der Wirksamkeit der Willenserklärung sind nicht ersichtlich. Das Angebot der K ist auch nicht durch ein höheres Gebot nach § 156 S.2 BGB erloschen. Ein Zuschlag an K ist jedoch nicht erfolgt. Ein entsprechendes Schreiben des Auktionshauses wurde nicht versandt. Wie schon gesehen ist der Vertrag auch nicht entsprechend der Auffassung der K durch Fristablauf zustande gekommen. Der Vertrag ist damit noch nicht geschlossen worden.

II. Anspruch auf Erteilung des Zuschlags

K könnte aber einen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages haben. Eine Klage des Höchstbieters auf Leistung des Ersteigerten könnte dann wie eine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises im Falle erklärter Wandlung nach altem Recht dahingehend auszulegen sein, dass es dem Kläger erlaubt ist, gleich auf Erbringung der Leistung zu klagen, und die Abgabe der Willenserklärung des Beklagten, auf die der Kläger Anspruch hat, nach dem Rechtsgedanken des § 894 I ZPO fingiert wird (nach altem Recht im Rahmen der Wandlung sog. modifizierte Vertragstheorie/Theorie des richterlichen Gestaltungsaktes). Während jedoch ein Anspruch auf Wandlung nach §§ 462,465 BGB a.F. allgemein anerkannt war, wird ein Anspruch des Höchstbieters auf Erteilung des Zuschlags bei § 156 BGB allgemein verneint. Fraglich ist, ob sich hier etwas anderes daraus ergeben könnte, dass der Anbieter während der Versteigerung nach den AGB des Auktionshauses sein Angebot nicht zurücknehmen konnte. Eine solche Bestimmung dient jedoch, wie schon angemerkt, dem vollständigen Ablauf der Auktion selbst. Es ist nicht erkennbar, dass aus ihr auch ein Anspruch auf Erteilung des Zuschlages folgen soll. K hat also keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages. Ein Vertrag zwischen B und K ist damit nicht zustande gekommen. Ein Anspruch des K auf Herausgabe und Übereignung des Pkw nach § 433 I S.1 BGB besteht nach den vorgetragenen Tatsachen nicht.

Anmerkungen

Besuchen Sie auch unsere weiteren Artikel zum Thema Willenserklärung: „Bestandteile einer Willenserklärung“ „Wirksamwerden einer Willenserklärung„, „Haftung im Gefälligkeitsverhältnis„, „Schweigen als Willenserklärung„, „Auslegung einer Willenserklärung„, „Auslegung von Testamenten

siehe auch Klausur Forderungsabtretung, Pflichtverletzung nach § 280 I BGB beim Kauf

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Klausur Rücknahme unionsrechtswidriger VA

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Rückforderung von Subventionen

A. Sachverhalt

Die Goethe-GmbH übersetzt deutsche Literaturklassiker in die englische, französische und spanische Sprache und vertreibt die übersetzten Werke im europäischen Ausland (Frankreich, Großbritannien, Irland, Spanien und Luxemburg). Das Kultusministerium Bayern hatte der Goethe-GmbH, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, mittels eines Verwaltungsaktes am 01.07.2009 einen Zuschuss von 250.000 Euro und auf der Grundlage eines mit dem Kultusministerium von Bayern geschlossenen zivilrechtlichen Vertrages ein Darlehen in Höhe von 500.000 Euro gewährt, ohne das die Europäische Kommission hiervon vorher informiert wurde. Nachdem die Kommission von diesem Vorgang Kenntnis erlangt hatte, hat sie – nachdem sie den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat – am 01.09.2009 einen begründeten Beschluss erlassen und am gleichen Tag den Betroffenen auch bekanntgegeben, dass der vom Land Bayern der Goethe-GmbH gewährte Zuschuss und auch das Darlehen unzulässig seien, da ein Verstoß gegen Art. 107, 108 AEUV vorliege. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch das Land Bayern noch die Goethe-GmbH haben rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der Kommission unternommen.

Aufgabe 1:

Am 01.10.2010 erlässt das Kultusministerium des Landes Bayern – nach Anhörung der Goethe-GmbH – einen mit einer Begründung versehenen Bescheid an die Goethe-GmbH, in dem sie den Zuwendungsbescheid vom 01.07.2009 zurücknimmt und das gezahlte Geld in Höhe von 250.000 Euro zurückfordert. Die Goethe-GmbH wendet hiergegen ein, dass das Unionsrecht keine Vorschriften über die Rückforderung von staatlichen Zuschüssen enthalte und die Entscheidung der Kommission nicht rechtmäßig gewesen sei. Ferner beruft sich die Goethe-GmbH auf Vertrauensschutz, da der gesamte Zuschuss inzwischen verbraucht worden sei. Ist der Bescheid des Kultusministeriums vom 01.10.2010 rechtmäßig?

Aufgabe 2:

Anfang Dezember 2010 fordert das Kultusministerium des Landes Bayern die Rückabwicklung des Darlehens. Hierauf erwidert die Goethe-GmbH, sie habe mittlerweile private Investoren gefunden und das Darlehen vollständig zurückbezahlt; zudem beruft sich die GmbH auf Vertrauensschutz. Das Ministerium beansprucht jedoch die Zahlung eines marktüblichen Zinses für die Zeit der Gewährung bis zur Rückzahlung des Darlehens und stützt sich dabei auf Bereicherungsrecht, da der Darlehensvertrag wegen Verstoßes gegen Art. 108 III 3 AEUV nichtig sei. Steht dem Ministerium der Zinsanspruch zu?

B. Lösung

Aufgabe 1:

A. Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids vom 1.10.2010

I. Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung könnte Art. 48 I 1, II BayVwVfG sein. Die GmbH wendet ein, dass das Unionsrecht keine Vorschriften über die Rückforderung von staatlichen Zuschüssen enthält. Dies trifft auch zu. Es existieren keine EU-Vorschriften über die Rücknahme von rechtswidrig gewährten Zuschüssen. Auf EU-Ebene gibt es keine Verfahrensvorschriften, die denen der Mitgliedstaaten ähnlich wären. Der Grund dafür ist, dass es nicht zulässig wäre in die Autonomie der Mitgliedstaaten einzugreifen. Eine einheitliche Verfahrensordnung, die nicht auf die jeweiligen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten zugeschnitten ist, wäre nicht tragbar. Deshalb ist auf die nationalen Vorschriften zurückzugreifen, vorliegend damit auf Art. 48 I 1, II BayVwVfG.

II. Formelle Rechtmäßigkeit

1. Zuständigkeit

Nach Art. 48 V BayVwVfG entscheidet die nach Art. 3 BayVwVfG zuständige Behörde. Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, dass das Kultusministerium des Landes Bayern, das den Zuschuss genehmigt hat, auch für die Rücknahme derselben zuständig ist.

2.Verfahren und Form

Laut Sachverhalt wurde die GmbH vor Erlass des VA angehört, Art. 28 I BayVwVfG. Der VA wurde zudem mit einer ordnungsgemäßen Begründung nach Art. 39 I  BayVwVfG versehen. Von der Einhaltung der übrigen Voraussetzungen ist auszugehen.

III. Materielle Rechtmäßigkeit

Voraussetzung für eine rechtmäßige Rücknahme ist, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 48 I 1, II BayVwVfG vorliegen.

1. Rechtswidrigkeit des Ausgangs-VA

Der Ausgangs-VA müßte rechtswidrig erlassen worden sein. Das ist der Fall, wenn er auf keiner rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage beruht und/oder formell sowie materiell rechtswidrig erlassen worden ist.

a) Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage für die Gewährung von Zuschüssen ist das Landeshaushaltsgesetz i.V.m. den einschlägigen Verwaltungsvorschriften

b) Formelle Rechtswidrigkeit

Nach Art. 108 III AEU muss die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig unterrichtet werden. Nach Satz 3 darf der Mitgliedstaat die Maßnahme nicht vor dem Beschluss der Kommission durchführen. Hier wurde sowohl der Zuschuss, als auch das Darlehen gewährt ohne dass die Kommission darüber informiert worden ist. Folglich wurde das erforderliche Notifizierungsverfahren nicht durchgeführt. Damit ist die Mittelgewährung bereits formell rechtswidrig. Eine Heilung nach § 45 I BayVwVfG ist insoweit nicht möglich.

c) Materielle Rechtswidrigkeit

Fraglich ist, ob die Gewährung auch materiell rechtswidrig ist. Die Kommission sieht in der Gewährung des Zuschusses sowie des Darlehens durch das Land Bayern einen Verstoß gegen Art. 107, 108 AEUV. Art. 107 AEU enthält ein grundsätzliches Verbot wettbewerbsverfälschender Subventionen. Ausnahmen sind aber nach Art. 107 II und III AEU vorgesehen, da in diesen Fällen eine Vereinbarkeit mit dem Binnenmarktsystem vorliegt. Absatz 2 enthält keine Ausnahme, die auf die vorliegende Konstellation der Unterstützung von Unternehmen aufgrund finanzieller Probleme passen würde. Möglicherweise wäre eine Ausnahme nach Art. 107 III d) AEU denkbar. Ausgenommen vom Beihilfeverbot sind Zuschüsse zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Union nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Die GmbH übersetzt deutsche Literaturklassiker in drei verschiedene Sprachen und verbreitet diese Werke im europäischen Ausland. Dies dient der Verbreitung des deutschen Literaturgutes, das einen bedeutenden Teil der deutschen Kultur darstellt. Fraglich ist aber, ob unter Förderung der Kultur auch die Verbreitung im Ausland gemeint ist. Möglicherweise soll nur kulturell wertvolles Handeln im Inland gefördert und unterstützt werden. Allerdings dient die Übersetzung und Verbreitung der Erhaltung des kulturellen Erbes, da die Werke so nicht in Vergessenheit geraten und immer wieder zu neuen Diskussionen anregen. Fraglich ist aber weiterhin, ob die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Union nicht beeinträchtigt werden. Sicherlich ist die G-GmbH nicht das einzige Übersetzungsinstitut in der BRD. Durch die Subvention greift das Land in die Wettbewerbsordnung ein und verändert die Handelsbedingungen. Vorliegend ist auch nicht eindeutig, ob die GmbH vor dem existentiellen Aus steht. Laut Sachverhalt befindet sie sich lediglich in finanziellen Schwierigkeiten. Diese Probleme könnten möglicherweise auch vom Unternehmen selbst durch Umstrukturierungsmaßnahmen behoben werden. Ein gemeinsames Interesse ist jedenfalls nicht ersichtlich. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 107 AEU vor.

Im Ergebnis ist der Ausgangs-VA daher auch materiell rechtswidrig

2. Begünstigung

Die Gewährung des Zuschusses in Höhe von 250.000 Euro ist unzweifelhaft eine Begünstigung.

3. Vertrauensschutz

Nach § 48 II BayVwVfG könnte die Rücknahme des Zuwendungsbescheides ausgeschlossen sein.

a) Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes

Die GmbH hat auf den Bestand des VA vertraut. Dies kann schon daraus geschlossen werden, dass sie das Geld verbraucht hat.

b) Schutzwürdigkeit des Vertrauens

Eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens scheidet aus, wenn einer der Fälle des Art. 48 II 3 Nr. 1 – 3 BayVwVfG vorliegt. Hier könnte das Vertrauen aufgrund von Nr. 3 ausgeschlossen sein. Fraglich ist also, ob die GmbH die Rechtswidrigkeit des VA kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung teils darauf abgestellt, dass sich das subventionierte Unternehmen selbst vergewissern müsste, ob die europarechtlichen Vorschriften eingehalten wurden. Maßstab wäre der eines gewissenhaften Unternehmensträgers. Dies ist aber in der Literatur äußerst umstritten. Einige verneinen in diesem Fall die grobe Fahrlässigkeit und nehmen nur leichte Fahrlässigkeit an. Jedenfalls ist es wohl auch einem global tätigen Unternehmen nicht möglich, die rechtliche Lage umfassend selbst zu ermitteln. Zudem erfolgte die Mittelgewährung durch das Land bzw. den Bund, sodass mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich von der Einhaltung der erforderlichen Verfahren ausgegangen werden kann. Demnach muss der Literatur gefolgt werden, wonach wenn überhaupt nur einfache Fahrlässigkeit vorliegen kann. Damit liegt kein Fall des Art. 48 II 3 Nr. 3 BayVwVfG vor und das Vertrauen der GmbH ist grundsätzlich schutzwürdig.

c) Abwägung

Bei Schutzwürdigkeit des Vertrauens hat eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des VA mit dem privaten Interesse am Bestand des VA zu erfolgen. In den Fällen der Gewährung gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen ist ein gesteigertes öffentliches Rücknahmeinteresse gegeben, da nicht nur rein fiskalische Interessen betroffen sind bzw. ein Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände, sondern das Interesse an der Durchführung der unionsrechtlichen Wettbewerbsordnung gefährdet ist. Ziel der EU ist die Verwirklichung des Binnenmarktes. Daraus folgt auch die Pflicht der einzelnen Mitgliedstaaten die Verträge zu erfüllen, Art. 4 III EUV. Aufgrund dieser übergeordneten unionsbezogenen Interessen muss das private Interesse an der Aufrechterhaltung des VA zurücktreten. Ein schutzwürdiges Vertrauen könnte sich allenfalls aus einem Fehlverhalten der Kommission ergeben, was aber vorliegend ausgeschlossen werden kann. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der Rücknahme.

4. Ermessen

Nach Art. 48 I 1 BayVwVfG liegt die Rücknahme des VA bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Ermessen der Behörde. Aufgrund des unionsrechtlich relevanten Sachverhalts gilt aber auch hier eine Besonderheit. Die rechtskräftige Feststellung der Unionswidrigkeit der Bewilligung durch die Kommission bewirkt eine Verpflichtung der Behörde die Rücknahme durchzuführen. Ihr Ermessen ist insoweit auf Null reduziert. Die Behörde ist in diesem Fall nur ausführendes Organ der Kommission.

5. Frist

Nach Art. 48 IV 1 BayVwVfG ist eine Rücknahme nur innerhalb eines Jahres nach der Subventionsgewährung zulässig. Hier wurde der Zuschuss am 1.7.2009 gewährt. Zunächst ist deshalb zu klären auf welches Ereignis zur Fristbestimmung abgestellt werden muss. In Frage käme einerseits die Bekanntgabe der Kommissionsentscheidung, die hier am 1.9.2009 erfolgte. Andererseits könnte auch auf die Bestandskraft der Entscheidung abgestellt werden. Nach Art. 263 VI AEU beginnt die Frist erst nach Ablauf der zweimonatigen Rechtsbehelfsfrist. Laut Sachverhalt hat keiner der Beteiligten rechtliche Schritte unternommen, sodass der Fristbeginn auf den 1.11.2009 fallen würde. Folgt man der ersten Meinung wäre die Einjahresfrist am 1.9.2010 abgelaufen, eine Rücknahme am 1.10.2010 damit nicht mehr möglich. Im letzten Fall wäre die Rücknahme am 1.10.2010 hingegen noch möglich, da die Frist erst am 1.11.2010 ablaufen würde. Eine Entscheidung kann aber vorliegend dahingestellt bleiben, wenn es ohnehin nicht auf die Fristenregelung ankäme.

Denn auch im Rahmen der Fristenregelung muss eine unionsrechtskonforme Lösung gefunden werden. Die unionsrechtlich vorgesehene Rückforderung von Beihilfen darf nicht durch nationale Vorschriften vereitelt werden. Aus dem Effizienzgebot folgt deshalb eine teleologische Reduktion der Fristenregelung. Dies dient nicht zuletzt auch der Vorbeugung der Gefahr, dass nationale Behörden die Frist bewusst verstreichen lassen, um so ihrem Land bzw. dem Subventionierten den Zuschuss entgegen den unionsrechtlichen Vorschriften doch zukommen zu lassen. Folglich schadet die Verfristung vorliegend nicht.

6. Verstoß gegen Treu und Glauben

Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben kann die GmbH nicht einwenden. Wiederum steht die Effektivität des Gemeinschaftsrechts im Vordergrund, sodass der Einwand nicht gerechtfertigt werden kann.

IV. Ergebnis

Die Rücknahme des Bewilligungsbescheides war daher rechtmäßig.

B. Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides vom 1.10.2010

Neben der Rücknahme des VA enthält der Bescheid des Ministeriums auch ein Rückforderungsverlangen des Geldbetrages in Höhe von 250.000 Euro.

I. Anspruchsgrundlage

Anspruchsgrundlage für die Erstattung des Geldbetrages ist Art. 49a BayVwVfG

II. Tatbestandsvoraussetzungen

Voraussetzung für eine Rückforderung ist die rechtmäßige Aufhebung eines VA. Wie oben geprüft ist die Rücknahme des Bewilligungsbescheides sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

III. Rechtsfolge

Rechtsfolge des Art. 49a BayVwVfG ist die Erstattung der bereits erbrachten Leistungen. Möglicherweise ist aber eine Erstattung vorliegend nicht mehr möglich, da die GmbH den gesamten Zuschuss bereits verbraucht hat. Nach Art. 49a II 1 BayVwVfG gelten für den Umfang der Erstattung die Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung. Ausnahmsweise entfällt der Einwand der Entreicherung aber gem. Art. 49a II 2 BayVwVfG, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme führten, kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Jedoch muss man auch, wie im Rahmen der Vertrauensschutzabwägung oben, zu dem Ergebnis kommen, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht vorliegt. Damit wäre eine Rückforderung aufgrund Entreicherung grundsätzlich ausgeschlossen.

Möglichweise sind aber auch hier wieder unionsrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Der Entreicherungseinwand ist bei unionswidrig gewährten Beihilfen zur Gewährung der Effektivität des Unionsrechts ausgeschlossen. Auch hier kann nichts anderes gelten als bereits oben innerhalb der anderen Punkte erläutert.

Damit ist das Erstattungsverlangen des Ministeriums rechtmäßig.

Aufgabe 2:

Zu prüfen ist, ob dem Ministerium für die Zeit der Darlehensgewährung ein Zinsanspruch zusteht.

I. Anspruch entstanden

1. Anspruchsgrundlage

Zunächst muss geklärt werden, ob es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch oder um einen öffentlich-rechtlichen Zinsanspruch handelt. Im Rahmen des Zivilrechts wäre eine Rückforderung nach § 488 I 2 BGB denkbar. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zinszahlung könnte sich aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag ergeben, da eine Rückforderung über Art. 49a III 1 BayVwVfG mangels Vorliegen eines VA ausscheidet.

Im Vorfeld der Prüfung muss deshalb die Rechtsnatur des Darlehensvertrages geprüft werden. Laut Sachverhalt hat die GmbH mit dem Kultusministerium einen zivilrechtlichen Darlehensvertrag abgeschlossen. Aufgrund der eindeutigen Bezeichnung als zivilrechtlich könnte man von der Anwendbarkeit der BGB-Vorschriften ausgehen. Jedoch muss untersucht werden, ob die Schließung eines privatrechtlichen Vertrages zwischen einem Träger hoheitlicher Gewalt und einem Privatrechtssubjekt ohne weiteres möglich ist. Aus Art. 54 S.1 BayVwVfG ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit von Verträgen zwischen der öffentlichen Hand und Privaten. Fraglich ist, welcher Vertragstyp in der vorliegenden Konstellation gegeben ist.

Die Tatsache, dass das öffentliche Recht spezielle Vorschriften über vertragliche Beziehung zwischen Staat und Privaten vorsieht legt den Schluss nahe, dass eine Kontrolle des staatlichen Handelns möglich sein soll, bzw. dass Private vor der übergeordneten Stellung des Staates und dessen Einflussmöglichkeiten geschützt werden sollen. Es soll nämlich gerade verhindert werden, dass der Staat sich einseitig eine günstigere Vertragsposition verschafft, indem er auf anderen Gebieten des öffentlichen Rechts rechtliche Nachteile für den Bürger begründet. In diesen Fällen würde eine Umgehung der Schutzvorschriften der Art. 54 ff. BayVwVfG drohen. Jedoch müsste eine öffentlich-rechtliche Vorschrift berührt sein, durch die sich der Staat auf Kosten des Privaten Vorteile verschafft. Der Darlehensgewährung müsste demnach eine Forderung des Staates bzw. eine Verpflichtung des Privaten zu einer bestimmten Leistung gegenüberstehen. Da es sich aber vorliegend um einen reinen Darlehensvertrag handelt und kein weiteres Gebiet des öffentlichen Rechts betroffen ist, besteht keine Gefahr der Umgehung der Art. 54 ff. BayVwVfG. Es handelt sich damit um einen zivilrechtlichen Darlehensvertrag nach §§ 488 ff. BGB.

Ein Anspruch auf Rückforderung könnte sich damit aus § 488 I 2 BGB ergeben.

II. Nichtigkeit gem. § 134 BGB

Möglicherweise ist der Vertrag aber wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Als Verbotsgesetze kommen vorliegend Art. 107 und 108 AEU in Betracht. Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ist nach Art. 2 EGBGB ein „Gesetz“, womit auch Vorschriften des EU-Rechts erfasst sind. Ein gesetzliches Verbot liegt immer dann vor, wenn die Norm für bestimmte Fälle die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit Rücksicht auf seinen Inhalt, die Umstände seiner Vornahme oder auf einen rechtlich missbilligten Erfolg untersagt. Hier missbilligen die Art. 107 f. AEU gerade eine Bewilligung von staatlichen Beihilfen gleich welcher Art, damit auch die Bewilligung von Beihilfen auf Grundlage zivilrechtlicher Verträge, ohne die Einschaltung der Kommission bzw. ohne die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt. Damit handelt es sich um Verbotsgesetze. Da eine Beteiligung der Kommission vorliegend in keinster Weise erfolgte liegt bereits ein Verstoß gegen Art. 108 III AEU vor. Zudem ist auch ein Verstoß gegen Art. 107 gegeben, da sich hier nichts anderes als bei dem gewährten Zuschuss ergeben kann.

Folglich ist der geschlossene Vertrag gem. § 134 BGB und Art. 107 f. AEU ex-tunc nichtig.

Ein Anspruch auf Zinszahlung aus dem Darlehensvertrag ist deshalb nie entstanden.

III. Zinsanspruch aus Bereicherungsrecht

Das Ministerium hat aber einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB. Fraglich ist der Umfang des Bereicherungsanspruchs. Dies richtet sich nach § 818 BGB. Zurückzuerstatten ist aber lediglich das rechtsgrundlos Erlangte. Eine Rückforderung des Kapitals ist aber vorliegend ausgeschlossen, da die GmbH bereits den gesamten Betrag zurückgezahlt hat. Ein Anspruch auf Erstattung der marktüblichen Zinsen ergibt sich nicht aus § 818 I und II BGB. Ein Anspruch auf Zahlung der Zinsen könnte sich aber nach § 818 II BGB ergeben. Die Nutzungsmöglichkeit des Geldes kann vorliegend nicht mehr herausgegeben werden. Dafür könnte Wertersatz zu leisten sein. Ein Anspruch auf Zinserstattung ergibt sich daher aus § 818 II BGB.

Entgegenstehen könnte aber § 814 BGB. Das Ministerium hat vorliegend die Gründe der Nichtigkeit des Vertrages gekannt. Zum einen wurde das obligatorische Notifizierungsverfahren nach Art. 108 III AEU nicht durchgeführt. Im Übrigen entspricht die Mittelgewährung auch nicht den Anforderungen des Art. 107 AEU. Aufgrund der Kenntnis der Nichtschuld nach § 814 BGB ist der Rückforderungsanspruch nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB gesperrt.

IV. Ergebnis

Das Ministerium hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen gegen die GmbH.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausur Rücknahme unionsrechtswidriger VA auf unserer Website Jura Individuell.

Klausur zu § 80 Abs.5,S.1,Alt.2 VwGO

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A. Sachverhalt

Physiker P hat sich in dem Keller seiner in der bayrischen kreisfreien Stadt S gelegenen Villa ein Labor eingerichtet. Zu diesem Zweck hat er auch einige tragende Wände entfernt. Der Umbau ist zwar ohne die nach Art. 68 I BayBO erforderliche Baugenehmigung, jedoch in technisch einwandfreier Weise erfolgt. In dem Labor arbeitet P an fast jedem Wochenende an der Entwicklung neuer Metall-Legierungen. Dabei verwendet er Galvanikflüssigkeiten, die Arsenik, Quecksilber, Blei und Zyanid enthalten. Selbst bei der Anwendung größter Sorgfalt kann er nicht verhindern, dass bei jeder Versuchsreihe mehrere Liter dieser Flüssigkeiten auf den Betonfußboden tropfen, von dort aus bis in das unter dem Gebäude befindliche Erdreich hindurchsickern und schließlich in die -undichte- Abwasserleitung gelangen. Das führt dazu, dass bei den Einwohnern von S wiederholt rötlich, grünlich bzw. bläulich gefärbtes Wasser aus den Wasserhähnen kommt. Als immer mehr Einwohner von S über Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Erbrechen klagen und sich die Ursache dieser Erkrankungen nicht aufklären lässt, machen die Nachbarn von P den Oberbürgermeister (OB) der Stadt S auf die Aktivitäten des P aufmerksam. Am Samstag, den 14.8.2002, erscheinen zwei Außendienstmitarbeiter des OB bei P und fordern ihn- ohne ihm zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben- mündlich auf, den Laborbetrieb einzustellen und die baulichen Veränderungen rückgängig zu machen. Sie ordnen sodann die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an. In der Begründung geben sie an, dass sich die Stadt S im Sommer an dem Landeswettbewerb „Aktion sauberes Trinkwasser“ beteiligen wolle und daher der Weiterbetrieb des Labors nicht bis zum Abschluss eines möglicherweise über Jahre währenden Rechtsmittelverfahrens geduldet werden könne. Außerdem sei der Keller- was unzutreffend ist- infolge des Umbaus einsturzgefährdet. Das mache eine umgehende Wiederherstellung des ursprünglichen baulichen Zustands erforderlich. Um ihren Anordnungen Nachdruck zu verleihen, versiegeln sie schließlich die Schränke, in denen P die für seine Forschungen erforderlichen technischen Instrumente aufbewahrt. Am Dienstag, den 14.8.2002, wird dem P ein Schreiben des OB zugestellt, in dem die Maßnahmen vom 10.8.2002 bestätigt und ausführlich begründet werden. Als Ermächtigungsgrundlagen gibt der OB Vorschriften des LStVG, der Bauordnung und des bayrischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes an.

P ist über das, was ihm widerfahren ist, empört. Er reicht am 5.9.2002  Klage ein und stellt noch am selben Tag beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Er ist der Ansicht, die Behörde sei bereits deshalb gehindert gewesen, die Vollziehungsanordnung zu erlassen, weil kein Bedarf bestehe. Zumindest hätte man ihn vorher anhören müssen. Wird der Antrag des P auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg haben?

Bearbeitervermerk: Wasserrechtliche Vorschriften sind nicht zu prüfen.

B.Lösung

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird Erfolg haben, wenn er zulässig und begründet ist.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs § 40 I S.1 VwGO

Es müsste sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln. Nach der Sonderrechtstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Hier sind die Vorschriften des LStVG, der BayBO und des VwZVG entscheidend. Nach der modifizierten Subjektstheorie ist eine Norm öffentlich-rechtlich, wenn sie ausschließlich Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 II S.1 Nr. 4 VwGO ist nur durch eine Behörde möglich. Ferner ist ausschließlich die Polizei als Hoheitsträger berechtigt polizeirechtliche Maßnahme, wie das Versiegeln der Schränke vorzunehmen.  Es ist auch keine anderweitige Rechtswegzuweisung ersichtlich. Art. 23 EGGVG ist nicht von Relevanz, da die Polizei nicht repressiv, sondern präventiv tätig wird um die Bevölkerung vor weiteren Schäden zu schützen und die Gefahr zu beseitigen. Mithin ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

II. Zulässigkeit

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes müßte zulässig sein.

1. Statthafte Antragsart

Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Begehr des Antragsstellers gem. § 88 VwGO analog. P möchte sich gegen die Aufforderung seinen Betrieb einzustellen, sowie gegen die Rückbauanordnung und die Versiegelung der Schränke zur Wehr setzen. Nach § 123 V VwGO ist die Anwendung der §§ 80, 80a VwGO vorrangig. Dazu sind die einschlägigen Voraussetzungen zu prüfen. Hier käme ein Antrag gem. § 80 V VwGO in Betracht. Die Anordnungen den Betrieb einzustellen und die baulichen Veränderungen rückgängig zu machen wurden gem. § 80 II S.1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt. Somit wäre gem. § 80 V 1 Alt.2 VwGO nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einschlägig. Etwas anderes ergibt sich aber bei der Versiegelung der Schränke, da durch die Versiegelung der Grund-VA bereits vollzogen wurde, sodass hier die Aufhebung der Vollziehung gem. § 80 V 3 VwGO verlangt werden kann.

2. Antragsbefugnis

Nach § 42 II VwGO analog müsste P geltend machen durch die Anordnungen der sofortigen Vollziehung in subjektiven Rechten verletzt zu sein. Dabei genügt bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung. Hier könnte er in seinem Recht aus Art. 14 I GG, 12 I GG und 2 I GG verletzt sein. Auch die Beeinträchtigung der Forschungsfreiheit nach Art. 5 III GG kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Damit ist P antragsbefugt.

3. Beteiligtenfähigkeit

P ist gem. § 61 Nr. 1 Alt 1 VwGO beteiligten- und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S ist nach § 61 Nr.1 Alt.2 VwGO beteiligtenfähig.Für die Stadt S handelt deren Bürgermeister (OB) gem. Art. 38 I, 34 I 2 GO als Vertreter der Kommune und ist somit gem. § 62 III VwGO prozessfähig.

4. Rechtsschutzbedürfnis

Fraglich ist, ob nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, weil P nicht zuerst einen Antrag bei der Behörde gem. § 80 IV VwGO gestellt hat, da dies einen einfacheren Weg darstellen würde sein Rechtsschutzziel zu erreichen. Eine vorherige Antragstellung bei der Behörde ergibt aber nur in Fällen des § 80 II Nr. 1-3 VwGO Sinn, denn nur dort wird die sofortige Vollziehung per Gesetz angeordnet und nicht durch die Behörde selbst. Deshalb hat die Behörde nur in diesen Fällen objektiv die Möglichkeit über die Aussetzung der sofortigen Vollziehung zu entscheiden. Hat die Behörde gerade durch die Anordnung des Sofortvollzugs die aufschiebende Wirkung beseitigt ist im Antragsverfahren nach § 80 IV VwGO kein anderes Ergebnis zu erwarten. Nach § 80 VI VwGO ist der Weg über § 80 IV VwGO nur in dem Fall des § 80 II S.1 Nr. 1 VwGO obligatorisch. Daraus könnte sich ein allgemeiner Rechtsgedanke für die übrigen Fälle des § 80 II VwGO ergeben. Eine Ansicht vertritt, dass wenn ein Antrag bei der Behörde rechtzeitig möglich wäre das Rechtsschutzbedürfnis bei fehlender Antragstellung entfällt. Nach h.M. ist das Antragserfordernis aber nur im Falle der Nr. 1 erforderlich. Begründet wird dies damit, dass der Antrag bei der Behörde nur aus fiskalischen Gründen nötig ist. Dies ist bei den anderen Fallkonstellationen nicht so. Aufgrund der fehlenden Verweisung auf die Nr.2-4 des § 80 II VwGO ist von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, wodurch eine Analogie entfällt. Im Übrigen stehen die Verfahren gem. § 80 IV und V selbständig nebeneinander. Damit würde es keinen Sinn machen eine Voraussetzung des einen Verfahrens als zwingende Voraussetzung des anderen Verfahrens zu sehen. Im Ergebnis ist eine vorherige Antragstellung nach § 80 IV VwGO entbehrlich.

III. Begründetheit

Der Anträge sind begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Antragsgegner richten und die Vollzugsanordnungen rechtswidrig waren und eine eigene Interessenabwägung des Gerichts ergibt, dass das jeweilige Aussetzungsinteresse schwerer wiegt als das Vollziehungsinteresse und wenn die Versiegelung rechtswidrig war.

1. Richtiger Antragsgegner § 78 I Nr. 1 VwGO analog

Der Antrag ist gegen die Stadt S zu richten, da deren Oberbürgermeister die belastenden Anordnungen erlassen hat.

2. Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung gem. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO bzgl. der Verfügung den Laborbetrieb einzustellen

a) Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist § 80 II 1 Nr. 4 VwGO.

b) Formelle Rechtmäßigkeit
aa) Zuständigkeit

Zuständig ist nach § 80 II 1 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den VA erlassen hat. Hier hat der Oberbürgermeister der Stadt S die Verfügung erlassen. Folglich war auch er für die Anordnung des Sofortvollzugs zuständig.

bb) Verfahren

Fraglich ist, ob P vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung hätte angehört werden müssen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat keinen Regelungscharakter i.S.d. Art. 35 S.1 BayVwVfG, weshalb es sich nicht um einen VA handelt. In Betracht kommt die analoge Anwendung des Art. 28 I BayVwVfG. Aufgrund der belastenden Wirkung der sofortigen Vollziehung ist grundsätzlich eine Anhörung des Betroffenen geboten. Gegen eine analoge Anwendung spricht aber, dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung in einem Bundesgesetz geregelt sind. Hier handelt aber eine bayrische Behörde, für die das VwVfG Bayerns (BayVwVfG) gilt. Das in Art. 30 GG enthaltene Trennungsprinzip verbietet es den Ländern im Kompetenzbereich des Bundes Regelungen vorzunehmen. Eine analoge Anwendung scheidet deshalb aus. Wäre das Anhörungserfordernis zwingende Voraussetzung, so hätte der Gesetzgeber dies in § 80 VwGO entsprechend geregelt. Da dies nicht der Fall ist, ist eine vorherige Anhörung nicht erforderlich.

cc) Form

Das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung muss gemäß den Vorgaben des § 80 III VwGO ausführlich und gesondert schriftlich begründet werden. Sinn und Zweck dieses Formerfordernisses ist es der Behörde den Ausnahmecharakter der Anordnung des Sofortvollzugs vor Augen zu führen und diese Frage besonders gründlich zu prüfen und den Betroffenen und das Gericht über die Beweggründe zu informieren. Die Außendienstmitarbeiter des Bürgermeisters haben den Sofortvollzug aber lediglich mündlich ausgesprochen und begründet. Möglicherweise könnte dieser Formfehler aber gem. Art. 45 I Nr. 2 BayVwVfG analog nachgeholt werden. Eine Nichtigkeit gem. Art. 44 I, II BayVwVfG scheidet aus, da keiner der aufgezählten Regelfälle des Absatzes 2 vorliegt und die Nichtbeachtung der Form auch keinen schwerwiegenden Fehler darstellt. Eine Nachholung ist durch den Bürgermeister am 14.8.2002 mit Zustellung des Schreibens an P erfolgt. Durch die Nachreichung wird der Sinn des Formerfordernisses auch nicht unterlaufen. Das behördliche Verfahren ist weiterhin der Kontrolle zugänglich und dem Betroffenen P entstehen auch keine Nachteile, da seine Rechte und prozessualen Möglichkeiten nicht beschnitten werden. Damit wurde dem Formerfordernis durch die Heilung nach Art. 45 I Nr. 2 BayVwVfG genüge getan.

Die Anordnung des Sofortvollzugs ist damit formell rechtmäßig.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO materiell rechtswidrig, wenn das private Wiederherstellungsinteresse des P gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse überwiegt. Dies wäre auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Einstellungsanordnung des Oberbürgermeisters der Stadt S bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist, denn an der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann kein öffentliches Interesse bestehen. Es ist demnach zu prüfen, ob die Verfügung den Laborbetrieb des P einzustellen rechtswidrig ist.

aa) Ermächtigungsgrundlage

Als Ermächtigungsgrundlage ist Art. 7 II Nr. 3 LStVG zu prüfen.

bb) Formelle Rechtmäßigkeit
(a) Zuständigkeit

Die Gemeinden haben gem. Art. 6 LStVG als Sicherheitsbehörden die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Gefahrenabwehrmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Die in Art. 6 LStVG genannten Behörden stehen kompetenzrechtlich gleichrangig nebeneinander. Das Handeln der Polizei ist grundsätzlich subsidiär und scheidet aus, da die Gefahrenabwehr durch die Sicherheitsbehörde rechtzeitig möglich ist, Art. 3 PAG. Der Oberbürgermeister handelt gem. Art. 38 GO als Vertreter der Stadt S. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 I Nr. 1 VwVfG.

(b) Verfahren

Vor Erlass des HauptVA müsste P ordnungsgemäß angehört worden sein gem. Art. 28 I VwVfG. Ihm wurde aber keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Jedoch ist eine Anhörung gem. Art. 28 II Nr. 1 BayVwVfG entbehrlich, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Die Bevölkerung ist durch die Chemikalien im Trinkwasser akut gefährdet. Damit bedurfte es keiner Anhörung des P.

(c) Form

Für den Erlass des VAs ist keine besondere Form erforderlich gem. Art. 37 II BayVwVfG. Er konnte somit auch mündlich erlassen werden. Allerdings ist eine Begründung gem. Art. 39 BayVwVfG erforderlich. Die Mitarbeiter haben dem P mündlich mitgeteilt, warum sie den VA erlassen. Gem. Art. 39 I BayVwVfG ist aber die Einhaltung der Schriftform nötig. Durch das Schreiben des Bürgermeisters vom 14.8. wurde die Begründung nachgeholt und der Formfehler damit gem. Art. 45 I Nr.2 BayVwVfG geheilt.

Die formelle Rechtmäßigkeit der Rückbauverpflichtung ist somit gegeben.

cc) Materielle Rechtmäßigkeit

Der Bürgermeister hätte eine Verfügung dieses Inhalts treffen können, wenn dies der Gefahrenabwehr dient. Gefahr ist eine Sachlage, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen wird. P hat  durch seinen Laborbetrieb bereits erhebliche Verunreinigungen des Trinkwassers verursacht, da bei jeder Versuchsreihe mehrere Liter chemischer Mittel in das Erdreich sickern. Die Einwohner klagen über Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen, sodass die Gesundheit der Bevölkerung erheblich gefährdet ist. Es kann zwar nicht mit letzter Gewissheit nachgewiesen werden, dass die Vergiftungserscheinungen der Bürger gerade durch den Betrieb des P hervorgerufen wurden. Da aber mit großer Sicherheit ein Zusammenhang besteht ist eine Einstellung des Betriebs zur Beseitigung der Gefahr geboten. Die Anordnung des Bürgermeisters den Laborbetrieb einzustellen diente damit der unmittelbaren Gefahrenabwehr.

P ist gem. Art. 9 LStVG auch unzweifelhaft Handlungsstörer, da er durch seinen Laborbetrieb die Gefahren verursacht. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Verursachung genügt dafür.

Die Einstellungsverfügung des Bürgermeisters müsste auch verhältnismäßig sein. Sie ist geeignet das legitime Ziel, die Trinkwasserverunreinigung zu beseitigen, zu verwirklichen. Erforderlich wäre sie, wenn sie aus mehreren zur Verfügung stehenden Mittel das relativ mildeste wäre. Vorliegend ist keine andere Vorgehensweise ersichtlich, die den P weniger beeinträchtigen würde und zur Gefahrenabwehr ebenso geeignet wäre. Auch kann die Angemessenheit der Maßnahme bejaht werden. Die Verfügung den Laborbetrieb einzustellen ist damit auch materiell rechtmäßig.

dd) Interessenabwägung

Zu fragen ist, ob das Vollziehungsinteresse der Behörde das Aussetzungsinteresse des P überwiegt. Hier überwiegt eindeutig das Vollziehungsinteresse, da die Gesundheit der Bewohner akut gefährdet ist und eine weitere Hinauszögerung der Einstellungsverfügung nicht angemessen erscheint. Es besteht dringender Handlungsbedarf, da die Folgen für das Erdreich und das Grundwasser nicht absehbar sind und die Langzeitfolgen bei Verzehr des vergifteten  Wassers nicht überschaubar sind. Die geplante Teilnahme an dem Wettbewerb „sauberes Trinkwasser“ genügt nicht um ein solches Vorgehen zu rechtfertigen. Aufgrund der erheblichen Gesundheitsgefährdung muss aber das Aussetzungsinteresse des P zurückstehen.

Im Ergebnis ist der Antrag des P auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unbegründet.

3. Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung gem. § 80 II 1 Nr.4 VwGO bzgl. der Rückbauverpflichtung

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stützt sich wieder auf § 80 II 1 Nr. 4 VwGO. Bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit wird auf obige Ausführungen im Punkt II verwiesen. Fraglich ist, ob die Anordnung des Sofortvollzugs auch materiell rechtmäßig ist. Dann müsste die Rückbauverpflichtung rechtmäßig sein und eine Interessenabwägung das Überwiegen des Vollzugsinteresses ergeben.

a) Ermächtigungsgrundlage

Als Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt wiederum § 80 II 1 Nr. 4 VwGO in Betracht.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit ergibt sich nichts anderes als bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung bzgl. der Einstellung des Laborbetriebs. Insofern ist auf obige Ausführungen zu verweisen (Punkt 2. b))

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Schließlich müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch materiell rechtmäßig erlassen worden sein. Dazu muss das öffentliche Interesse an der Vollziehung des VA mit dem privaten Interesse der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgewogen werden.

aa) Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage könnte Art. 7 II Nr. 3 LStVG sein. Die baulichen Veränderungen könnten dazu führen, dass der Keller nun einsturzgefährdet ist und damit eine Gefahr für Arbeiter und Besucher darstellt. Es ist aber laut Sachverhalt unzutreffend, dass die Gefahr eines Einsturzes des Kellers besteht. Damit scheidet auch die Anwendbarkeit des Art. 7 aus.

Richtige Ermächtigungsgrundlage ist damit Art. 76 S.1 BayBO.

bb) Formelle Rechtmäßigkeit
(a) Zuständigkeit

Gem. Art. 53 I 1, 54 I Hs. 1 BayBO i.V.m. Art. 37 I 2 LKrO und Art. 9 I GO  ist die Stadt und als dessen Vertreter der Oberbürgermeister gem. Art. 38 I, 34 I 2 GO zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 I Nr. 1 VwVfG.

(b) Verfahren und Form

Die fehlende Anhörung kann gem. Art. 45 I Nr. 3 BayVwVfG nachgeholt werden.  Die Mitarbeiter haben den VA mündlich an P übermittelt, dies genügt gem. Art. 37 II BayVwVfG dem Formerfordernis. Jedoch hätte der VA schriftlich begründet werden müssen nach Art. 39 I BayVwVfG, was aber vorliegend nicht geschah. Aber auch die fehlende Begründung kann gem. Art. 45 I Nr. 2 BayVwVfG  nachgeholt werden, was am 14.8. auch erfolgte.

cc) Materielle Rechtmäßigkeit

Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des Art. 76 S.1 BayBO gegeben sind. Ist der VA nämlich rechtswidrig, kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung nie im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegen. Dies ergibt sich aus Art. 20 III GG, wonach die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist.

Die Anlage müsste im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden sein. P hat den Umbau ohne die nach Art. 55 I BayBO erforderliche Baugenehmigung (Art. 68 I 1 BayBO) gebaut. Das Endergebnis des Umbaus zeigt, dass aus technischer Sicht nichts gegen den Bau einzuwenden ist. Fraglich ist ob sich nun allein aus dem Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen eine Rückbauverpflichtung ergeben kann. Würde man nun davon ausgehen, dass die formelle Baurechtswidrigkeit eine derartige Verfügung des Bürgermeisters nicht rechtfertigt, würde man dem Schwarzbau Tür und Tor öffnen. Das gesamte Baurecht basiert aber auf dem Gedanken des präventiven Bauverbots mit Erlaubnisvorbehalt, damit die bauliche Entwicklung von den zuständigen Behörden entsprechend kontrolliert und gelenkt werden kann. Dies dient nicht zuletzt sicherheitsrechtlichen Erwägungen. Dieser Grundsatz würde aber ausgehöhlt, wenn man über das Vorliegen einer Baugenehmigung hinwegsieht sobald der Bau nur technisch einwandfrei und im Übrigen mit dem materiellen Recht im Einklang steht.

Zu prüfen ist weiterhin die Verhältnismäßigkeit der Rückbauverpflichtung bzw. des damit einhergehenden teilweisen Abrisses. Die Anordnung einen materiell einwandfreien Bau, der zwar genehmigungspflichtig, aber womöglich auch genehmigungsfähig ist, abzureißen ist ein sehr drastisches Vorgehen. Eine mildere Alternative ist jedoch nicht ersichtlich, zumal ein teilweiser Abriss nicht in Frage kommt. Um aber das Grundsystem des Baurechts zu wahren und konsequent gegen den Schwarzbau vorzugehen kann auch nicht im Einzelfall ein solches Vorgehen genehmigt werden. Dies würde zu einer Ungleichbehandlung der Bauherren führen und es gäbe auch keine überschaubare Regelung wann nun Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung zulässig sind. Dies kann nicht allein den Behörden überlassen bleiben, da es keine verlässliche Kontrollmöglichkeit anhand des Gesetzes gäbe. Die Anordnung des Rückbaus war somit auch materiell rechtmäßig.

dd) Interessenabwägung

Abzuwägen ist das Vollzugsinteresse der Stadt mit dem Aussetzungsinteresse des P. Eine besondere Eilbedürftigkeit besteht nicht, die eine Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen könnte. Allerdings führt auch die Aussetzung nicht zu einem anderen Ergebnis, da P bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung kein anderes Ergebnis erzielen wird. Damit ist die Anordnung des Sofortvollzugs vorrangig. Dass die Entscheidung der Behörde auf der Annahme beruht, dass der Keller einsturzgefährdet ist, ändert daran auch nichts, da es entscheidend auf das Vorliegen der Baugenehmigung ankommt, die P nicht hat.

Im Ergebnis ist der Antrag des P auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unbegründet.

4. Rechtmäßigkeit der Anordnung der Aufhebung der Vollziehung bzgl. der Versiegelung der Schränke

Prüfung von EGL und formeller Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist identisch mit obigen Anordnungen.

Weiterhin ist die materielle Rechtmäßigkeit der Versiegelungsmaßnahme zu prüfen. In Betracht kommt eine Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang gem. Art. 34 VwZVG.

a) Ermächtigungsgrundlage

Art. 29 I, II Nr. 4 i.V.m. Art. 34 VwZVG

b) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen
aa) Vollstreckungstitel

Zunächst müsste ein VA vorliegen, der vollstreckt werden kann, Art. 29 I VwZVG. Das Versiegeln der Schränke selbst ist kein VA, da es sich dabei um rein tatsächliches Handeln eines Hoheitsträgers, damit um einen Realakt handelt. Mangels GrundVA stellt sich die Frage, ob ein solcher im vorliegenden Fall entbehrlich ist. Ein Verzicht auf einen vorausgehenden VA käme nur in unaufschiebbaren Fällen gem. Art. 35 VwZVG in Frage. Allerdings besteht keine Eilsituation, in der sofortiges Handeln unumgänglich wäre . Die Außendienstmitarbeiter hätten den P zunächst auffordern können, die Schränke selbst zu verschließen. Anhaltspunkte dafür, dass P dieser Anweisung nicht nachgekommen wäre sind nicht ersichtlich. Damit liegt kein unaufschiebbarer Fall vor. Es fehlt bereits am Vollstreckungstitel, weshalb ein Vorgehen durch unmittelbaren Zwang nicht zulässig war.

bb) Ergebnis

Die sofortige Vollziehung hätte somit nicht angeordnet werden dürfen. Sie ist rechtswidrig. Das Gericht wird die Aufhebung der Vollziehung nach § 80 V S.3 VwGO anordnen.

5. Gesamtergebnis

Die beiden Anträge des P gegen die Rückbauverpflichtung und das Einstellen des Laborbetriebs sind unbegründet und haben keine Aussicht auf Erfolg. Der Antrag der sich gegen die Versiegelung der Schränke richtet ist hingegen begründet und wird Erfolg haben.

C. Anmerkungen

Zur Vertiefung siehe auch die Beiträge „Antrag nach § 80 V VwGO – Aufbau in der ÖR-Klausur“ sowie „Sofortige Vollziehung eines VA nach § 80 II Nr.4 VwGO“ sowie die Klausur zu einem „Langfristigem Aufenthaltsverbot durch die Polizei“.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausur zu § 80 Abs.5,S.1,Alt.2 VwGO auf unserer Website Jura Individuell.

Klausur Ersatzvornahme – Abschleppfall

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A. Sachverhalt

Handelsvertreter A stellt seinen neuen C-Klasse Mercedes in der Innenstadt von Straubing an einer Parkuhr ab, um sich zu einer wichtigen geschäftlichen Besprechung zu begeben. Da er in Eile ist und kein Kleingeld bei sich hat, betätigt er die Parkuhr nicht. Als er um 13.30 Uhr zurückkehrt, ist sein Wagen verschwunden. An der Parkuhr findet er eine schriftliche Notiz, nach welcher der Außendienstangestellte Z der Stadt Straubing den PKW durch den Abschleppunternehmer P der Stadt Straubing gegen 12.00 Uhr auf dessen Gelände hat transportieren lassen.

Als A bei P erscheint, verlangt dieser von A entsprechend der Weisung der Stadt Straubing Zahlung der Abschleppkosten in Höhe von 125.- Euro. Obwohl A das Abschleppen für schikanös hält, zahlt er den geforderten Betrag an P und erhält sein Fahrzeug zurück.

Als die Stadt Straubing auf ein Beschwerdeschreiben des A unter Hinweis auf die Rechtmäßigkeit der Abschleppanordnung eine Rückzahlung der 125.- Euro ablehnt, erhebt A vor dem zuständigen Verwaltungsgeicht Klage und bittet, die Stadt Straubing zur Rückzahlung der von ihm gezahlten Abschleppkosten zu verurteilen.

Mit Erfolg ?

B. Lösung

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. § 40 I 1 VwGO

Voraussetzung ist, dass der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Hierfür müsste es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln. Nach der modifizierten Subjektstheorie ist eine Norm öffentlich-rechtlich, wenn sie ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt und/oder verpflichtet. Nach welcher Norm sich die vorliegende Streitigkeit richtet, hängt gem. § 88 VwGO von dem Klagebegehren des A ab. Das Klagebegehren des A richtet sich auf Rückzahlung der Abschleppkosten. Ein Anspruch des A aus Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB iVm. Art.34 GG scheidet aus, da dieser Anspruch gem. Art.34S.3 GG vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. Ein Folgenbeseitigungsanspruch scheidet aus, da mit ihm nach herrschende Ansicht nur die Rückgängigmachung von Folgen und keine Kostenerstattung verlangt werden kann. A könnte indes einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Stadt Straubing haben. Allerdings war Leistungsempfänger der Abschleppunternehmer P und nicht die Stadt Straubing, da A unmittelbar an P gezahlt hat. P handelt hier weder als Beauftragter noch als Bevollmächtigter und auch nicht als Beliehener. Es ist davon auszugehen, daß die Stadt dem P nur das Recht zur Entgegennahme des Geldes eingeräumt hat. Mithin handelt P als Bote der Stadt. In der unmittelbaren Zuwendung an P ist eine Leistung des A an die Stadt zur Erfüllung einer Forderung zu sehen. Ob dieser Erstattungsanspruch nun dem öffentlichen Recht unterliegt, hängt von der Rechtsnatur des zugrundeliegenden Anspruchs ab. Die Maßnahme der Ordnungsbehörde findet ihre Grundlage im VwZVG. Zwangsmittel nach den Art. 29 ff. VwZVG ermächtigen ausschließlich die Behörden tätig zu werden in Ansehung ihrer sicherheitsrechtlichen Verpflichtungen. Damit liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Damit handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für welchen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Es fehlt an einer doppelten Verfassungsunmittelbarkeit. Eine anderweitige Rechtswegzuweisung ist ebenfalls nicht ersichtlich.

II. Zulässigkeit

1. Statthafte Klageart

Die richtige Klageart richtet sich nach dem Klägerbegehren gem. § 88 VwGO. A begehrt Rückzahlung der gezahlten 125 Euro. Danach käme eine allgemeine Leistungsklage in Frage. Die Rückzahlung ist ein tatsächliches Handeln und kein VA mangels Regelungscharakter. Statthaft ist damit die allgemeine Leistungsklage, die gesetzlich nicht geregelt ist aber in zahlreichen Vorschriften vorausgesetzt wird, so z.B. in § 43 II , 111, 113 III VwGO.

2. Klagebefugnis

A müsste gem. § 42 II VwGO analog klagebefugt sein. Dies bedeutet, dass er einen Anspruch auf die Geldzahlung haben müsste. Ein solcher könnte sich aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ergeben. Eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung aufgrund möglicher Rechtswidrigkeit der Maßnahmen ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

3. Beteiligtenfähigkeit

A ist gem. § 61 Nr. 1 Alt.1 VwGO als natürliche Person beteiligten- und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S ist gem. § 61 Nr. 1 Alt.2 VwGO als juristische Person des öffentlichen Rechts beteiligtenfähig. Vertreten durch den Bürgermeister gem. § 38 I GO ist die Stadt nach § 62 III VwGO auch prozessfähig.

III. Begründetheit

Die Klage des A ist begründet, wenn er einen Anspruch auf Rückzahlung der 125 Euro gegen die Stadt S gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB analog hat. Dazu müssten die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen gegeben sein.

1. Öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung

Es müsste eine besonders enge Beziehung zwischen Staat und Bürger vorhanden sein. Dies ist infolge der Abschleppmaßnahme der Fall. Die Stadt tritt dem Bürger als Ordnungsbehörde gegenüber und greift durch das Abschleppen in den Rechtskreis des Eigentümers des Fahrzeugs ein, da sie ihm die tatsächliche Verfügungsgewalt entzieht. Dies geschieht zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht auf Grundlage des LStVG. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung ist daher anzunehmen.

2. Vermögensvorteil

A hat den vom Abschlepper geforderten Geldbetrag i.H.v. 125 Euro gezahlt. P handelt laut Sachverhalt nach Weisung der Stadt, weshalb von einem öffentlich-rechtlichen Tätigwerden auszugehen ist. P ist damit Erfüllungsgehilfe der Stadt. Der Geldbetrag ist dem Vermögen der Stadt zuzurechnen. Ein Vermögensvorteil liegt damit vor.

3. Vermögensverschiebung auf sonstige Weise

Dadurch, dass A den Betrag an die Stadt gezahlt hat ist sein Vermögen um 125 Euro vermindert, die Stadt wiederum kann den Betrag ihrem Konto gutschreiben.  Die Vermögensverschiebung fand durch die Abschleppmaßnahme und die so entstehenden Kosten statt. Es handelt sich um eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung.

4. Ohne Rechtsgrund

Fraglich ist, ob ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Geldes vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Maßnahme der Ordnungsbehörde rechtmäßig war. Zu prüfen ist demzufolge die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids.

a) Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids

Um die gesetzliche Grundlage für den Erlass des Kostenbescheids bestimmen zu können ist es notwendig die Grundlage der Vollstreckungsmaßnahme festzulegen, die zu den Kosten geführt hat. Als Vollstreckungsmaßnahme kommt gem. Art. 19 I, 29 I, II Nr. 2 i.V.m. Art. 32 BayVwZVG die Ersatzvornahme in Betracht. Abzugrenzen ist die Ersatzvornahme von einer Sicherstellung. Eine solche wäre anzunehmen, wenn das Fahrzeug im Interesse des Eigentümers auf einen Verwahrplatz verbracht wird. Darunter fallen auch Abschleppmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. Entscheidend ist, dass die handelnde Behörde das Fahrzeug auf einen Verwahrplatz verbringen möchte. Allerdings fehlt den Sicherheitsbehörden eine Ermächtigungsgrundlage für Sicherstellungen, wie sie in Art. 25 PAG für die Vollzugspolizei vorgesehen ist. Infolgedessen kommt nur eine Ersatzvornahme oder die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Frage. Auf Art. 34 BayVwZVG ist aber nur dann zurückzugreifen, wenn die anderen Zwangsmittel nicht zum Ziel führen. Vorrangig ist von der Behörde damit die Ersatzvornahme anzuwenden.

Ermächtigungsgrundlage ist deshalb  Art. 32 S. 1 VwZVG, Art. 41 I 1 VwZVG, Art. 10 I Nr. 5 KG, Art. 6 I KG in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis, Art. 41a VwZVG.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Der Kostenbescheid müsste unter Beachtung aller formellen Voraussetzungen erlassen worden sein.

aa) Zuständigkeit

Zuständig für den Erlass des Kostenbescheids ist gem. Art. 41 I 1, 32 S.1 BayVwZVG die Vollstreckungsbehörde, also die Stadt S. Die Tatsache, dass nicht S selbst handelte, sondern das Abschleppunternehmen P, spielt dabei keine Rolle, da P auf Weisung der S tätig wurde und somit Erfüllungsgehilfe war.

bb) Verfahren und Form

Eine Anhörung ist gem. Art. 28 I BayVwZVG grundsätzlich erforderlich. Allerdings ist eine Nachholung dieses Verfahrenserfordernisses nach Art. 45 I Nr.3 BayVwVfG möglich. Mangels entgegenstehender Angaben ist von der Einhaltung der Formvorschriften auszugehen.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Fraglich ist, ob der Kostenbescheid auch materiell rechtmäßig war. Dies hängt davon ab, ob die dem Kostenbescheid zugrundeliegende  Ersatzvornahme rechtmäßig war.

aa) Ermächtigungsgrundlage Art. 19 I, 29 I, II Nr. 2, 32 VwZVG

Richtige Ermächtigungsgrundlage für die Ersatzvornahme könnte Art. 29 I, II Nr.2, 32 VwZVG sein.

bb) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

Es müsste ein VA vorliegen, mit dem die Herausgabe einer Sache, die Vornahme einer sonstigen Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird. Hier könnte die aufgestellte Parkuhr ein solcher VA sein. Diese enthält das Gebot beim Parken des Fahrzeugs eine entsprechende Gebühr zu entrichten, § 13 I StVO. Wird kein Geld in die Parkuhr geworfen, muss der Parkplatz unverzüglich verlassen werden. Diesem Wegfahrgebot ist A hier nicht nachgekommen. Die Parkuhr müsste einen VA i.S.d. Art. 35 BayVwVfG darstellen. Verkehrsschilder oder ähnliche Einrichtungen wie Parkuhren erfüllen die Voraussetzungen des Art. 35 S.2 BayVwVfG. Es handelt sich dabei um benutzungsregelnde Allgemeinverfügungen. Damit ist ein GrundVA in Form eines Wegfahrgebotes gegeben.

An der Wirksamkeit des VA gem. Art. 43 VwVfG bestehen keine Zweifel. Es erfolgte eine individuelle Bekanntgabe gem. § 41 I VwVfG, da die Parkuhr deutlich sichtbar am Straßenrand angebracht war. Nach Art. 19 BayVwZVG muss der GrundVA unanfechtbar sein, keine aufschiebende Wirkung haben oder für sofort vollziehbar erklärt sein. Bei Verkehrszeichen ist § 80 II Nr. 2 VwGO analog anwendbar. Es kann nichts anderes als bei unaufschiebbaren Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten gelten. Folge ist, dass die aufschiebende Wirkung entfällt.

Der GrundVA müsste zudem rechtmäßig sein. Das Recht Parkuhren aufzustellen ergibt sich aus § 45 StVO, der es Straßenverkehrsbehörden erlaubt die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu beschränken.

cc) Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen

Zudem müsste der Tatbestand des Art. 32 VwZVG erfüllt sein. Beim Versetzen des Fahrzeugs müsste es sich um eine vertretbare Handlung handeln. Vertretbarkeit liegt vor, wenn auch ein anderer als der Pflichtige die Handlung vornehmen kann. Neben dem Fahrzeugführer kann auch die Ordnungsbehörde das Auto von seinem momentanen Standort entfernen. Das Versetzen ist damit eine vertretbare Handlung. Die Pflicht das Auto wegzufahren dürfte nicht oder nicht vollständig zur gehörigen Zeit erfüllt werden können. Da ungewiss ist, wann der Fahrzeugführer wieder zu seinem Auto zurückkehren wird, ist die Pflichterfüllung nicht rechtzeitig möglich. Damit liegen die Voraussetzungen der Ersatzvornahme nach Art. 32 BayVwZVG vor.

Das Zwangsmittel hätte gem. Art. 36 I BayVwZVG angedroht werden müssen. Eine ausdrückliche Androhung, die den A vor den Folgen einer Nichtbeachtung der Anweisung aus der Parkuhr gewarnt hätte, ist nicht ergangen. Nach Art. 35 BayVwZVG kann eine Androhung aber auch entfallen, wenn dies zur Verhütung oder Unterbindung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr notwendig ist. A verstößt durch sein Verhalten gegen die StVO. Zwar liegt damit ein Verstoß gegen die Rechtsordnung vor, jedoch besteht kein Eilbedarf. Das Parken auf einer dafür vorgesehenen Parkfläche stellt trotz Zeitüberschreitung keine Gefahr dar. Hinweise für eine Verkehrsgefährdung aufgrund parkplatzsuchender Autofahrer sind nicht vorhanden. Ein dringendes Vorgehen der Ordnungsbeamten ist deshalb nicht nötig. Die notwendige Androhung ist damit unterblieben.

dd) Ergebnis

Die Vollstreckungsmaßnahme war deshalb rechtswidrig. Folglich auch der darauf beruhende Kostenbescheid. Es existiert damit kein Rechtsgrund, der die Stadt zum Behalten des Geldes berechtigen würde. Die Klage der C ist damit zulässig und begründet.

Hilfsgutachten: Unterstellt die Androhung wäre erfolgt

dd) Verhältnismäßigkeit der Ersatzvornahme

Die Ersatzvornahme müsste verhältnismäßig gewesen sein. Dazu müsste sie ein legitimes Ziel verfolgen, erforderlich, geeignet und angemessen sein

(a) Legitimes Ziel

Das Abschleppen wird vorgenommen, um die Parkfläche anderen Verkehrsteilnehmern wieder zur Verfügung stellen zu können bzw. um wieder rechtmäßige Zustände zu schaffen. Damit liegt ein legitimer Zweck vor.

(b) Geeignetheit

Geeignet ist die Maßnahme, wenn sie der Zielerreichung dient. Durch das Wegschaffen  des Fahrzeugs werden wieder gesetzmäßige Zustände geschaffen. Geeignetheit liegt demnach vor.

(c) Erforderlichkeit

Fraglich ist, ob auch die Erforderlichkeit  bejaht werden kann. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es keine mildere gleich geeignete Alternative gäbe. Dies ist zum einen problematisch, da es sich nicht um ein Halteverbot handelt. Das Auto ist auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt und stellt keine konkrete Gefahr im Rechtssinne dar. Andere Verkehrsteilnehmer werden durch das Parken nicht beeinträchtigt. Allerdings könnte ein Abschleppen erforderlich sein um das Bedürfnis der Öffentlichkeit an freiem Parkraum zu befriedigen. Stellt man auf dieses Interesse ab ist eine Entfernung des Fahrzeugs in jedem Fall geboten. Eine Parkuhr kann letztlich nicht anders beurteilt werden als ein Halteverbot. Nach Ablauf der Höchstparkdauer oder bei Nichteinwerfen der Gebühr entsteht ein Verbot an dieser Stelle zu parken. Möglicherweise wäre es aber weniger eingreifend für A gewesen, wenn die Stadt das Auto lediglich versetzt hätte, anstatt es sofort auf einen Verwahrplatz zu bringen. Gibt es einen freien Parkplatz in der näheren Umgebung so ist das Auto vorrangig dorthin zu verbringen. Dies widerspräche vorliegend aber dem Sinn der Abschleppmaßnahme. Die Stadt möchte den Parkplatz räumen um anderen Verkehrsteilnehmern das Parken zu ermöglichen und ein geregeltes „Kommen und Gehen“ des Verkehrs zu gewähren. Würde sie nun das Auto weiter entfernt „parken“ könnte sie es ebenso gut stehenlassen. Insofern ist hier nur das Abstellen auf dem Verwahrplatz geeignete Maßnahme.

(d) Angemessenheit

Weiterhin problematisch ist die Frage der Angemessenheit. Im Sachverhalt ist nicht angegeben wie lange A auf dem fraglichen Parkplatz parkte. Er kam um 13.30 zurück und besetzte den Parkplatz für die Dauer einer geschäftlichen Besprechung. Also kann man mit einem Zeitraum von 1-3 Stunden rechnen. Zu fragen ist, ob die Stadt in diesem Fall gleich zu einer Zwangsmaßnahme greifen darf, oder die Ordnungswidrigkeit nicht erst mit einem oder mehreren Strafzetteln ahnden müsste. Das Entfernen des Fahrzeugs beeinträchtigt den A massiv in seinem Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 GG, da ihm jede Einfluss- und Nutzungsmöglichkeit genommen wird. Auch der Zugriff auf das Wageninnere ist nicht mehr möglich. Die Stadt handelt hingegen im öffentlichen Interesse und möchte die Verkehrssicherheit erhalten. Wie schon erläutert soll den übrigen Verkehrsteilnehmern das Parken in der Innenstadt ermöglicht werden, ferner soll der Verkehrsfluss erhalten bleiben, der durch das andauernde Suchen der Fahrer nach Parkmöglichkeiten behindert wird. Es ist weiterhin zu differenzieren wie viele Einwohner die Stadt hat und wie dicht dementsprechend das Verkehrsaufkommen ist. Danach ist zu beurteilen, wie lange das Parken erlaubt werden kann um die Verkehrssituation zu beruhigen. In einer kleineren Stadt wie Straubing ist der Zeitraum großzügiger zu bemessen als beispielsweise in München. Fraglich ist, ob auch die Tatsache, dass A überhaupt kein Geld in die Parkuhr geworfen hat von Relevanz sein kann und mit in die Beurteilung einfließen muss. Schließlich widerspricht dieses Verhalten in höherem Maße der Rechtsordnung als wenn die Bereitschaft zur Zahlung der Parkgebühr bestand und lediglich der Zeitrahmen überschritten wurde. Dieses Argument kann aber nicht in die Erwägung miteinbezogen werden, da das Nichtzahlen und das Zahlen mit Zeitüberschreitung gleichermaßen eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf das Abschleppen lässt sich daraus nicht rechtfertigen.  Auch der Einwand, dass die Abschleppgebühr ein Vielfaches der Parkgebühr beträgt und damit unverhältnismäßig ist,  ist nicht haltbar. Das Abschleppen erfolgt zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Das Erstellen eines Strafzettels hingegen soll lediglich den Ordnungsverstoß sanktionieren, ändert aber nichts an der Rechtswidrigkeit des Zustandes. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine kleinere Stadt, sodass wohl eine Überschreitung der Parkzeit um 3 Stunden noch nicht das Abschleppen rechtfertigt. Man könnte erwägen, ob an Nachmittagen oder Samstagen die Zeit weniger kulant bemessen werden sollte. Um aber eine einheitliche und überschaubare Regelung zu schaffen, ist ein bestimmter Wert festzulegen. So sind in erster Linie Strafzettel zu erstellen und nach einem Zeitraum von etwa 3 Stunden Abschleppmaßnahmen angemessen. Aufgrund mangelnder Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Besprechung des A nicht länger als 3 Stunden dauerte und ein Abschleppen daher unverhältnismäßig war.

Hilfsgutachten: Ergänzungen zum Kostenschuldner und zur Erstattungsfähigkeit der Kosten

ee) richtiger Kostenpflichtiger

A müsste Störer sein. Um die Verantwortlichkeit zu bestimmen werden zwei Theorien vertreten. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung und die Theorie der Rechtswidrigkeit. Nach ersterer kann nur das Verhalten, das selbst unmittelbar die konkrete Gefahr setzt und damit die Gefahrengrenze überschreitet, als polizeirechtlich erhebliche Ursache angesehen werden. Im Rahmen der Rechtswidrigkeitstheorie ist nur der Störer, der rechtswidrig gehandelt hat. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung muss bei Primärmaßnahmen zur Anwendung kommen, da ein unmittelbares, schnelles Vorgehen durch die Polizei erfolgen muss, eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung daher nicht möglich ist. Hingegen kann bei Sekundärmaßnahmen auf die Rechtswidrigkeitstheorie zurückgegriffen werden, da es lediglich um die Kostenerstattung geht. Eine Festlegung auf eine der Theorien ist aber vorliegend nicht nötig, weil A vorliegend rechtswidrig gehandelt und die letzte Ursache für den Verstoß gesetzt hat. Er ist deshalb Handlungsstörer und richtiger Adressat des Kostenbescheids.

ff) Erstattungsfähigkeit der Kosten

Auch von der Erstattungsfähigkeit ist auszugehen.

gg) Gesamtergebnis Hilfsgutachten (Androhung unterstellt)

Die Ersatzvornahme war nicht verhältnismäßig und daher rechtswidrig. Infolgedessen war auch der Erlass des Kostenbescheids nicht rechtmäßig. Die Stadt hätte A nicht abschleppen dürfen, ihm folglich auch die Kosten der Maßnahme nicht auferlegen dürfen.

Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Geldes besteht damit nicht. A hat gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB analog einen Anspruch auf Herausgabe der 125 Euro. Die Klage ist zulässig und begründet.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausur Ersatzvornahme – Abschleppfall auf unserer Website Jura Individuell.

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